20.

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Sophilia.


Ich musste zugeben, ich war schon ziemlich stolz auf mich! Seit nunmehr zwei Tagen schaffte ich es Cayden aus dem Weg zu gehen, was anfangs leichter gedacht, als getan war. Er klebte förmlich an Willam, was schon beinahe gruselig war. Abgesehen teilweise bei Kerensa, war mir noch nie aufgefallen, dass ein Bediensteter so sehr an einem Höheren dran hing, geschweige denn ihn zu fast jedem wichtigen Termin begleiten durfte. Äußerst merkwürdig die ganze Sache. Denn mir kam es mittlerweile nicht mehr so vor, als wären die beiden befreundet...eher auf eine verschrobene Art und Weise verwandt. Aber das konnte beim besten Willen nicht sein, dafür waren sie viel zu verschieden und gehörten unterschiedlichen Ständen an.

In Gedanken vor mich hin rätselnd und dadurch abgelenkt, schlenderte ich in mein Schlafzimmer und blieb verwundert stehen, als ich eine verheulte Kerensa auf dem Bett vorfand.

"Hey, was ist denn passiert? Alles in Ordnung?", murmelte ich und setzte mich neben sie. Vorsichtig legte ich die Arme um ihre bebenden Schultern und zog sie ohne groß nachzudenken in eine Umarmung. "Schscht, beruhig dich. Nichts kann so schlimm sein, dass es deine Tränen wert ist!"

Sie schniefte noch einige Zeit und wurde dann tatsächlich ruhiger. Als sie scheinbar auch ihre Sprache wiedergefunden hatte, rückte sie ein Stück von mir ab und sah mich mit roten Augen an. "Ich muss dir was sagen. Und es tut mir so unglaublich leid! Bitte hass mich nicht... Ich wollte das nicht. Nur... ach ich weiß es doch auch nicht..." Noch bevor sie erneut den Tränen freien Lauf lassen konnte, tätschelte ich schnell ihren Arm und versuchte möglichst ruhig zu sprechen: "Ich werde dich schon für nichts hassen! Also erzähl doch erstmal, was überhaupt passiert ist."

Überrascht beobachtete ich eine leichte Röte, die sich auf ihren Wangen ausbreitete, ehe sie zögerlich begann: "Also... ich habe zufällig Willam draußen getroffen, als ich einen Spaziergang durch den Garten machen wollte... er meinte, er würde mich etwas herum führen, damit nicht das selbe geschehe, wie bei dir anfangs..." Sie stockte. Bis hierhin konnte ich noch keinen Grund finden, der ihre Tränen rechtfertigte. Also musste noch etwas passieren. Natürlich hatte ich einen wagen Verdacht, wollte sie jedoch nicht unterbrechen oder verunsicher, indem ich ihn äußerte. Kerensa atmete ein paar Mal tief durch und flüsterte beinahe: "Wir waren dann in einem der Gewächshäuser. Er hat mir einige Pflanzen gezeigt und mir ihre Namen genannt... Und irgendwann, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte, hat er mich...also wir haben uns..." "Geküsst?", unterbrach ich sie, da es mir etwas zu lange dauerte ihrem Gestammel zuzuhören. Ja, ich war ein ungeduldiger Mensch, verurteilt mich!

Beschämt sackte ihr Kopf nach vorn. "Ja." Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Hatte sie mir gerade wirklich eröffnet, dass sie mit dem Prinzen geknutscht hatte, den ich eigentlich heiraten sollte? "Oh, das es wirklich so war, hätte ich nicht erwartet." Ich spürte, wie sie mich mit ihrem Blick förmlich durchbohrte. Doch ich konnte gerade nur an die Wand vor mir starren und versuchte mit all den Gedanken klarzukommen. Meine Zofe und beste Freundin knutschte mit meinem zukünfigen -von meinen Eltern quasi aufgezwungenen- Ehemann, Prinz Willam.

"Kerensa?", selbst in meinen Ohren klang meine Stimme ziemlich monton und abwesend, "Weißt du eigentlich, was du da tust? Weißt du, was du für mich jetzt bist?" Ein erneutes Schluchzen erklang neben mir und sie begann unzählige Entschuldigungen zu murmeln, während sie nach meinen Händen griff. "Stop!" Ich wollte mir das nicht weiter anhören und drehte mich ihr ruckartig wieder zu. Sofort verstummte sie und sah mich mit tränenüberströhmten Gesicht verzweifelt an. "Du bist der mit Abstand... beste Mensch, den ich mir vorstellen kann!" Verblüfft und etwas schockiert von meinem Ausdruck zog sie die Brauen zusammen und legte ihren Kopf leicht schief. "Kerensa, du bist meine beste Freundin! Und ich freue mich, dass der Prinz ebenfalls Gefallen an dir gefunden hat. Und hinzu kommt, dass wenn er sich in dich verliebt, dann wird er mit Sicherheit nicht mich heiraten wollen. Sei ehrlich, eine bessere Lösung hätten wir nie erfinden können! Das mag gerade herzlos und abgekatert klingen, aber ich freue mich wirklich für dich. Also genieß es, Süße, genieß es und schau, was sich daraus eventuell entwickeln kann. Nur versprich mir, dass du dich nicht ausnutzen lässt und er dich mir nicht wegnimmt!"

Immer noch leicht ungläubig sah sie mich an, quietschte im nächsten Moment jedoch ohrenbetäubend laut und fiel mir um den Hals. Ich lachte auf und schlang schließlich auch meine Arme um sie. Ich liebte dieses Mädchen einfach dafür, wie sie war und dass sie meine beste Freundin war.

Ich weiß nicht, wie lange wir uns halb lachend und halb weinend umarmten, als plötzlich ein Räuspern erklang und gleich darauf die Stimme, die ich am Liebsten nie wieder hören wollte. "Ich weiß zwar nicht, was hier gerade passiert, doch ich soll Prinzessin Sophilia zu König Adon geleiten." "Cayden, was eine Freude Euch zu sehen.", spottete ich, bevor ich es mir verkneifen konnte, löste mich von Kerensa und stand auf. "Die Freude ist ganz meinerseits.", kam es im gleichen Ton zurück, "Ihr solltet vielleicht Eure Kleidung richten, denn in solchem Zusatnd wäre es eine Zumutung für den König." Kerensa zog neben mir scharf Luft ein und sah ihn vernichtend an. Ich straffte lediglich meine Schultern, ließ meine Hände glättend über den Stoff gleiten und schritt an ihm vorbei zur Tür. Natürlich nicht ohne meine Haare übertrieben über die Schulter zu schwingen und ihm einen abwertenden Blick zuzuwerfen. Nimm da, Mister Arrogant!

Schweigend folgte ich ihm durch die langen Flure und versuchte ihn mit den Augen von hinten zu erdolchen. Wo führte er mich nur hin? Langsam hatte ich erhebliche Zweifel daran, dass es wirklich zum König ging. "Cayden, wohin gehen wir?", meine Stimme war beinahe ein Knurren. Doch er ignorierte mich einfach und trat hinaus ins Freie und blieb nach endlos scheinenden Minuten einfach mitten im Garten stehen. "Es geht gar nicht zum König." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung und er lachte daraufhin verächtlich auf. "Auch schon mitbekommen? Meine Güte, die Prinzessin scheint wirklich an Schläue nicht zu übertreffen zu sein!" Wenn er nicht sofort mit dieser respektlosen Masche aufhörte, dann könnte er gleich etwas erleben.

Ich atmete tief durch und fragte durch zusammengebissene Zähne: "Was wollt Ihr von mir und wieso sind wir hier?" "Setz dich.", war die einzige Antwort und er deutete auf eine halb in einen Busch gewachsene Bank. Ich blieb, wo ich war. "Meine Güte, ist dir das etwa zu dreckig oder zu unfein? Setz dich doch einfach hin." Ich spürte bereits das Brodeln der Wut in mir und blieb aus Prinzip schon stehen. Was um alles in der Welt wollte er jetzt?


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