Deathly Desire

29

Miles saß im Geschichtsraum, der Lehrer war noch nicht da. Er saß jetzt an einem Platz direkt neben der Tür, denn am Fenster saß Scott.

Gedankenverloren kritzelte er auf dem Tisch herum, bis eine Lehrerin schnaufend den Klassenraum betrat: "Entschuldigt die Verspätung, ich bin heute die Vertretung, euer Lehrer ist krank."

Sie stellte ihre Tasche auf dem Pult ab und ordnete ihre Sachen, dann räusperte sie sich, um wieder die Aufmerksamkeit der Schüler zu bekommen: "Ich habe noch eine Ankündigung zu machen!"

Langsam wurde es leiser und die Blicke richteten sich nach vorne, also begann sie: "Wie ihr sicher alle wisst, ist es bald drei Monate her, dass eine eurer Mitschülerinnen verstorben ist. Am Wochenende findet daher nochmal eine kleine Gedenkfeier für Sarah statt. Außerdem ermittelt die Polizei immer noch in ihrem Fall, also falls irgendjemand von euch auf der Party gewesen ist und sich noch nicht bei der Polizei gemeldet haben sollte, dann würde ich euch bitten das bald zu tun. Jeder Hinweis könnte hilfreich sein."

Sie schwieg kurz, dann nickte sie und meinte: "Okay, jetzt könnt ihr Hausaufgaben machen oder so."

Miles tippte mit dem Kulli in seiner Hand gegen den Tisch und dachte zurück an die Party. Er fühlte sich immer noch schuldig, weil er die Sache mit Sarah vielleicht hätte verhindern können, wenn er da geblieben wäre. Er hätte den Vampir auf der Party vielleicht erkannt ...

Oh Shit.

Miles wurde plötzlich schlecht. Er kannte einen Vampir, der auf der Party gewesen war.

Sein Blick zuckte zu Scott und er starrte ihn an.

Was, wenn er es gewesen war?

Scott bemerkte seinen Blick und runzelte verwirrt die Stirn. Plötzlich wurde er blass und sein Blick verhärtete sich. Kaum merklich schüttelte er den Kopf, doch Miles sprang schon auf und lief auf den Flur.

Nein, nein, nein. So durfte er nicht denken. Er sah Bilder von Scott vor sich, der Sarah biss und sie schließlich leblos zurückließ. Er sah Scott mit leuchtend roten Augen und Vampirzähnen. Scott als Monster.

Er eilte den Flur entlang und wollte so schnell wie möglich weg von hier. Hinter sich hörte er, wie die Tür noch einmal geöffnet wurde, Scott folgte ihm. Er beschleunigte seinen Schritt, doch plötzlich gab es einen kleinen Windstoß neben ihm und Scott stand direkt vor ihm.

Miles zuckte zurück und Scott fragte: "Was soll das?"

"Nichts, ich muss gehen", sagte Miles schnell, doch Scott ließ das nicht zu: "Sag schon was du denkst!"

"Du warst auch auf der Party ...", meinte Miles schließlich.

"Denks du etwa ich war das?!"

Miles sah ihn nur schweigend an und Scott wirkte plötzlich traurig: "Ich habe dir doch bereits gesagt, dass ich soetwas nicht tue!"

Miles verschränkte die Arme und wandte den Blick ab, also fügte Scott hinzu: "Ich habe schon versucht dir das zu erklären. Warum sollte ich Sarah denn etwas tun wollen?"

Miles zuckte bloß mit den Schultern: "Du wolltest vielleicht ihr Blut oder ... mochtest sie nicht?"

"Ich kannte sie doch gar nicht!"

"Naja...", meinte Miles leise. "Du hast sie doch gesehen, als ich mich mit ihr unterhalten habe."

Scott starrte ihn einen Moment lang schweigend an, dann platzte er heraus: "Ach und du glaubst ich habe sie aus Eifersucht umgebracht?!"

Miles schwieg und schließlich schnaubte Scott: "Okay, Miles, du bist mir echt wichtig, aber selbst für dich bringe ich nicht einfach unschuldige Menschen um!"

Miles senkte den Blick und Scott wiederholte: "Ich hatte damit nichts zutun. Ich weiß auch nicht, wer es war."

Miles sagte nichts dazu, also schnaubte Scott noch einmal.

"Verstehe..."

Dann drehte er sich um und ging davon.

Erst als seine Schritte nicht mehr zu hören waren, hob Miles den Blick und starrte in den leeren Flur.

Shit.

In der Mittagspause betrat Miles die Cafeteria und holte sich einen Teller Pommes, doch irgendwie war ihm der Appetit vergangen. Er sah sich nach einem freien Tisch um und entdeckte Larissa, die ihm freundlich zulächelte, also setzte er sich zu ihr.

"Hi."

"Hey! Freut mich, dich zu sehen", strahlte sie und er lächelte schwach, doch sie bemerkte es nicht.

"Ich muss es noch einmal sagen, ich kann nicht aufhören: Danke, dass du mich gerettet hast!", sagte sie und Miles nickte: "Wirklich, kein Problem."

"Naja, jetzt nutze ich definitiv keine Dating-Websites mehr", grinste sie und Miles lachte: "Ja, das wäre wohl besser!"

Larissa seufzte: "Ich wollte eigentlich nur endlich wieder jemanden finden. Ich muss über meinen Ex hinwegkommen."

"Schlimme Trennung?", hakte Miles nach und sie zuckte mit den Schultern:"Ich habe ihn wegen eines blöden Streits aufgegeben und jetzt hat er eine Andere. Die kann sich wirklich glücklich schätzen, aber meine Chance ist vorbei."

"Du wirst jemand Besseres finden, der dich nicht ersetzen kann", meinte Miles und sie nickte: "Ja, vielleicht. Es ärgert mich nur immer noch, dass wir uns wegen so Kleinigkeiten sofort getrennt haben. So jemanden wie ihn würde ich gerne wieder finden und dann definitiv nie mehr los lassen."

Sie seufzte und griff gedankenverloren nach seinen Pommes.

Plötzlich wurde Miles nachdenklich. Sein Blick schweifte zu Scott, der mit Nate an ihrem üblichen Tisch saß.

Würde er es auch für immer bereuen, sich von Scott getrennt zu haben? Diese Vampir-Sache war keine Kleinigkeit, aber vielleicht erschien sie ihm irgendwann doch als unwichtig.

Und zumindest im Moment fühlte er sich schrecklich. Er vermisste Scott. Er war sich nicht sicher, ob er nur die Person vermisste, für die er Scott gehalten hatte oder auch den Vampir. Oder ob das vielleicht gar nicht zwei verschiedene Personen waren ...

Er wusste überhaupt nichts mehr, außer dass alles in ihm danach schrie zu Scott zu gehen.

Aber er konnte nicht.