Kapitel 5 - Ich bin die Königin

575 17 4
                                    

Schweigend saß Helena am Kopf des Tisches. Sie hatte den Arm auf der Lehne aufgestellt und den Kopf mit der geschlossenen Faust abgestützt. Sie überlegte.
"Was ist mit ihr?", hörte sie Lorion jemanden fragen.
"Sie denkt nach", erklärte Eustachius.
"Wie lange denn?"
"Psst!"
Weitere Minuten der Stille folgten und irgendwann setzte sich die Königin wieder aufrecht in den Stuhl und sah die Anwesenden an. Die Runde bestand lediglich aus Kaspian, Susan, ihrem Cousin und Lorion, die gespannt auf der anderen Seite des Tisches saßen.
"Wie viele Streitkräfte haben wir?", verlangte sie zu wissen.
"Wenn wir mit einer Armee nach Kalormen marschieren, wird er die Königin und die Prinzessin töten", erwiderte Kaspian.
"Wie viele?"
Kaspian seufzte. "Mehr als genug. Narnia steht auf unserer Seite, Telmars Truppen ebenfalls. Wenn wir die Archenländer bitten -"
"Nein." Bestimmt hob Helena die Hand, so dass Kaspian augenblicklich schwieg. "Wir werden so wenige wie möglich involvieren."
"Helena", sagte Susan ruhig. "Archenland ist ein treuer Verbündeter der Krone."
"Archenland liegt direkt an der Grenze zu Kalormen. Das Königshaus hat nicht viele Truppen unter seiner Gewalt. Wenn wir versagen, ist Archenland dem Untergang geweiht."
"Wir sprechen hier von einem Krieg, obwohl die Kalormenen noch nicht einmal vor unserer Tür stehen", meinte Eustachius. "Warum sprichst du nicht mit König Titanos?"
"Mit ihm sprechen?" Verständnislos sah Helena ihren Großcousin an. "Er wollte mich umbringen!"
"Du kannst dir keinen Krieg erlauben!", entgegnete nun auch Susan.
"Ich bin die Königin."
"Dennoch heißt das nicht, dass du einfach gegen deine Untertanen ziehen kannst."
"Meine Untertanen -", begann Helena, "- sollten nicht gegen mich ziehen. Sie sollten mir zu Füßen liegen."
Susan erhob sich abrupt und blickte ihre Nichte finster an. "Du benimmst dich wie ein Kind!"
Auch Helena sprang auf, so dass ihr Stuhl mit einem Scheppern auf den Mamorboden fiel. "Und du benimmst dich wie ein naives und einfälltiges junges Mädchen!"
"Einfälltig ...", murmelte Susan sauer. "Naiv ... Das muss ich mir nicht länger anhören. Helena, du gehst sofort auf dein Zimmer." Mit dem Finger deutete die Frau auf die Tür.
"Wenn hier jemand geht, dann Ihr, Königin Susan", erwiderte Helena ernst.
"Liebend gern." Susan wandte sich um und stolzierte mit erhobenem Haupt aus dem Raum.
Ihr Mann sah ihr hinterher, bis sich die Türen geschlossen hatten, und blickte schließlich wieder zu dem jungen Mädchen.
"Hat noch irgendjemand Einwände?" Prüfend blickte Helena durch die Gesichter und wartete auf eine Regung.
"Majestät ..." Lorion senkte erfürchtig den Kopf. "Es ist meine Familie und ich kann nicht zulassen, dass Ihr für mich und für sie in den Krieg zieht. Ihr solltet mich gehen lassen, damit ich mit meinen Vater sprechen kann."
Bevor Helena etwas erwidern konnte, ging Kasian dazwischen. "Damals, als mein Onkel mir den Thron geraubt hatte, sind wir in mein von ihm besetzten Schloss eingedrungen und wollten ihn töten."
"Was ihr, meines Wissens nach, nicht geschafft habt", meinte Helena kühl, hob ihren Stuhl auf und setzte sich wieder auf diesen.
"Was, wenn wir ein Gespräch mit dem König Kalormens vortäuschen, aber Soldaten in sein Schloss schicken, damit sie die Königin und die Prinzessin befreien können?", sprach Kaspian unverfroren weiter.
Helena schwieg und überlegte. Abwartend sahen die drei Männer sie an und nach einer Weile nickte die Königin. "So soll es sein. Kaspian, schick König Titanos einen Brief und kündige unseren Besuch an."
"Und zu welchem Anlass?"
Helena stockte.
"Was, wenn wir ihm ein Heiratsangebot vorschlagen?", fragte Eustachius.
"Zwischen wem? Dir und Prinzessin Lilja?", gab Helena zurück. Die drei Männer wechselten knappe Blicke und da verstand das Mädchen. "Ich? Ich soll jemanden heiraten?"
"Nicht wirklich. Es soll nur glaubwürdig klingen", meinte Kaspian.
"Und wen?"
"Prinz Lorion von Kalormen", erklärten ihr Onkel und Großcousin.
Helenas Blick wechselte zum Prinzen. Peinlich berührt starrte er auf die Tischplatte und der Königin stand der Mund offen; sie rang nach Worten, doch wusste sie keine rechten.
"Wenn du die Königin Kalormens und die Prinzessin retten willst, dann musst du auch etwas riskieren. Oder denkst du anders?"
"Nein", antwortete Helena leise ihrem Onkel. "Schreib König Titanos. Sende ihm meine hochachtungsvollsten Grüße und das ganze Drumherum. Eustachius, kümmer du dich um die Reise. Wenn ihr beide damit fertig seid, plant die Rettung der Königin und Prinzessin."
Kaspian und Eustachius nickten und verließen zusammen den Raum.
"Verzeiht, wenn ich Euch Umstände ..."
Helena hob abrupt die Hand und Lorion schwieg augenblicklich. "Es ist in Ordnung. Ich kann Euch verstehen - Ihr versucht alles, um Eure Familie zu retten."
"Ich bedaure den Tod Eurer Mutter. Ich war dabei gewesen, als Königin Saphira ..."
"Eure Höflichkeit ist bemerkenswert, Prinz Lorion, doch ist sie unnötig in diesem Moment", erwiderte Helena zerknirscht.
"Ich ..."
"Ich empfehle mich." Helena erhob sich. "Einen angenehmen Tag Euch."
Zügig verließ das Mädchen den Raum. Vor der geschlossenen Tür verharrte sie und atmete tief aus. Die ganze Sache wuchs ihr über den Kopf. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Regentschaft so anstrengend werden konnte. Erst jetzt verstand sie, wieso ihre Mutter des Öfteren so kühl und emotionslos geklungen hatte.
"Eure Majestät!", rief plötzlich ein Diener, der ihr aufgeregt entgegen lief. In der rechten Hand hielt er eine Nachricht, die er aufgeregt hin und her wedelte. Außer Atem blieb er vor der Königin stehen und reichte ihr das zusammengerollte Pergament. "Euer Vater hat Euch geschrieben."
"Ich danke dir."
Nach einer knappen Verbeugung verschwand der Diener wieder. Helena begab sich auf ihr Zimmer und erst als sie die Tür geschlossen hatte, begutachtete sie die Rolle. Das Siegel war jenes ihres Vaters - ungebrochen. Helena öffnete die Nachricht und las sie sich durch:

Meine liebste Tochter,
Kaspian hat mir geschrieben und bereits alles erklärt. Ich kann Cair Paravel nicht verlassen, da es ohne mich wieder ein leichtes Ziel wäre, falls Titanos wirklich dahinterstecken würde. Aus diesem Grund schicke ich Lucy, die dich bei vielen Aufgaben unterstützen wird.
Grüße die anderen von mir.
Pass auf dich auf.

Dein Vater

Helena atmete tief durch und legte das Pergament auf ihren Schreibtisch. Lucy würde kommen, da ihr Vater Cair Paravel nicht verlassen konnte. Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, aber auf jeden Fall wusste sie eines - egal, was passieren wird, das ganze Land Narnia wird daran beteiligt sein.

1016 Wörter

Ich bezweifle, dass am Montag ein neues Kapi kommen wird, da ich da meine mündliche Englischprüfung habe und am Wochenende noch ein bisschen was zu tun habe.

Bis zum nächsten Update wünsche ich eine tolle Zeit :*

Die Chroniken von Narnia - The Enemy of my Enemy || Band 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt