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Ungeduldig lief ich im Raum auf und ab. Seit über einer halben Stunde, ließ Cayden mich nun schon warten. Ich fühlte mich bereits wie ein Löwe in Gefangenschaft, der nichts weiter zu tun hatte, als stetig am Gitter entlang zu schleichen und missmutig auf das nächste Geschehen oder die nächste Fütterung zu warten.

Was bildete sich dieser Mensch nur ein? Wollte er mich eigentlich verarschen? Natürlich war mir bewusst, dass er es mit Absicht tat, nur warum, das erschloss sich mir einfach nicht. Ich hatte ihm weder etwas getan, noch anders als die restlichen Bediensteten behandelt. Denn genau das war er nunmal, ein Bediensteter. Als solcher hatte er auf sein Verhalten höhergestellten Personen zu achten, sich den Vorschriften entsprechend zu benehmen und einem mit dem gebührenden Respekt gegenüberzutreten. Aber an Respekt mangelte es ihm eindeutig!

Kerensa war direkt nach meinem Frischmachen aus dem Raum verschwunden, da sie noch einige andere Aufgaben zu erledigen hatte, meinte aber, dass ich mich nicht von einem ungeobelten Wicht ärgern lassen sollte. Natürlich wusste ich das auch und trotzdem rannte ich nun wie eine Bekloppte von einer Seite des Raums zur anderen und ließ meinem Ärger freien Lauf. Der konnte was erleben, wenn er endlich auftauchte. So langsam war es mit meiner Geduld vorbei!

In eine erneute Schimpftirade verfallen, hörte ich erst das Klopfen nicht, das einige Zeit später ertönte. Erst als es zu einem lauten Donnern anschwoll, hielt ich in der Bewegung inne, straffte meine Schultern, überprüfte im Spiegel flink mein Pokerface und öffnete schließlich die Tür.

"Eure Hochnäsigkeit, bitte folgen sie mir zu den Ställen!" Er besaß doch tatsächlich die Dreistigkeit mich erst kackenfrech anzugrinsen und dann eine mehr als übertriebene Verbeugung auszuführen. Kurz kniff ich die Augen zu Schlitzen zusammen und zischte, mich nicht unter Kontrolle habend: "Ihr seid eine verdammte Stunde zu spät!" Ein verächtliches Schnauben seinerseits war die Antwort, dann drehte er sich einfach um und lief voran. War es vielleicht eine dumme Angewohnheit von ihm jemanden einfach stehen zu lassen, in der Annahme man würde ihm schon folgen oder doch nur Provokation? Ich tippte auf zweiteres.

Wie hatte er es bis jetzt nur geschafft mit diesem Verhalten nicht gefeuert zu werden? Fragte ich mich, während ich Cayden über den Hof, zu besagten Ställen folgte. Der Geruch nach Heu und Pferd schwappte mir entgegen und ich rümpfte angeekelt die Nase. Diese Tiere haben mich noch nie sonderlich interessiert. Natürlich gab es in meiner Kindheit mehr als nur einige Reitstunden, trotzdem konnte ich mich nie mit diesen Kreaturen anfreunden. Sie waren hübsch, man konnte auf ihnen Reiten, aber mehr auch nicht.

Komplett in Gedanken versunken, zuckte ich zusammen, als mir plötzich etwas schweres in die Hände gedrückt wurde. "So, dann wollen wir hier erstmal ein wenig Ordnung schaffen, bevor es an die Auswahl geht." Ich sah hinab. Eine Schaufel? Der würde jetzt doch nicht allen Ernstes von mir erwarten, dass ich... "Los, Prinzessin. Wer aufs Pferd will, muss auch drunter kehren!", riss mich Caydens vor Schadenfreude triefende Stimme aus meiner Verwirrung. Reiß dich zusammen, Sophilia! Du bist etwas besseres, etwas viel besseres! Zeig ihm die kale Schulter und steig nicht auf sein Niveau hinab!  Ich musste mir diese Worte mehrmals hintereinander denken, ehe ich einen Schritt auf ihn zu ging, die Schippe unsanft gegen die Brust stieß und kalt erwiderte: "Diese Arbeit ist meiner unwürdig. Ihr seid es, der kehren sollte! Also hört auf mit diesen elenden Spielchen, benehmt euch wie ein erwachsener Mann und zeigt mir die Pferde. Ich könnte meine Zeit weitaus besser verbringen, als mit Euch.", den letzten Satz sprach eher zu mir selbst, als zu ihm...aber er verstand es trotzdem.

"Ach, seid Ihr euch etwa zu fein dafür? War ja klar, mit der goldenen Gabel im Maul aufwachsen und sich bloß nie die ach so feinen Händchen schmutzig machen. Aber was habe ich anderes erwartet? Und glaubt mir", jetzt kam er einen Schritt auf mich zu und war mir nun so nah, dass lediglich der Spaten zwischen uns stand, "ich habe auch weitaus besseres zu tun, als einer arroganten, verzogenen Göre beim Pferdchenaussuchen zu helfen. Also nehmt die Schippe und fangt endlich an, umso schneller ist diese Tortur vorbei!" Die letzten Worte knurrte er nur noch, drückte mir den Holzgriff grob in die Hand und lief dann schnurstracks in den Stall.

Mein Mund öffnete und schloss sich wieder. Vollkommen überrumpelt wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Noch nie hatte jemand gewagt so mit mir zu reden, nicht einmal Kerensa! Ich brauchte einige Sekunden, um mich wieder zu sammeln, dann kroch jedoch die Wut in mir hoch. Sauer stapfte ich hinter ihm her. Na warte...!

"Cayden!", rief ich, die Wut so gut es ging unterdrückend. Trotzdem hatte ich das Gefühl meine Stimme schien zu vibrieren. Ich konnte ihn niergends sehen. "Cayden, bewegt Euren Hintern hierher!", die Schutzwände brockelten bedrohlich, als er nun garstig grinsend und mit einem Funkeln in den Augen aus einer der Boxen kam. "Oho, Eure Hochnäsigkeit erinnert sich sogar an meinen Namen, welche Ehre!" "Achtet auf Eure Wortwahl!", zischte ich, "Ich werde ganz sicher keinen Mist schaufeln oder sonstiges dieser Art! Also macht endlich eure Arbeit und zeigt mir ein geeignetes und passendes Pferd für den morgigen Ausritt!"

Mein Wangen hatten wahrscheinlich schon eine rötliche Farbe angenommen und ich funkelte ihn wütend entgegen. Hoffentlich hatte er jetzt endlich verstanden, dass er sich schnleunigst zusamenreißen sollte, da ich sonst sehr ungemütich werden konnte. Ich musste mich zwar noch nie auf solche Weise gegen jemanden behaupten, trotzdem verriet mir die unterschwellig brodelnde Wut, dass ich es sehr wohl konnte.

Eiseskälte sprühte mir aus seinen Augen entgegen, dann blitzte es wieder verräterisch in ihnen und er meinte barsch: "Wie wäre es mit dem Gaul in der Box rechts neben dir? Das sollte die perfekte Wahl sein, vom optischen, sowie vom Charakter her!"

Misstrauisch drehte ich mich um und schaute durch die Gitterstäbe. Sofort ertönte ein hysterisches Wiehern und Schnaube und ein kleines altes Pony schlug immer wieder mit den Hinterhufen aus. Als es erneut sein Maul öffnete erkannte ich, dass ekelhaft gelbe oder sogar fehlede Zähne hatte. Das Fell war wild zerstrubbelt und es hatte eine mehr als hässliche Frisur. Wer tat einem alten Gaul nur soetwas grässliches an? Dann fiel mir wieder ein, was Cayden soeben gesagt hatte. Die aufgestaute Wut nicht mehr unter Kontrolle haltend, drehte ich mich ruckartig um und stürmte die wenigen Schritte zu dem boshaft grinsenden Mann vor mir hin. Im nächsten Moment hallte ein klatschendes Geräusch durch den Stall, als meine geöffnete Hand mit voller Wucht seine linke Wange traf. "Es reicht! Solch grenzenlose Respektlosigeit muss ich mir nicht bieten lassen! Was fällt dir eigentlich ein, MICH so zu behandeln? Hat dir niemand richtiges Benehmen beigebracht? Du arroganter Pimpf glaubst wirklich so mit mir umgehen zu können? Such mir verdammt nochmal ein ordentliches Pferd für morgen und dann räum die Scheiße hier weg. Und hör endlich auf so dämlich zu grinsen!", anfangs schaffte ich es noch einigermaßen meinen Ton zu mäßigen, doch zum Ende hin schrie ich ihn nur noch an.

Zitternd vor Zorn und Schock über meine eigene Reaktion, drehte nun ich mich einfach um und stürmte davon. Raus aus dem Stall, runter vom Hof und einfach hinauf in mein Zimmer. Ich musste mich wieder unter Kontrolle bekommen und darauf achten, dass solch ein Ausbruch zukünftig nicht noch einmal geschah. Aber zu allererst musste ich diese Wut unter Kontrolle bringen. Wie schaffte es bloß ein einzelner unbedeutender Mensch alle Mauern um mich zu zerbrechen? Wie konte er in wenigen Stunden jahrelang antrainierte Disziplin zunichte machen und mich dermaßen reizen, dass ich mich selbst vergaß?

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