11. Kapitel

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Liebes Tagebuch,
ich weiß nicht wie lange ich allen noch was Vorspielen kann. Ich weiß nicht wie lange ich Felix noch etwas Vorspielen kann. Er schöpft bei allem Verdacht und ich habe Angst dass er es raus kriegt. Was würde er denken? Würde er Schluss machen? Ich weiß es nicht. Ich mach mir solche Sorgen und bin so verunsichert. Ich wünschte ich könnte eine Mutter fragen. Alle sagen Mütter haben den besten Rat. Am besten würde ich meine Mutter fragen, jedoch interessiert sie sich nicht wirklich für mich. Ich habe früh merken müssen dass ich meiner Mutter egal bin. Es ist traurig, jedoch ist es nun mal mein Leben. Mein Leben ist traurig. Einen Vater mit Krebs, keine Mutter, Depressionen, keine Freunde. Klar. Es gibt schlimmere. Doch erlebt jeder seinen eigenen Zusammenbruch der Welt. Nach Dads tot wird mir nur Felix bleiben, doch selbst er wird mich bestimmt verlassen. Dies wird mein Zusammenbruch sein. Was ist wenn ich ihn vorher verlasse? Wenn ich alle vorher verlasse? Wenn ich mich einfach umbringe? Wird es jemanden auffallen? Vielleicht merkt es ja niemand. Ich meine, ich bin ein Niemand. Ein Niemand wird nicht geliebt, jedoch habe ich Felix, welcher für mich da ist. Ich hasse und liebe ihn dafür, gleichzeitig. Er ist wie mein Anker. Ich habe oft in Büchern darüber gelesen und in Serien darüber gehört, jedoch hätte ich nie einen eigenen "Anker". Ich hatte noch nie jemanden, der mich aufhält. Dad war immer zu schwach und hat mich deshalb nie darauf angesprochen. Tyler und Jade hat es nie interessiert. Es hat niemanden interessiert. Doch jedesmal wenn ich die Klinge ansetzte, sehe ich Felix' Gesicht. Ich sehe seine braunen Augen, dieses schöne Lächeln und seine süße Nase. Ich lasse immer die Klinge zwischen meinen Fingern wandern, jedoch habe ich mich nicht geschnitten. Ich habe mich nicht geritzt. Seit 2 Wochen. Das ist ein Rekord für mich. Früher konnte ich nicht zwei Tage ohne das Ritzen aushalten, heute schaffe ich es zwei Wochen. Einerseits bin ich stolz andererseits will ich die Klinge unter meine Haut gehen lassen. So dass erst Blutperlen sich bilden und nach und nach meine Arme die Farbe von rot annehmen. Dass mir nach und nach schwindlig wird und ich mich kaum noch halten kann. Dass ich letztendlich am Boden liege und mein Kopf langsam ausschaltet. Dass mich mein Gefühl verlässt und alles aufhört. Dass ich meine Ruhe und Frieden finde. Dass ich von oben aus auf Felix und seine Freunde achten kann. Dass wäre mein Wunsch, jedoch ist es nicht möglich. Dad geht es schon schlecht und es würde ihn umbringen, wenn ich das mache. Felix würde es verletzen und ich weiß nicht wie er reagieren würde. Ich kann ihn nicht verletzen. Auch wenn ich ihn dafür hasse dass ich mich nicht verletzen kann. Ergibt das Sinn? Ich kann mich nicht verletzen weil ich weiß dass ich ihn nicht verletzen kann. Es würde ihn fertig machen, wenn er raus kriegt dass ich mich Ritze. Ich meine dass ich mich geritzt habe. Genau aus solch Gründen will ich eine Mutter haben. Sie hätte mir bestimmt helfen können. Sie hätte mir Ratschläge gegeben und ich müsste all das nicht allein durchstehen. Ich weiß ich bin nicht allein, jedoch fühlt es sich so an. Es fühlt sich so an, als hätte man niemanden. Ich will reden, doch gleichzeitig alles in mich rein fressen. Ich will dass man mir hilft, doch wenn man es macht, weise ich jeden zurück. Ich will dass mich jemand liebt, doch jetzt liebt mich jemand, und ich warte nur darauf dass er geht. Ich warte nur darauf dass er sagt dass er mich nicht mehr liebe und mich alleine lassen wird. Ich warte darauf dass er geht und ich in mich zusammen falle. Würde Felix mich jemals verlassen, würde es einen Teil in mir kaputt machen, von dem ich nicht wusste dass es ihn gab. Bis ich ihn traf und mich in die hm verliebte. Wen soll ich mit all diesen süßen Zeug voll labern, dass er macht? Ich habe es in die Briefe geschrieben, die an Mum gingen, jedoch weiß ich nicht ob es hilft. Ich brauche Ratschläge. Irgendwann wird sie all diese Briefe erhalten und lesen. Irgendwann werde ich sie sehen und sie wird sich entschuldigen. Entschuldigen dafür dass sie mich alleine gelassen hat. Dafür dass sie Dad verlassen hat. Dafür dass sie uns beiden das Leben erschwert hat. Gott ich hasse sie, dennoch will ich sie sehen. Ich will etwas und gleichzeitig will ich es nicht. Wie kann man nur so widersprüchlich sein?! Ich verwirre alles und jeden mit meinem Unsinn. Obwohl ich versuche nur sinnvoll zu sein. Felix sagt immer dass ich ein Paradoxon sei. Er hat völlig recht. Ich möchte etwas und gleichzeitig will ich es nicht. Das ist absurd und sonderbar. Ach Gott. Ich werde einfach die Briefe weiter an Mum schreiben. Vielleicht geht's mir dann besser.  Ich weiß nicht ob sie noch lebt oder ob sie an mich denkt. Vielleicht hat sie einen neuen Mann und eine neue Familie, dennoch ist sie immer meine Mum. Ich werde wohl auf sie warten müssen, selbst wenn sie nicht an mich denkt.

Deine Autumn

Autumn wusste es damals noch nicht, aber sie hat ihre Mutter getroffen. Sie wollte mich dabei haben und ich weiß heute noch wie ich Ihre Nervosität beseitigen konnte, indem ich sie nur küsste. Sie hatte die Möglichkeit all ihre Fragen zu stellen. Sie hatte die Möglichkeit ihr jeden einzelnen Brief vorzulesen. Sie hatte die Möglichkeit Bilder zu machen. Sie hatte die Möglichkeit mehr über sich selbst zu erfahren.  Es war ein tolles treffen. Eines Tages meinte sie dass das Treffen einen Teil in ihr gerettet hat. Es hat einen Teil in ihr gerettet, den ich hätte nie berühren können. Dennoch hat es nicht gereicht dass sie hier bleibt. Dennoch hat es einfach nicht gereicht dass sie nicht geht. Dennoch hat sie mich verlassen. Sie hat mich mit all meinen Gefühlen alleine gelassen. Sie hat mich in dieser kranken Welt alleine gelassen. Ich nehme es ihr nicht übel. Sie hatte nicht viel, das sie zurück halten könnte. Sie hatte ihre Mum. Sie hatte mich. Trotzdem wollte sie gehen.

Really bad? | #Wattys2016 #JustWriteItWo Geschichten leben. Entdecke jetzt