Kapitel 19 - Der Gefangene

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Es knallte laut. Die Puppen loderten in Feuer auf und das Stroh zischte, als es von den Flammen gefressen wurde. Helena versuchte das Wasser unter Kontrolle zu bringen, doch türmte es sich nur auf und zerfiel binnen weniger Lidschläge in sich zusammen.
Die Königin seufzte und ließ die Hände sinken, während einige Diener das Feuer löschten. Lorion sah sie mit einem mitleidigen Lächeln an, und das Mädchen raffte nur den Rock und machte auf dem Absatz kehrt.
"Ich werd' es nie schaffen!", rief sie und lief auf das Schloss zu.
"Helena!" Lorion folgte ihr. "Wir müssen es noch mal versuchen!"
Helena blieb stehen und wandte sich ihm wütend zu. "Versuchen? Wie oft soll ich es noch versuchen?", entgegnete sie aufgebracht. "Das Einzige, was ich bisher kann, ist Dingen zum Brennen und Explodieren bringen. Seit Wochen hat sich nichts geändert. Ich habe es versucht, aber es funktioniert nicht."
"Es ist die einzige Möglichkeit, den Krieg zu verhindern", erwiderte der Prinz.
"Nein. Nein, ist es nicht. Die Möglichkeit ist bereits vor Tagen im Erdboden versunken. Es gibt keinen Weg, meine Magie unter Kontrolle zu bringen."
"Doch, den gibt es."
Verwundert sah Helena den jungen Mann an, und dieser legte den Kopf schief und blickte auffordernd zurück. Erst jetzt schien das Mädchen zu realisieren.
"Nein", brachte es sofort hervor. "Nein, auf keinen Fall."
"Es ist die einzige Möglichkeit, die wir noch haben. Er ist der Einzige -"
"Nein!", unterbrach die Königin. "Niemals."
"Vertraust du mir?", fragte Lorion nur und lange sah Helena ihn an.

Die Kellergewölbe waren feucht und kalt. Das Hallen der Schritte, welches von den steinigen Wände abprallte, klang wie eine bedrohliche Melodie. Kehrt um, schien sie sagen zu wollen; und auch wenn alles an Helena zog und zerrte, umzudrehen und davonzueilen, konnte sie nicht. Lorion hatte recht - er war der einzige Ausweg.
Der karlomenische Prinz und sie wurden von zwei Wachen begleitet. Am Anfang des Ganges ließen sie sie jedoch zurück, und die beiden suchten allein die Zelle auf. Helena wusste genau, welches es war. Vor knapp sechs Monaten hatte sie dabei zugesehen, wie sie verschlossen wurde, und sie hatte das süffisante Grinsen des Gefangenen nie vergessen.
Sie erreichten die Zelle und als Helena ihren Blick durch die Gitterstäbe hineinwarf, musste sie noch einmal genauer hinsehen, bevor sie die ärmliche Gestalt, die in der Ecke im Dunkeln saß, erkannte. Sie hatte ihre Knie an den Körper gezogen und die Arme darum geschlungen. Als sie die Besucher bemerkte, blickte sie auf, und ein Lächeln bildete sich auf den blassen Lippen.
"Eurer Gnaden, wie schön, Euch wiederzusehen", sagte der junge Mann mit rauer Stimme. "Ich würd' Euch gern einen Kuss geben und meine Unterwürfigkeit zeigen, aber die hier -", er hob die Hände, so dass die Ketten rasselten, "- verhindern dies bedauerlicherweise."
Helena antwortete nicht, sondern starrte den einstigen Prinzen von Charn hasserfüllt an. Lorion musterte sie von der Seite, sagte aber nichts.
"An dein Gesicht kann ich mich nicht erinnern", sprach Chiron Lorion an. "Du bist ...?"
"Der Prinz von Kalormen", meinte Lorion trocken.
"Ah, der Prinz. Was tust du hier? War Kalormen nicht immer ein wenig feindselig mit den anderen Königshäusern gestimmt?"
"Der Einzige, der mit den Königshäusern feindselig gestimmt ist, seid Ihr", spie Helena aus.
Chiron erhob sich mit einem Grinsen und schlürfte auf wackligen Beinen zu ihr herüber. Bei jedem Schritt rasselten die Ketten, und wieder dachte Helena, sie würde den Warnruf hören.
Der Prinz hatte längere Haare als zuvor. Sie waren fettig und das Blond war nur noch zu erdenken. Die einst so blauen Augen wirkten träge. Das Blau schien vergangen. Die Wangen waren eingefallen, die Haut schmutzig. Der Mann fiel beinahe gegen die Zellentür. Seine Finger umklammerten den kalten Stahl und grinsend beugte sich Chiron nach vorne, so dass seine Stirn die Gitterstäbe berührten.
"Ihr seid wirklich wunderschön, Euer Gnaden", meinte er.
Sogleich schoss Helena der Mundgeruch entgegen und angewidert verzog sie das Gesicht. Der Prinz steckte die dürren Finger durch die Stäbe und wollte nach einer Haarsträhne des Mädchens greifen, doch Lorion reagierte schnell und zog Helena hastig zurück.
"Fasst sie nicht an!", knurrte er, während er weiterhin die Königin hielt.
Chiron lachte kurz auf. "Da habt Ihr Euch aber einen Beschützer zugelegt", sagte er belustigt. Seine Miene wurde ernst. "Nun. Warum seid ihr beide hier? Ich bezweifle, dass ihr mir beim Sterben zusehen wollt."
"Oh, liebend gern", meinte Helena mit zusammengebissenen Zähnen. "Aber leider brauchen wir dich noch."
Verwundert zog der Prinz Charns die Stirn in Falten. "Jetzt macht Ihr mich neugierig."
"In Narnia droht ein Krieg aufzukommen, und wenn dies geschieht, sind wir eindeutig in der Unterzahl - wir würden vernichtet werden", erklärte Lorion.
Chiron zuckte die Achseln. "Was geht mich das an? Vielleicht ist das mein Laufpass, wenn ihr endlich tot seid."
"Ich bezweifle, dass König Titanos von Kalormen Euch freilassen würde", meinte Lorion.
"Warte. Wir sprechen hier von deinem Vater?"
"Und von dem König von Archenland, von Riesen und anderen Wesen, die sich dem Herrscher Kalormens angeschlossen haben."
"Wir brauchen Eure Hilfe", sagte Helena. "Ihr seid der Einzige, der den Krieg verhindern kann."
"Und wie soll das geschehen?", gab der Prinz Charns zurück.
"Ihr müsst mich in der Magiekunst lehren."
Chiron starrte die Königin an, dann brach er in schallendem Gelächter aus. Helena und Lorion tauschten kurze verwunderte Blicke, und als Chiron nicht aufhören wollte, trat der Prinz Kalormens vor ihn und umklammerte blitzschnell durch die Gitterstäbe hindurch den Hals des Gefangene. Sofort verstummte er und starrte ihn mit vor Angst geweiteten Augen.
"Ich weiß nicht, ob Ihr es nicht verstanden habt, aber das war keine Bitte. Ihr werdet Eurer Königin helfen, oder Ihr werdet als letzter eurer Sippe untergehen", knurrte Lorion.
"Was heißt hier letzter?", gab Chiron keuchend zurück und trotz der Umstände warf er Helena ein verschwörerisches Lächeln zu.

955 Wörter

Dam dam daaaam 😂

Hättet ihr erwartet, dass er kommt? Und was, denkt ihr, meint er damit?

Schreibt es in die Kommis ;)

Die Chroniken von Narnia - The Enemy of my Enemy || Band 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt