Das Klappern des Geschirrs und das Knirschen des Brotes drang an ihr Ohr. Helena trank einen Schluck von ihrem Kelch und warf einen Blick auf Titanos, der schweigend sein Essen aß.
"Der Wein ist wirklich überaus köstlich", ergriff Lucy das Wort und blickte erst zu ihrer Nichte, dann zum König Kalormens.
"Wenn Ihr wollt, sende ich Euch ein Fass", sagte Titanos kauend. Er hob den Kopf, lächelte der Hochkönigin zu und wandte sich schließlich an Helena und Lorion, die links von ihm saßen. Der König hatte am Kopfende platz genommen, wenige Stühle trennten sich von ihm und seinem Sohn. Genau gegenüber von dem Prinzen saßen Lucy und Kaspian, die ebenso schweigend aßen wie die anderen zuvor.
"Ich kann der Hochzeit natürlich nur zustimmen", meinte Titanos nickend. "Mein Sohn wird sich sicher als würdiger Ehemann erweisen, Euer Gnaden."
Helena lächelte dem König freundlich zu, doch als dieser sich wieder seinem Essen zugewandt hatte, erstarb ihr Lächeln und unsicher blickte sie zu dem Mann zu ihrer Rechten.
"Verzeiht die Abwesenheit meiner Hohen Gattin und süßen Tochter. Sie sind leider nicht in der Lage uns beizuwohnen."
"Sind sie krank?", erkundigte Lucy sich mit einem besorgten Ton.
"Ja, so in etwa. Frauensache." Titanos lachte laut und schlug mit der Hand auf den Tisch, so dass Helena vor Schreck zusammenzuckte. "Das kennt Ihr sicherlich von Euer Frau, nicht?" Der König deutete grinsend mit der Gabel auf Kaspian und dieser nickte.
"Ja, Frauensachen." Auch Kaspian lachte und blickte verunsichert zu Lorion, als sein Vater sich wieder über sein Essen gebäugt hatte.
"Der Anschlag tut mir außerordentlich leid, Euer Gnaden. Ich habe gehört, der Berater meines Sohnes hat eine angemessene Strafe erhalten."
"Ja, in der Tat", sagte Helena mit einem aufgesetzten Lächeln. "Ihr müsst Euch nicht entschuldigen, werter Titanos. Es war nicht Eure Schuld."
"Nein, natürlich nicht, aber er war ein Mann meines Reiches." Der kalormenische König aß weiter sein Fleisch. Einzelne Essensstücke verhingen sich in seinem Bart und mit einem Tuch wischte er sie beiseite. "Bei uns werden Verbrechen bestraft, meist sogar mit dem Tode. Verrat ist natürlich die Höchststrafe. Wie viele, denkt Ihr, musste ich bereits deswegen töten?" Titanos beendete sein Essen. Er säuberte seinen Mund mit dem Tuch, faltete die Hände ineinander, als eine Dienerin den Teller abgeräumt hatte, und sah die junge Königin eindringlich an.
"Ich weiß es nicht", antwortete diese.
"Hunderte", meinte der kalormenische Herrscher. "Bauern, Handwerker, Schreiber, Geistliche, Adlige - alle erfuhren den Tod."
Helena vernahm das Rascheln von Rüstungen und knapp sah sie sich um. Einige Wachen hatten den Speisesaal betreten und sich an den zwei Türen postiert.
"Ich denke, es ist Zeit, zu gehen", sagte Helena und erhob sich. "Ich bedanke mich für Eure Gastfreundschaft, König Titanos. Leider habe ich noch viel zu tun. Geschäfte, Baupläne ..." Helena lachte. "Ihr kennt dies sicher." Auch Lucy und Kaspian erhoben sich.
"Gehen?", wiederholte Titanos. "Ihr könnt nicht gehen." Der Mann erhob sich ebenfalls und trat einige Schritt auf die Königin zu. "Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr mich täuschen könnt?"
"Ich weiß nicht, wovon -"
"Dies ist mein Schloss, meine Stadt. Niemand verlässt oder betritt diese ohne mein Wissen!"
"Vater ..." Mit beschwichtigender Haltung stellte Lorion sich zwischen Helena und dem Mann.
"Schweig!", herrschte dieser ihn an. Titanos schlug ihm ins Gesicht, so dass sein Sohn das Gleichgewicht verlor und auf den Tisch fiel. "Hattet Ihr wirklich geglaubt, ich wüsste nicht, dass mein Sohn weiche Knie bekommt? Er ist mehr ein Weib als ein Mann!"
"König Titanos, lasst uns doch darüber reden ...", versuchte Lucy den kalormenischen Herrscher zu beruhigen.
"Reden? Reden?", schrie der Mann. Er lachte und wich einige Schritte zurück. "Sieht das hier -", er sah sich mit ausgebreiteten Armen um, "- nach reden aus? Verzeiht, Hochkönigin Lucy, falls Ihr dies nicht bemerkt haben solltet, aber ich tue all dies nicht, um dann zu reden! Mein Berater hat versagt, mein Sohn, nun nehm ich es selbst in die Hand."
"Was wollt ihr?", verlangte Kaspian zu wissen.
"Was ich will?", wiederholte Titanos. "Ich will ihren Tod." Er deutete auf Helena. "Ihre Krone, ihre Macht und meine Rache! Dafür, dass ihre Familie Schande über die meine gebracht hatte."
"Dann nehmt mein Leben, aber lasst meine Freunde und Familie gehen", erwiderte das Mädchen.
"Majestät ...", sagte Lorion vorsichtig, der sich mittlerweile wieder aufgerappelt hatte, doch niemand schenkte ihm Beachtung.
"So wäre es am besten. Euch töten und die anderen gehen lassen", meinte Titanos. "Nein, das wäre zu einfach. Ich will Eure ganze Familie tot sehen. Und deswegen muss ich Euch etwas zeigen." Der König klatschte in die Hände und eine Tür öffnete sich.
Lucy schlug sich die Hand vor den Mund und Helena und Kaspian rissen entgeistert die Augen auf.
"Ich habe das Gesicht unangetastet gelassen, damit Ihr sie noch erkennen könnt", sagte Titanos mit einem süffisanten Lächeln.
Lucy stiegen die Tränen in die Augen, als sie ihren Bruder röchelnd in den Armen einer Wache sah. Grob schmiss diese ihn zu Boden, so dass der Mann schwach auf dem kalten Mamor kniete.
"Edmund!", rief Lucy und wollte zu ihrem Bruder rennen, als Kaspian sie festhielt.
"Lucy, nicht." Er zog sie dicht an sich. "Bitte, versuche dir keine Gefühle anmerken zu lassen", flüsterte er. "Das lässt dich schwach wirken."
"Ihr seid ein Monster", zischte Helena hasserfüllt.
Titanos lachte. "Dies ändert nun auch nichts. Ich bin der, der die Zügel in der Hand hält und das Pferd beugt sich meinem Willen. Ihr steht in einer Sackgasse, Königin Helena, und Ihr kommt nicht mehr heraus, denn der Weg ist versperrt. Nun seht zu, wie ich Eure Familie töte. Mein Schwert!" Der Mann streckte seine Hand aus und sogleich brachte man ihm seine Waffe.
"Helena ...", flüsterte Lucy unter Tränen ihrer Nichte zu, als Titanos auf Sally, der Freundin Edmunds, zulief.
"Ich werde als Erstes die Frau töten, damit ich sehen kann, wie der sonst so starke Hochkönig Edmund daran zerbricht. Noch mehr als zuvor, natürlich."
Verzweifelt sah Helena sich um. Sie befand sich tatsächlich in einer Sackgasse - und es gab keinen Weg heraus. Mutter, wenn dein Geist noch unter uns weilt, dann bitte ich dich inständig, hilf uns!, betete Helena innerlich aus der Verzweiflung heraus.
"Welches Körperteil entferne ich zuerst?", fragte der kalormenische Herrscher, eher an sich als an die Anwesenden gewandt. "Sie gleich zu töten, wäre zu einfach. Was denkt Ihr, meine Königin?"
Helena schwieg, funkelte ihn nur wütend an.
"Nichts. Gut, dann zuerst die Hand." Titanos stach mit der Schwertspitze in die Handfläche und Sally schrie grellend auf. Tränen liefen ihre bleichen Wangen hinunter und Edmund, der neben ihr auf dem Boden kniete, werrte sich heftig aus dem Griff seiner Wache.
"Aufhören!", schrie Helena. "Bitte, hört auf!"
Der Mann wandte sich von Sally ab und sah Helena durchdringend an.
"Bitte, hört auf. Ich tue alles, was Ihr wollt, aber, bitte, lasst Sie gehen!" Die Augen des Mädchens waren ebenso feucht geworden und verzweifelt blickte es zu ihrem Onkel und ihrer Tante.
"Warum sollte ich dies tun?"
"Weil ich ... große Macht in mir trage ..."
Titanos winkte ab. "Dies interessiert mich nicht. Ich will Euren Tod, Macht erlange ich dadurch ebenso."
"Doch ich kann zaubern. Ich spreche von Zauberkraft, Magie!"
"Ich habe davon gehört ...", murmelte Titanos. "Beweist es!"
Helena blickte kurz zu Kaspian, Lucy und Lorion, dann nickte sie. Sie breitete ihre Arme aus und konzentrierte sich auf ihre Handflächen, die offen nach oben zeigte. Ein leichtes Kribbeln, welches sich zunehmend verstärkte, machte sich in ihren Fingerspitzen bemerkbar. Ein Nebel kam auf, immer dichter und geheimnisvoller wurde er. Er erfüllten den Raum, versteckte diejenigen, die er helfen sollten. Leise und idyllisch schien es, wenn nicht das Brüllen des kalormenischen Königs gewesen wäre, der jene Ruhe zerstörte.1262 Wörter
Was sagt ihr zu dem Kapitel?
Ich hatte erst überlegt, ob jemand sterben soll, aber meine Schwester meinte, ich solle es lassen xD
Nun denn. Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Story in diese Richtung entwickelt. Dass Edmund und Sally dort sind, war eher ein zufälliger Gedanke, weil ich überlegt hatte, wann ich sie einbauen sollte - und hier sind sie ^^
Lasst eure Meinung da :*
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Die Chroniken von Narnia - The Enemy of my Enemy || Band 6
Fiksi PenggemarBuch 6 Wie weit würdest du gehen, um dein Königreich zu schützen? Würdest du dich mit deinem ärgsten Feind zusammenschließen? Ein Sturm zieht auf - einige Länder stimmen nicht mit der Politik der neuen Herrscherin überein, sie zweifeln. Die Königsh...