Kapitel 20 : "Vertrieben"

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Noch bevor jemand realisierte was passiert ist, stürmten die knochigen Gestalten den Strand. Nass und voller Algen und Meerespflanzen kreischten sie und rannten unaufhaltsam auf den Hügel zu, der sie noch von der versammelten Menschenmenge trennte. "REEENNT!", schrie Charon der das grausige Schauspiel beobachtete, doch der Sturm dämpfte seine Stimme so sehr, dass nur die Ersten es hören konnten. "Rüber zu den Schiffen!", brüllte der Piratenfürst und wies der verwirrten Menge an, in die entgegengesetzte Richtung zu rennen. Entsetzt sahen die Menschen hinter den Galgen und blickten auf eine kreischende Gestalt, die über den Hügel, der herunter zum Strand führt, auf sie zurannte. Die dunklen Augen waren komplett ausdrucklos, während der Mund des skellettartigen Wesens, wild auf und zu und schnappte. "Platz da!", fauchte Barabas und drängelte sich durch die erstarrte Menge hindurch, nachdem er realisierte, was dort auf sie zugerannt kam.

"Charon gib mir deine Hand!", brüllte Clea durch den Sturm hindurch und bückte sich hinunter um ihrem alten Vater hochzuhelfen. Er reichte ihr seine Hand und zog sich an ihr hoch, während sie ihn hoffnungsvoll ansah. "Percy komm mit!", schrie Clea ihn besorgt an und schnappte sich ihren Sohn, der fassungslos auf den bereits überfüllten Strand starrte. Die Menschen fingen an zu schreien als die ersten Biester in die Menge stürmten und ihre Zähne im Fleisch der Stadtbewohner versenkten.

Einzelne Schreie drangen aus der lauten Menge: "Zu den Schiffen!" Barabas war bereits an der Spitze der Meute angekommen und wischte sich mit der Hand über sein verschwitztes Gesicht. Fettleibig wie er war, konnte er kaum mit der rennenden Menge mithalten. Kinderschreie hallten in der Stadt und die Stimmen der kreischenden Frauen, die versuchten ihre weinenden Kinder davonzutragen, erfüllten die Ohren der verstreuten Stadtbewohner.

Charon, der mit dem Rest seiner Familie bereits die Meute erreicht hatte, und durch das Zentrum, der sonst leblosen Stadt rannte, blickte nach hinten um zu sehen, wie weit die Kreaturen ihnen auf den Fersen waren. Zwischen den Köpfen der aufgeschreckten Menschen sah er für einige Sekunden hindurch. Es war ein Blutbad. Die Menschen, die zu langsam liefen, wurden zu Boden geworfen und unter den Skelletkörpern vollständig begraben, während weitere über diese Horden rüberkletterten und auf die nächsten zurannten. "Schneller!", brüllte er in die Menge, die geradewegs auf die Schiffe zurannte. Männer, Frauen, Kinder und auch abtrünnige aller verschiedenen Völker steuerten keuchend und schreiend das Ufer vor ihnen an. Regen prasselte gegen die Erde und das Wasser. Der Boden wurde nass und die Menschen rutschten auf dem nassen Untergrund. Hand in Hand lief Charons Familie durch die Menge und sah bereits, wie die Leute sich alle auf dem langen Steg tummelten und aneinandervorbei rannten. "Im Wasser kriegen sie uns!", keuchte Charons Bruder zu den anderen und schnappte erschöpft nach Luft. Charon hatte ihn verstanden und steuerte direkt auf den Steg zu, während er versuchte Clea und Percy durch die Masse zu führen. Kurz bevor sie den Steg erreichten, rutschte der Piratenfürst aus. Mit einem Ruck, riss er Percy beinahe mit sich und schlug auf dem Boden auf. "Nein!", verzweifelt drehte Charon sich um, doch es war zu spät. Die letzten Stadtbewohner rannten an dem am Boden liegendem Piratenfürst vorbei und die ersten knochigen Gestalten warfen sich auf ihn rauf. "Aaaah, Bruder Lauf!", schrie er noch bevor er komplett und den Kraturen begraben war.

"Wir müssen los!", schrie Clea ihren Vater an und zog mit aller Kraft an seinem Arm. Percy sprang wild hin und her und schrie vor lauter Angst, als er sah, dass die Bestien nur noch wenige Schritte entfernt waren. Das Geschehen floss an Charon vorbei. Er sah, wie sein Bruder langsam und schreiend in die Menge der Kreaturen gezogen wurde. Vergeblich versuchte er sich schreiend im Schlamm festzuhalten. Seine Hände rutschten bei jedem kleinen Stein ab und die Skellete rissen ihn an seinen Kleidern, in die Masse. Cleas Schreie weckten ihn aus seinem Schock und er drehte sich augenblicklich wieder um. Ohne ein Wort zu sagen, rannte er wieder mit den beiden los, kurz bevor das erste bestialische Geschöpf nach einem von ihnen Greifen konnte. "Auf mein Schiff!", keuchte er und ließ Clea mit ihrem Sohn vorlaufen. Ihre Schritte hämmerten auf dem hölzernen Steg und der Regen machte sie Träge. Die meisten Schiffe waren bereits voll mit Menschen und legten  ab. Clea wischte sich ihre nassen Haare aus dem Gesicht und zog kräftig an Percys Arm. "Geh und versteck dich auf dem Schiff!", fuhr sie ihn an und drehte sich um. "Bitte komm wieder", flüsterte er sich selber zu und wischte sich die Regentropfen aus seinem verängstigten Gesicht, bevor er zu Kaan rannte, der bereits an Deck auf ihn wartete.

"Helft mir!", brüllte Charon zu den Männern und Frauen, die sich an ihm vorbeizwangen um sich in Sicherheit auf eines der Schiffe zu bringen. "Ihr reudigen Hunde beschützt eure Familien!", schrie Charon erneut und zog sein Schwert. Der Steg war schmal, sodass nur zwei bis drei Menschen oder Bestien in einer Reihe stehen konnten. Kreischend rannte die erste Kreatur auf Charon zu und er holte aus. Die Knochen des Skelletts brachen auseinander, als das Schwert seitlich durch dessen Oberkörper fuhr. Der Körper hing am Schwert und zappelte wild herum, bis Charon ihn mit einem tritt zerteilte und ins Wasser beförderte. Noch immer kreischend und tobend, stürzte der zerteilte Körper der Bestie in die Fluten. "Sammelt euch hier!", stimmte eine Stimme von hinten mit ein. Es war Clea, die durch die Menschen hindurch lief und auf Charon zusteuerte, der sich wild um die nächste Bestie kümmerte. Der Regen prasselte auf ihr Haupt als sie mutig den Steg zurücklief. Sie schnappte sich einen langen Stab und stellte sich neben Charon, der verzweifelt versuchte, die Menge an Bestien in schach zu halten. Die letzten Menschen drehten sich um und sahen, wie die beiden mühevoll versuchten den Ansturm der tödlichen Biester zurückzudrängen. "Helft euren Familien!", hörte Charon einige Stimmen von hinten und seine Hoffnung steig, als er bemerkte, dass weitere Personen sich neben und hinter ihn stellten. Bewaffnet mit allem, was ihnen gerade zur Verfügung stand, leistete die kleine Gruppe widerstand gegen die knochigen Gestalten, die kreischend versuchten den Steg zu stürmen. "Klatsch!", weitere Bestien landeten mehr oder weniger unversehrt im Wasser. Mit kräftigen Schlägen, beförderten die lebenden Widerstandskämpfer die Untoten in die Fluten oder brachen ihnen jegliche Knochen. "Der Engpass ist unser Vorteil!", brüllte Charon im Moment als er erneut sein Schwert auf den Hals einer Kreatur herunterschnellen ließ.

"Bleibt in einer Reihe!", fuhr Clea die freiwilligen Kämpfer an, doch es war zwecklos. Immer mehr Skelette tummelten sich vor ihnen und drängten sie, trotz des Widerstands den sie leisteten, zurück. Als der erste Mann einen Fehler machte, fielen die Bestien in die Gruppe ein. "Zurück zu meinem Schiff!", brüllte Charon, als er sich umdrehte und Clea ihren Stab abnahm. Mit einem Ruck stoß er ihn durch die Knochen der ersten Bestie, wodurch diese nicht von der Stelle kam und somit den Lebenden einen kurzen Augenblick Zeit verschaffte. Auf einem Absatz drehte Charon sich um und rannte zusammen mit Clea, den Anderen hinterher. Charons Schiff schaukelte im Sturm und der Regen prasselte gegen die bereits aufgebäumten Segel, der einsamen Witwe. Am Ende des Steges angekommen, sah Charon in das verdreckte und nasse Gesicht seiner Tochter. "Nun schwimmen wir zum Schiff!", schrie er sie an und packte ihre Hand. Sie nickte und ließ sich von Charon mit einem Ruck ins Wasser stoßen. Aufgeregt tauchte sie auf und sah sich suchend um. Nach einem kurzen Moment tauchte auch Charon keuchend auf und beide schwammen so schnell wie möglich in Richtung seines Schiffes.

"Zieht euch an den Seilen hoch!", schrie Kaan von oben runter und beobachtete gespannt den überfüllten Steg. Keine Kreatur machte den Anschein ihnen ins Wasser zu folgen.
"Gib mir deine Hand!", sagte er zu Clea, die sich dankbar auf die hölzernen Planken fallen ließ. Einen kurzen Moment sah er in Charons Gesicht und rührte sich nicht. Hoffnungsvoll blickte dieser ihn an und streckte seine Hand hoch. Tränen flossen in Charons Augen, doch der Regen spülte sie aus seinem Gesicht. Endlich spürte er die kräftige Hand, seines ehemaligen ersten Offiziers und kletterte an Bord. Schluchzend haute er seine Faust gegen die nassen Bretter und blickte zum Himmel. Der Regen knallte in sein altes Gesicht. "War er etwa der Preis für sie alle?", fragte er leise und ließ sich wieder fallen.

"Sie folgen uns nicht", stellte Kaan glücklich fest und beobachtete den Strand. Durch die Menge der Skelette, die in der Ferne immer kleiner wurden, trat eine Person hervor. Fassungslos kniff Kaan die Augen zusammen und sah weiterhin auf den überfüllten Strand. Weitere Personen, die er eben in den Tod gehen sah, erhoben sich. Ohne es noch richtig erkennen zu können, weil der Strand in der Ferne verschwand, starrte Clea mit heruntergeklappter Kinnlade zurück. In ihren Armen hielt sie ihren Jungen, der die anderen dutzend Schiffe vor ihnen beobachtete. Der Wind blies übers Deck und Clea beugte sich herunter zu Charons Ohr. Noch fassungslos von dem was sie sah, flüsterte sie ihm zitternd zu: "Sie kommen wieder"

"Ich weiß..."

"War over Blood" A story forged with powerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt