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Niedergeschlagen saß ich in meinem Schlafzimmer auf dem Bett und beobachtete teilnahmslos die Dienstmädchen dabei, wie sie meine Sachen in den Kleiderboxen verstauten. Niemals hätte ich gedacht, dass mein Vater einmal aufgrund einer Tat meinerseits so weit gehen und mich aus dem Schloss quartieren würde. Es wurden nicht nur einige Kleidungsstücke eingepackt, wie wenn man in den Urlaub fuhr –ok, selbst dann wurde regelmäßig der halbe Haushalt mitgenommen- sondern alles. Mir graute es schon vor dem Moment, indem ich mein Ankleidezimmer betreten und die Schränke, Regale und Kommoden leer vorfinden würde. Wie konnte mein Vater mir das nur antun?

Seit seiner Ansage gestern habe ich in weder gesehen, noch gesprochen. Ich war heute früh gar nicht erst aus meinen Räumen gekommen, hatte mir mein Frühstück bringen lassen und die Zeit vertrödelt. Ich müsste lügen, um zu sagen, dass ich nicht die Hoffnung hatte, dass alles nur ein Spaß und zur Abschreckung war. Nach dem Aufwachen konnte ich mir eine Zeit lang sogar einreden, dass das alles nur ein schlechter Traum und fernab der Realität war. Dann klopfte es gegen Mittag jedoch an die Tür und einige Bediensteten baten um Einlass.

Ich hatte nur geschockt dastehen und sie lautlos hereinlassen können. Wie eine Welle in seichten Gewässern war die Erkenntnis –dass das alles wirklich stattfinden und ich das Schloss für einige Zeit verlassen würde- über mir zusammengebrochen und hatte selbst den kleinsten Hoffnungsschimmer auf ein gutes Ende weggespült. Mal ehrlich, war es nicht etwas übertrieben, wegen einem einzigen Abend Ungehorsam gleich die Tochter zu verschicken? Denn genau das war es doch. Eine Strafe, die vorsah mich in meine Schranken und mein Benehmen zu verweisen und mir gleichzeitig den letzten heiratswürdigen Mann ans Bein zu binden.

„Sieh es positiv", ich zuckte zusammen, durch meine Gedanken abgelenkt hatte ich Kerensa, die die ganze Zeit neben mir saß vollkommen vergessen, wandte mich ihr jedoch nun zu und sah sie fragend und mit skeptisch hochgezogener Augenbraue an. Was sollte ich an der Sache schon Positives finden? Leise, damit die anderen Dienstmädchen es nicht mitbekamen, sprach sie weiter: „So lernst du endlich den geheimnisvollen Prinzen der Southern Uplands kennen. Obwohl man natürlich davon ausgehen muss, dass er recht unansehnlich und vielleicht nicht Gesellschaftsfähig ist, so wie der sich vor der Öffentlichkeit versteckt hält. Würde mich nicht wunder, wenn wir dort auf einen zweiten Quasimodo treffen. Dann sag ich dir aber, sollten wir schleunigst unsere sieben Sachen packen und von dort verschwinden. Selbst der König dürfte dann nicht dagegen einzuwenden haben, dass du dir jemand anderes..." Kerensa redete immer weiter, doch ich schaltete sie komplett aus.

Was wenn sie recht hatte? Würde ich es durchstehen, drei Monate mit einem Glöckner-Verschnitt unter einem Dach zu leben? Natürlich war auch das Schloss der dortigen Königsfamilie riesig, sodass man sich nicht zwangsläufig ständig über den Weg lief. Aber trotzdem, sollte wirklich der schlimmste aller Fälle eintreffen, würde ich wahrscheinlich erneut auf Kerensa hören und das Weite suchen. Klar, war das mehr als oberflächlich von mir, aber ich war nun mal eine Prinzessin und würde meine Ansprüche garantiert nicht für meinen Vater oder das Königreich runter schrauben!

Kurz nach dem Frühstück war meine Zofe zu mir gekommen und wir hatten geredet. Anfangs über alles und nichts, doch später waren wir auf das Thema Prinz gekommen. Wer war er, was tat er und vor allem: Wie alt war er und wie sah er aus. Schlussendlich wussten wir nur, dass Willam Finlay Galeron hieß, maximal ein paar Jahre älter als ich sein konnte und sich erfolgreich vor den Medien verstecken konnte. Selbst im Internet gab es so gut wie kaum Informationen über ihn, geschweige denn Bilder. Das einzige war eins aus Kindestagen gewesen, wo ein kleiner blonder Engel in die Kamera gelacht und seinen Zahnlosen Mund zur Schau gestellt hatte.

Nachdem ich die restliche Zeit geschwiegen und das Treiben weiter beobachtet hatte, standen nun etliche gefüllte Kleiderboxen in meinem Schlafzimmer und den anderen Räumen rum. Nicht mehr lange und all der Kram würde in einem fremden Schloss, in fremden Zimmern verteilt anzufinden sein. Erschöpft von der ganzen Aufruhe in meinem Inneren, ließ ich den Kopf hängen und hielt mir die Hände vors Gesicht. Vielleicht übertrieb ich ja, aber es fühlte sich an, als wäre das mein letzter Tag in Freiheit. Ab morgen würde sich alles ändern und ich musste –ob ich wollte oder nicht- damit klarkommen. Dass mein Vater das ganze noch absagen und mich somit quasi retten würde, daran glaubte ich nicht mehr. Zumal die Beweise seiner Hartnäckigkeit und seines Willens unübersehbar auf dem Boden verteilt standen.

Leise seufzend hob ich meinen Kopf wieder und bemerkte verdutzt, dass sich außer mir niemand mehr im Raum befand. Wann waren die Dienstmädchen und Kerensa verschwunden und warum hatte ich davon nicht mitbekommen. Prüfend glitt mein Blick durch den nun leeren Raum. Es wirkte fast schon gruselig fremd hier drin. Bis auf die verteilten weißen Möbel, das riesige Bett und die zart-grünen Vorhänge an den bodentiefen Fenstern, war alles verschwunden. Ob es in den anderen Räumen ähnlich verlassen und karg aussah?

Ohne mein direktes Zutun, erhob ich mich und lief langsam von einem Raum zum nächsten. Hier und da standen noch Möbel, Sitzmöglichkeiten und die ganzen Dekoartikel rum, ansonsten war alles in den Koffern verstaut. Im hintersten Zimmer angekommen, ließ ich meine Hand vorsichtig über die noch gefüllten Regale fahren. Mein Lese- und Arbeitszimmer. Die Bücher würden wohl oder übel hierbleiben, sowie alles Weitere in diesem Raum. Wie automatisch schnellte mein Blick zu dem riesigen Schreibtisch am Fenster. Irgendetwas hatte ich vergessen, irgendetwas musste ich noch mit meinem Vater besprechen...nur was genau, das wollte mir einfach nicht einfallen. Also lief ich weiter und setzte mich in den drehbaren Schreibtischstuhl. Seufzend –wahrscheinlich würde ich heute für die meisten Seufzer innerhalb eines Tages ins Guinnessbuch der Rekorde kommen- lehnte ich mich zurück und schloss die Augen. Wie ich diesen Stuhl vermissen werde, allgemein das Arbeiten an diesem Platz. Selbst wenn es nur drei Monate waren, aber das Austüfteln von Hausarbeiten war an diesem Platz einfach... Hausarbeiten. Mein Studium! Da war es, was ich unbedingt noch mit meinem Vater besprechen musste: Wie sollte es in der Zeit mit dem Studium weitergehen, zumal ich kurz vor dem Abschluss stand?

Ein leichtes Pochen hinter der Stirn kündigte nahende Kopfschmerzen an, also verließ ich den Raum und setzte mich aufs Bett. Was sollte ich nun auch anderes tun, außer etwas Schlaf zu suchen. So würde ich morgen eventuell frisch und halbwegs fit ins Unbekannte starten können. Denn dass ich eine Menge an Kraft und Selbstbeherrschung brauchen würde, spürte ich jetzt bereits.

Mit meinem Vater würde ich spätestens beim Abendessen reden müssen, da könnte ich das Thema Studium auch noch ansprechen.

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