15.

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Meine Haare waren fertig. Locker nach hinten gekämmt, wurden sie, bis auf zwei gelockte Strähnen, von kleinen silbernen Spängchen gehalten und ergossen sich ebenfalls in großen Locken über meinen Rücken. Meine Augen wurden nur von einem schmalen Lidstrich, sowie Wimperntusche betont und waren somit dezent genug für den überaus auffälligen roten Lippenstift, der meinen Mund in den Mittelpunkt setzte. Fehlte nur noch eins: Das Kleid. Doch wie nicht anders zu erwarten, ließ sich der Pimpf Zeit mit der Lieferung.

Genervt blickte ich immer wieder auf die Uhr und konnte es seit einigen Minuten nicht unterlassen, vor meiner Fensterfront auf und ab zu laufen. Den seidenen Morgenmantel fester zuschnürend seufzte ich zum gefühlt hundertsten Mal, drehte mich ruckartig zu Kerensa um und blieb stehen. Seit dem Nachmittag war sie ständig in Gedanken, reagierte langsam, bis gar nicht auf etwas, das ich sagte und starrte immer mal wieder verträumt in unbestimmte Ferne. Na wenn es da mal keinen Redebedarf gab!

"Was ist eigentlich los mit dir?", fragte ich schmunzelnd und konnte ein Lachen nicht unterdrücken, als sie zusammenzuckte und mich schuldbewusst ansah. Ihr zuliebe wiederholte ich auch diese Frage erneut und bemerkte entzückt, wie sie erst rot wurde und dann verlegen den Blick senkte. "Sag bloß, der Prinz hat es dir angetan!?", aus meinen Worten sprach die pure Verblüffung. Nicht, dass ich es schlimm fand, denn auch wenn ich wegen des Prinzen hier war, so wussten wir beide, dass ich es nur meines Vaters wegen tat. Trotzdem wich sie meinem Blick weiterhin beschämt aus und stammelte schließlich: "Nein...so ist das nicht. Er ist nur...naja... einfach ein interessanter Mensch... Außerdem sieh mich doch an, selbst wenn es so wäre, ich spiele nicht in seiner Liga."

Ich war drauf und dran etwas darauf zu erwidern und ihr das Gegenteil zu zeigen, als es an der Tür klopfte. Gleichzeitig schauten wir auf, ich nickte meiner besten Freundin zu und diese öffnete schließlich die Tür.

"Entschuldigt bitte die Verspätung. Ich hoffe die Prinzessin wird trotzdem noch rechtzeitig fertig!", vernahm ich die momentan unbeliebteste Stimme in meinem Universum. Und wenn mich nicht alles täuschte, so hatte man aus seinen letzten Worten leichten Spott raushören können.

"Selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch im Bett liegen und träumen würde, bräuchte Sophilia nicht länger, als einige Minuten um fertig zu sein!", kam es vernichtend von Kerensa. Hatte ich schon mal gesagt, dass ich dieses Mädchen liebte? Ohne auf eine Antwort seitens Caydens zu warten, schnappte sie sich den Kleidersack und schmiss dem verdutzten Unhold einfach die Tür vor der Nase zu.

"Ich verstehe so langsam, warum du dich über diese Witzfigur so aufregst!" Kopfschüttelnd kam sie zu mir und begann damit das Kleid vorsichtig aus der Schutzhülle zu holen. Mir stockte der Atem. Zum Vorschein kam ein wunderschönes, bodenlanges, rotes Kleid. Ob er es ausgesucht hatte? Wahrscheinlich nicht, denn dann stünde ich hier garantiert mit einem Kartoffelsack oder etwas in der Art. Und als häte Kerensa meine Gedanken gelesen, murmelte sie: "Wunderschön! Das hat DER garantiert nicht ausgesucht."

Nachdem ich das Kleid übergestreift, silbernen Schmuck angelegt und ebenfalls silberne Highheels angezogen hatte, trat ich vor den Spiegel und staunte. Das Kleid saß wie eine zweite Haut an mir. Es war trägerlos und besaß einen herzförmigen Ausschnitt. Bis zur Mitte der Oberschenkel saß es eng und fiel danach in leichtem Stoff etwas weiter. Im Brust- und Taillenbereich funkelten einem unzählige Glitzersteinchen entgegen. Es war einfach perfekt!

Bevor ich mich jedoch wie ein selbstverliebtes Gör in meinem eigenen Anblick verlieren konnte, erinnerte mich ein erneutes Klopfen daran, dass es Zeit für den Aufbruch war. Zuversichtlich nickend öffnete mir Kerensa die Tür, reichte mir noch eine passende Clutch und flüsterte: "Viel Spaß!"

Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte ich mich schließlich zu der Person vor der Tür und erwischte leuchtend grüne Augen dabei, wie sie langsam an meinem Körper aufwärts fuhren und schließlich bei meinen ankamen. Ich musste mich sehr zurückhalten, um keinen Spruch abzulassen, als er sich etwas aus der Bahn geworfen räusperte und dann mit wieder überlegenem Blick meinte: "Ach, doch schon fertig. Naja, für den Abend wirds schon reichen..." Daraufhin drehte er sich -zu meinem Ärger mal wieder- einfach um und lief voraus. Schnell tauschte ich mit Kerensa noch einen vielsagenden Blick und eilte ihm, so elegant wie in den Schuhen nur möglich, hinterher. Na warte, der konnte etwas erleben!

An der breiten Außentreppe angelangt, sah ich schon die königliche Limousine bereitstehen und Prinz Willam davor warten. Dieser schien mich noch nicht bemerkt zu haben und starrte vor sich auf den Boden. Als er jedoch das Klappern meiner Absätze auf den Stufen bemerkte, schaute er ruckartig auf und kam mir lächelnd entgegen.

"Ihr seht fantastisch aus, wenn ich das so sagen darf!", strahlte er mich an, runzelte dann jedoch die Stirn und murmelte, scheinbar mehr zu sich selbst: "Warum er jedoch dieses Kleid gewählt hat, ist mir schleierhaft..." Seine zweite, merkwürdige Aussage ignorierend, schenkte ich ihm ein dankbares lächeln und meinte freundlich: "Vielen Dank, aber dieses Kompliment kann ich Euch nur zurückgeben."

Er nickte stumm, ließ dann seine Augen noch einmal über meinen Körper gleiten, schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf und geleitete mich zu dem Auto. Ein Bediensteter öffnete mir die Tür und wünschte noch einen angenehmen Abend, bevor er sie wieder schloss. Beindruckt, besah ich mir das Innere des Wagens, denn auch wenn ich solche Protz-Kutschen zu genüge kannte, war es immer wieder aufregend in einer von ihnen zu sitzen.

Ich war gerade dabei die Knöpfe an dem Dach über mir zu inspizieren, als die Wagentür erneut geöffnet wurde und zwei Personen einstiegen. Warte...zwei? Ruckartig schaute ich rüber und begegnete einem verächtlichen Lachen Caydens. Na ganz klasse! Sollte dieser Wicht etwa mitkommen? Ich dachte das sollte ein Abend werden, an dem Willam und ich uns besser kennenlernen würden. Natürlich hätte ich auch nichts dagegen, wenn dies nicht passieren sollte, aber das war immer noch besser, als Cayden dabei zu haben!

Nachdem niemand etwas sagte, fuhren wir schweigend zum Ort des Balls.

~*~

Nun stand ich hier auf einer mehr als prunkvollen Treppe, vor einem beeindruckend verschnörkelten Eingangsportal und wurde von zwei Herren in schwarzen Anzügen und weißen Hemden flankiert. Auf ein zeichen Willams hin, wurden die zwei Türen geöffnet und gaben den Blick auf einen wunderschönen und riesigen Ballsaal frei. Es waren bereits unzählige Menschen anwesend und mir stockte der Atem, als ich sie genauer betrachtete. Cayden...er hatte doch nicht mit Absicht... Ich schaute unauffällig zu ihm rüber und bemerkte ein garstiges Grinsen, welches seine Lippen umspielte. Dieser... Schnell erstickte ich alle fluchenden Gedanken im Keim, straffte die Schultern, hakte mich bei Willams dargebotenem Arm unter und schritt erhobenen Hauptes an der Seite des Prinzen durch die perplex und abschätzig gaffende Menge.

Sie alle trugen Anzüge oder Kleider, entweder in schwarz oder weiß. Nirgends war auch nur ein Farbtupfer zu finden, außer in einigen Gesichtern mancher Frauen. Nur ich...ich trug ein knallrotes Kleid...! Direkt hinter mir hörte ich ein leises Lachen, welches als eine Art Husten getarnt werden sollte, was jedoch mehr als misslang. Cayden. Der konnte was erleben!


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