1. Kapitel

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Felix

Mal wieder muss ich zu einem Interview. Die Jungs haben zwar kein Problem wenn ich zuhause bleibe, jedoch möchte ich Sie nicht sitzen lassen. Mir ist bewusst dass heute Fragen auftauchen werden die ich nicht hören möchte, jedoch muss ich damit klar kommen. Ich muss damit klar kommen, dass diese Fragen nun bei jedem Interview gestellt werden. Ich muss damit nun klar kommen, selbst wenn ich nicht möchte.

Nachdem wir angekommen sind, setze ich mich zwischen Jaden und Devin. Alle haben mir die Fahrt über eingetrichtert, dass ich nichts beantworten muss, was mir zu nah geht.
Wie immer stellen wir uns vor und beantworten irgendwelche Fragen.

"Wie läuft es bei euch Jungs mit den Mädels?", fragt nun der Interviewer. Sein Name? Interessiert mich nicht wirklich. Sofort schauen die Jungs zu mir, jedoch blicke ich nur desinteressiert auf den Boden. "Wir sind alle Single", sagt Devin und ich kann förmlich hören wie er nervös ist. "War Felix nicht vor kurzem noch mit einem Mädchen zusammen?", fragt der Mann. "Wie heißt sie nochmal?", fragt er. "Sie heißt Au-", ich stoppe mich selbst. "Sie hieß Autumn Miller." "Warum habt ihr Schluss gemacht? Auf Instagram postest du ja noch manchmal Bilder von euch beiden?" Ich schließe kurz meine Augen, sammele meine ganze Kraft und spreche leise ins Mikrophon. "Sie ist Tod." Der Damm ist gebrochen und sofort muss ich wieder an den ersten Tag denken. "Warum?" Kalt sehe ich den Herrn vor mir an. "Suizid. Sie hat sich umgebracht. Würden die Menschen nicht so schnell urteilen, würde sie vielleicht noch leben." Nachdem ich kühl seine Frage beantwortet habe, stehe ich auf und verlasse den Raum. Sofort denke ich an unsere erste Begegnung. Sie hatte mich nicht wahrgenommen.

"Also", sprach Emily. "Das ist die Bücherei", sagte sie und zeigte drauf. Sie lief mit uns weiter und erklärte zu fast jedem Teil der Schule was. "Das ist die Cafeteria", sagte sie und hielt uns die große Tür auf. Wir gingen mit ihr rein. Sie murmelte irgendwas unverständliches, als durch die Tür gegenüber, ein Mädchen rein kam. "Alles okay?", fragte Devin. Der Raum verstummte, als das Mädchen plötzlich auf quiekte. "Oh mein Gott, es tut mir so leid!", sprach das jüngere Mädchen ängstlich, welches vor ihr stand. "Schon okay", sagte sie angewidert und fischte sich Nudeln aus den Haaren. "Wer ist das?", fragte Jaden. "Das ist Autumn. Autumn Miller und Bad Girl der Schule. Haltet euch von ihr fern", klärte uns Emily auf. Autumn hob ihre Hand und sofort fing das Mädchen, ihr gegenüber an zu schreien. "Nein! Bitte nicht schlagen!", schrie sie. Verwirrt fischte sich Autumn eine weitere Nudeln aus den Haaren. "Ich wollte dich nicht schlagen. Echt nicht!", sagte Autumn und schaute verletzt und wütend zu gleich. Es war klar, dass sie sich nur die Spagetti aus den Haaren ziehen wollte. Das Mädchen schaute ängstlich und rannte wenige Sekunden später hastig weg. Autumn ging zu Boden und kramte die Sachen erneut in ihre Tasche, welche beim Aufprall raus geflogen sind. "Na? Will das Bad Girl schon wieder zuschlagen?", sagte ein Typ und stellte sich vor sie. Die Art wie sie zu ihm hoch sah, machte deutlich dass sie ihn verabscheute. Dieser eine Blick sagte so viel. Sie packte alles in ihre Tasche und rappelte sich auf. "Was möchtest du, Ryder?", fragte sie genervt. "Du solltest aufhören Leuten zu drohen, Babe. Das mach ich doch hier." Sie sah ihn kalt an. "Ich wollte sie nicht schlagen, ich schwöre es." "Doch!" schrie ein jüngeres Mädchen. "Ich habe genau sehen können. wie du deine Hand ausgeholt hast!" "Habe ich was verpasst? Das hat sie doch nie gemacht?", fragte Dylan. Ich zuckte verwirrt mit den Schultern. "Babe, hör auf die Schule zu tyrannisieren, oder", er brach ab und grinste breit. "Oder was?", sprach sie genervt und rollte mit den Augen. Er beugte sich etwas zu ihr runter und flüsterte ihr was ins Ohr. Man sah wie ihre Augen sich weiteten. Er stellte sich wieder aufrecht hin und grinste. "Und? Was willst du jetzt machen?", fragte er und sein grinsen wurde immer breiter. Im Raum konnte man die Spannung förmlich fühlen, somit starrte jeder dort hin. Sie holte aus und ohrfeigte ihn, so laut, dass es mir eine Gänsehaut bereitete. Er sah sie nur grinsend an. "Autumn!", hörte man ein Mädchen rufen. Zwei Mädchen stellten sich hinter sie und eine legte ihre Hand auf ihre Schulter. Autumn selbst schaute geschockt und verzweifelt gleichzeitig. "So wie bei unserer ersten Begegnung, erinnerst du dich noch?", fragte er. Sie schloss ihre Augen und als sie sie öffnete starrte sie kurz durch den Raum. Ihr Blick? Er war verzweifelt. Sie war verzweifelt. Sie schüttelte den Kopf und rannte raus, an uns vorbei. "Ich warne euch, haltet euch von ihr fern. Sie ist nur mit zwei Mädchen befreundet und mit denen will keiner mehr was zu tun haben, nur weil Autumn sie mit ihren schlechten Ruf "angesteckt" hat", warnte uns Emily wieder.

Deprimiert laufe ich nach Hause. Mir wird mit jedem Schritt alles mehr bewusst. Mir wird immer mehr bewusst, was sie getan hat. Was ich hätte verhindern können, jedoch war ich nicht da. Ich hätte ihr helfen müssen. Gott, ich hätte es wissen müssen! Sie hat Anzeichen gemacht, welche ich ignoriert habe! Sie hat versucht nach Hilfe zu schreien, jedoch habe ich ihren Schrei nicht wahrgenommen. Es ist ein Monat her. Jedoch fühlt es sich immer noch so an, als hätte ich grade erst die Nachricht gekriegt. Die Nachricht, dass meine Freundin Tod sei. Die Nachricht, dass es Suizid war. Die Nachricht, dass es nicht ihr erster Versuch war. Ich denke seit dem über sie nach und mir wird bewusst, dass ich sie kaum kenne. Wir waren ein halbes Jahr zusammen, jedoch kenne ich sie nicht so gut, wie ich immer dachte. Wie mir das alles bewusst wird? Durch ihr Tagebuch und ihren Abschiedsbrief.
Ich weiß dass ich das nicht lesen sollte, jedoch ist es das einzige was mir noch von ihr bleibt. Sie wollte ja auch dass ich es kriege, also habe ich die Erlaubnis zum Lesen bekommen. Ich laufe den Strand runter. In der letzten Zeit mache ich das öfters. Ich denke immer über sie nach, egal wo ich bin.

Really bad? | #Wattys2016 #JustWriteItWo Geschichten leben. Entdecke jetzt