Kapitel 17 : "Der Tod wird kommen"

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"Psst! Charon, hier drüben", sagte eine angenehme weibliche Stimme. Es war dunkel und Charon lag noch im Käfig. Verdreckt und stinkend blickte er sich um, in der Hoffnung er würde sehen, aus welcher Richtung die weibliche Stimme kam. Zufrieden lächelte er als er im Mondschein, das Gesicht der Frau erblickte. Sie lief leise an die Gitter des Käfigs heran und steckte ihre Hand hindurch. Charon nahm das Bündel, dass sie ihm reichte dankbar entgegen und streichelte ihr behutsam über die Wange. "Danke", murmelte er schwach und machte sich sofort daran, das Bündel zu plündern.

"Dein Bruder, der Piratenfürst setzt alles daran die verbliebenen Schiffe bereit zu machen", sagte die Frau und lächelte Charon dabei an. "Clea, meine Tochter", sagte er glücklich und fuhr fort: "Dies sind die besten Nachrichten in den letzten fünf Tagen. Charons schwache Gesichtszüge verdüsterten sich. Er schnappte sich Cleas Hand und zog sie dicht zu sich heran. "Bitte versprich mir, dass du mich hier rausholst, wenn der Tod über unsere Stadt kommt. Sie sind uns auf den Fersen...", flüsterte er ihr ins Ohr. Ihr Lächeln verschwand plötzlich und sie riss ihre Hand aus der Seinen. "Dies wird nicht möglich sein. Barabas forderte deine Hinrichtung bereits morgen", sagte sie bekümmert. Bei Cleas Worten stockte Charon der Atem. Nach einem kurzen Blick in die Sterne sah er ihr wieder ins Gesicht. Hoffnungsvoll fragte er: "Mein Bruder hat das Sagen. Er wird veranlassen, dass meine Hinrichtung nicht morgen sein wird, nicht?"

Clea lehnte sich mit dem Rücken zu Charon, gegen die Eisengitter des Käfigs. Sie atmete einmal tief ein und aus bevor sie weitersprach: "Barabas erzählte allen was passiert ist. Sie hassen dich und wollen dich, durch seine Worte, tot sehen" Eine Träne rollte Clea über die Wange und sie wischte sie mit ihrem dreckigen Ärmel weg. Charon unterdrückte sein entsetzen und streichelte seiner Tochter durch die haselnussbraunen Haare. "Wenn ich ihnen jetzt erzähle, wieso ich das tat, werden sie mich so oder so erhängen. Die Menschen lieben diesen Ort", sagte er nachdem er das letzte Stück Brot endlich hinuntergeschlungen hatte.

Kauernd saßen beide in der warmen Nacht auf dem Boden und beobachteten noch die Sterne. Als die Dunkelheit anfing sich zu verziehen, und abgesehen vom Rauschen der Wellen, nun auch Kinderschreie zu hören waren, drehte sich Clea ein letztes Mal zu Charon um und sah ihm tief in die Augen. "Ich werde nicht zulassen, dass du heute stirbst Vater", sagte sie entschlossen und stand auf. Bevor die ersten Menschen aus ihren Häusern traten, war sie verschwunden.

Charon saß trostlos in dem Käfig und starrte in die Augen der ausgehungerten Menschen um ihn herum. Plötzlich hörte er schwere Schritte. Durch die Menge zwang sich Barabas, der mit einer dicken Schlinge in der Hand vor dem Käfig halt machte. "Aufwachen Käpt'n!", brüllte er wütend und schloss die Tür auf. Charon blickte ihn entgeistert an und rührte sich nicht. Barabas griff nach dem stinktenden Hemd, welches Charon nun seit Tagen an hatte und zog ihn daran hinaus. Er landete mit dem Gesicht auf dem Sand. Zum Teil glücklich darüber, dass er endlich aus dem stinkenden Käfig raus konnte, zum Anderen jedoch untröstlich, bei dem Gedanken an das Kommende.
Barabas packte Charons kragen und zog seinen geschwächten Käpt'n daran hoch. "Jetzt bekommst du das, was du verdienst!", fuhr er ihn weiterhin an. Charon blickte herum und sah in die vielen Gesichter, seiner alten Freunde, als er durch die Gassen geführt wurde. Sie blickten ihn traurig an und wandten sich ab.

An diesem Morgen war die Piratenstadt zum ersten Mal seit langem still. Leise beobachteten alle, wie Charon dem Galgen entgegenschritt. Die Morgenröte legte sich über die Stadt und die Wellen schlugen laut gegen den steinigen Strand, der sich hinter dem Galgen befand. Charon lauschte den Vögeln und schritt unter lautem knarren der hölzernen Treppenstufen auf das Richtgestell.

"Hier rüber!", fuhr Barabas ihn an und zeigte auf die Stelle unter dem Strick, den er gerade angebracht hatte. Der Piratenfürst wies Barabas an sich zu entfernen und ging herüber zu Charon. "Bruder", flüsterte er und blickte mit Tränen in den Augen, in die seinen. "Es gibt keinen anderen Weg" entgegnete Charon und versuchte zu lächeln. "Rette sie alle, wenn es so weit ist!", sagte er und steckte seinen Kopf selber durch die Schlinge. Mit einer langen Umarmung endete das Gespräch der beiden Brüder. Weinend stand der Piratenfürst daneben und versuchte seine Tränen zu unterdrücken. Langsam schritt er beiseite und stellte sich neben Clea, die ebenso wie der junge Percy am Rande des Gestells standen. Clea umarmte Percy, der seinen Großvater verachtungsvoll anblickte. Seine Tränen vergrub er in dem dreckigen Gewand seiner Mutter.

"Vertrau mir und hilf deinem Bruder im richtigen Moment!", sagte sie fordernd zum Piratenfürst und sah herüber zu Barabas, der seine Hand bereits auf den Hebel legte, der Charon in den Tot stürzen würde.
"Heute, vollstrecke ich ein Urteil über den Mann, der seine treuen Männer, unsere Freunde und Familienmitglieder gnadenlos in den Tot schickte!", brüllte er in die Menge, woraufhin diese zu seiner Zufriedenheit endlich anfing zu klatschen und zu johlen.

Der ruhige Morgen erzitterte unter dem lauten Gebrüll, der vielen Menschen. Ein starker Wind fegte über die Köpfe der schreienden Bewohner. Die Wellen bäumten sich auf und zerschellten gegen die Brandung. "NUN HÄNGE!!", durchfuhr Barabas's Stimme das plötzlich aufgezogene Unwetter. Mit einem kräftigen Ruck, zog er am Hebel und der Boden unter Charons Füßen ließ nach.

"Krach!", der Galgen riss unter Charons Gewicht ab und landete mit dem Todgeweihten unter dem Richtgestell. Verblüfft und sprachlos sah Charon hoch als er feststellte, dass der Galgen angesägt wurde. Noch bevor die verwirrte Menge nach Charon sehen konnte, zog ein dichter Nebel auf. Charon wusste was passiert. Er sah durch den Spalt zwischen den Brettern, unter dem Galgen, hinaus auf das wild wütende Wasser. Untote, knochige und von schlamm bedeckte Kreaturen erhoben sich aus der See. Charon blickte durch das Loch, durch das er gefallen war und sah seinen Bruder. Durch die einzelnen Schreie hindurch brüllte er hoch: "SIE SIND HIER!"

"War over Blood" A story forged with powerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt