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"Wie lange wir wohl noch unterwegs sein werden?", Kerensas Flüstern riss mich aus meinen Gedanken. Scheinbar hatte ich schon eine ganze Weile nur aus dem Fenster unseres Wagens gestarrt, in dem zum Glück nur wir beide saßen. "Warum flüsterst du?", grinsend drehte ich mich zu ihr. Mit einer leichten Kopfbewegung deutete sie auf den Fahrer und ich konnte nicht anders, als mit den Augen zu rollen. "Denkst du wirklich er lauscht? Und selbst wenn...was sollte er weiter erzählen, dass wor uns für das baldige Ende der fahrt interessieren?" Jetzt war es Kerensa, die mit den Augen rollte und mich dann wieder fragend ansah. Doch hatte ich beim besten Willen keine Ahnung, wann wir unser Ziel endlich erreichen würden und zuckte deshalb nur unsicher mit den Schultern.
Wir waren nun schon seit über zwei Stunden unterwegs und wenn man den Worten von König Adon glauben schenkte, dann würden wir sicherlich noch einige Zeit unterwegs sein.
~*~
Endlich! Nach fast vier Stunden hielt der Wagen vor einem kleinen Haus. Natürlich wirkte es weder runtergekommen, noch dem Verfall nahe. Trotzdem hatte ich eindeutig etwas anderes erwartet. Dies schien mein Gesichtsausdruck beim Aussteigen deutlich zu zeigen, denn sofort vernahm ich eine unbeliebte Stimme zu meiner Rechten: "Da hat unser Prinzesschen wohl etwas besseres erwartet. Schade, dass Euer Hochnäsigkeit enttäuscht wird, aber dies ist unsere Bleibe für die nächsten Tage."
Ohne Cayden auch nur eines Blickes zu würdigen lief ich die schmale Treppe zur Veranda hinauf und wartete vor der Eingangstür darauf, dass mir jemand öffnete. So stand ich da und wartete verwundert, bis ein Schnauben mich zusammenzucken ließ, ich unsanft von einer Tasche zur Seite gerempelt wirde und ein wütender Cayden motzte: "Noch nie eine Klinke in der Hand gehabt? Die benutzen normale Menschen, um Türen zu öffnen. Aber ich vergaß, die Hände Eurer Hoheit sind natürlich zu wertvoll, um solch niedere Tätigkeiten auszuführen." Perplex stand ich einfach nur da und ihm hinterher, wie er mit einer Tasche beladen ins Haus ging und schon bald aus meinem Sichtfeld verschwunden war.
Hinter mir starteten plötzlich die Motoren der Wagen und erneut verwirrt drehte ich mich um. Wieso fuhren sie schon fort? Scheinbar war es das einzige Personal auf diesem Hof. Wer sollte nun mein Gepäck hinein bringen?
Als Kerensas und mein Wagen, der der letzte in der Reihe war, losfuhr sah ich auch schon meinen Koffer. Einsam stand er dort in der Einfahrt und wartete dauf ins Haus gebracht zu werden. Gab es hier wirklich niemanden, der dafür zuständig war? Und wo befand sich Kerensa? Ihr Koffer stand nicht wie zu erwarten wäreneben meinem und im nächsten Moment wusste ich auch schon weshalb. Verhalten lachend stand sie neben dem Prinzen, welcher nun sein eigenes und das Gepäck meiner Zofe nahm und mit ihr zur Eingangstür kam.
Bei mir angekommen blieb Willam kurz stehen und meinte fast schon entschuldigend: "Es tut mir leid, Prinzessin, jedoch gibt es hier kaum Personal. Hier ist man selbst für sein Gepäck zuständig, aber ich werde Cayden schicken, wenn Ihr es wünscht!" Ohne vorher nachzudenken und mehr aus Trotz, schüttelte ich ruckartig den Kopf. "Vielen Dank, aber dies wird nicht nötig sein. Wo finde ich mein Gemach?" Kurz runzelte er die Stirn, zuckte dann jedoch leicht mit den Schultern und meinte, bevor er sich wieder in Bewegung setzte freundlich: "Ihr nächtigt in der oberen Etage, den Gang rechts und der Raum ganz am Ende links." Unsicher, was sie nun tun sollte, blieb Kerensa stehen und sah mich an. Ermutigend nickte ich ihr zu und meinte motivierter, als ich es überhaupt war: "Na geh schon, es wird ja nicht so schwer sein den eigenen Koffer aufs Zimmer zu bringen." Einen kurzen Moment zögerte sie noch, nickte dann jedoch leicht und verschwand ebenfalls im Haus.
Unsicher lief ich zurück zu meinem Koffer, der mit jedem Schritt größer zu werden schien. Dürfte doch nicht so schwer sein dieses Teil hinein zu bekommen! Natürlich könnte man mich jetzt auslachen und sich fragen, was ich doch für ein eingebildetes Etwas war, jedoch hatte ich mich noch nie in meinem Leben selbst um mein Gepäck kümmern müssen, geschweige denn mir sonderlich viele Gedanken darüber gemacht.
Ohne genau zu wissen, wie ich die Sache am besten angehen sollte, packte ich den oberen Henkel und versuchte den Koffer anzuheben. Es misslang. Was um alles in der Welt hatte ich eingepackt? Steine? Nachdem auch der nächste Versuch nich von Erfolg gekrönt war, schnaufte ich wütend und begann das Ungetüm einfach über den Kies zu schleifen. So machten es das Personal oder normale Menschen sicherlich nicht, denn danach bräuchte man nicht nur einen neuen Koffer, sondern auch einen neuen Rücken!
Nach endlos scheinenden Minuten erreichte ich dann auch tatsächlich die Eingangstür. Auf dem nun glatten Holzboden bemerkte ich die Rollen und zog beinahe mühelos das unhandliche Ding bis zur Treppe. Und nun? Verzweifelt blickte ich die endlosen Stufen hinauf. Hatte ich doch die paar Stufen zur Veranda gerade noch mit Mühe und Not geschafft, schien mir dies jetzt als unmöglich.
Innerlich fluchend machte ich mich dennoch an die Arbeit. Wäre doch gelacht, wenn das nicht zu schaffen wäre! Doch bereits nach den ersten drei Stufen zitterten mir die Arme. Ich könne dieses blöde Ding doch auch einfach hier stehen lassen, anstatt mich daran tot zu zerren...oder? Nur dann würde jeder sehen, dass mein Gepäck noch hier unten steht und allein des Stolzes wegen raffte ich mich auf und zerrte den Koffer die nächsten Stufen hoch.
Gefühlt fünf Treppen weiter blickte ich voller Hoffnung nach vorne, um zu sehen wie weit es noch war. Sofort sackten mir die Schultern ein. Ich hatte erst die Hälfte der ersten Trepoe geschafft? Wie erbärmlich!
Gerade als ich meine schon kraftlosen Hände wieder um den Griff legte und irgendwie die nächsten Stufen anvisierte, wurde der Koffer schlagartig leichter. Erschrocken sah ich auf und direkt in das herablassende Grinsen Caydens. Wann war der hier aufgetaucht? Bevor ich irgendetwas sagen oder fragen konnte, entriss er mir das wuchtige Teil und meinte höhnisch: "Kann sich ja niemand mit ansehen. Komm Prinzesschen, dafür hab ich was gut bei dir!"
Allein wie er dies sagte hätte mich ablehnen lassen müssen, jedoch hatte ich einfach keine Lust und Kraft mich weiter abzurackern und war viel zu erleichtert die letzten Meter nach oben ohne extra Gewicht zu laufen.

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