4. Kapitel

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Wieder einmal jogge ich die alte Strecke entlang. Kurz halte ich an und stütze mich auf meinen Knien ab. Ich blicke nach rechts und sehe den Park. Unser erstes Date fand hier statt. Sie trug ein schlichtes, weißes Kleid. Es ging ihr bis zur Mitte ihrer Oberschenkel. Dazu trug sie eine khaki Jeansjacke. Das war das erste mal dass ich sie in einer anderen Farbe als schwarz gesehen habe. Langsam gehe ich auf den kleinen Park zu und setze mich auf die Wiese. Es ist der selbe Platz wie damals.

Jedesmal wenn ich diese Strecke entlang jogge, wird mir mein Verlust klarer. Es gibt Tage an denen ich es nicht verstehen kann. An denen ich es nicht akzeptieren kann. Es gibt auch Tage an denen die Akzeptanz mit mir durch geht und mich schlecht fühlen lässt. Die Jungs haben schon alle Phasen mit mir durch. Sie verzweifeln. Sie wollen dass ich mir Hilfe nehme, jedoch habe ich mich immer geweigert. Vielleicht irgendwann einmal, jedoch kann ich es noch nicht heute machen. Ich kann mit niemanden sprechen, über das was passiert ist. Ich kann niemanden erklären wie ich mich fühle. Ich kann nicht erklären wie das alles mich mit nimmt. Ich weiß nicht wie ich mich fühle, wie soll ich das dann jemanden erklären? Viele sagen dass ich darüber hinwegkommen und jemand neues finden werde. Will ich das überhaupt? Will ich jemanden den ich liebe gehen lassen? Will ich mit dem Verlust leben? Wieder einmal schaue ich auf meine Handgelenke. Ja, ich hatte mich geritzt. Ich habe mit der Hilfe der Jungs aufhören können, jedoch bleiben die Narben. Sie zeigen dass ich stark bin und gekämpft habe, jedoch fühle ich mich nicht stark und es fühlt sich an als würde ich immer noch kämpfen. Es fühlt sich an wie ein Kampf der nie aufhören wird. Es fühlt sich an wie ein Kampf den ich verlieren werde. Es fühlt sich so schlecht an. Mir ist klar, dass ich daran noch zerbrechen werde. Mir ist klar, dass mein nächster Zusammenbruch nicht mehr viel Zeit benötigt. 

Still saßen wir im Restaurant. Ich wusste nicht was ich sagen soll. Wir hatten bis jetzt nur paar Wörter gewechselt und selbst die dienten nur zur Förmlichkeit. "Was machst du in deiner Freizeit?", fragte sie mich plötzlich. Lächelnd dachte ich kurz über meine Antwort nach. "Ich singe sehr gerne mit den Jungs. Ich spiele auch Fußball und manchmal schreibe ich eigene Songs. Was ist mit dir?" Sie überlegte ebenfalls kurz. "Ich schreibe sehr gerne"; sagte sie. "Über was?", fragte ich neugierig. "Über alles." "Auch über mich?", fragte ich sie. Grinsend nickte sie. "Jedoch steht dort bis jetzt nur wie nervig der Typ ist, der mich verfolgt." Wir beide lachten los. "Warte, bis jetzt? Heißt es du änderst noch was?", fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Ich überarbeite nie einer meiner Texte oder Gedichte. Es ist eine Art Tagebuch, indem ich alles mit Texten und Gedichten erzähle." "Darf ich mal lesen?", fragte ich fasziniert. Sie schüttelte den Kopf. "Du bist der erste der davon weiß", sagte sie. "Ich darf es wirklich nie lesen?", fragte ich und schob meine Unterlippe hervor. Sie lachte nur. "Du darfst es lesen, wenn ich mal weg bin", sagte sie und grinste breit. Den restlichen Abend verbrachten wir zusammen am Strand. Kurz vor 11 brachte ich sie nach Hause. Sie behielt meine Jacke, die ich ihr geliehen hatte, da es so kühl war. Ich behielt eines ihrer vielen Armbänder. 

Heute ist wieder einer dieser Tage. Ein Tag an dem ich glücklich bin. Ich bin glücklich und merke dass mein Herz heute nicht so eine Last wie sonst immer trägt, jedoch ist die Frage, wie lange dieses Gefühl hält. Manchmal Tage, manchmal Stunden und manchmal braucht es nur Minuten. Inerhalb Sekunden kann sich meine Laune verschlechtern. Innerhalb Sekunden legen sich alle Gefühle in mein Herz nieder und die Gedanken fangen am mich wieder zu belasten. Jedoch versuche ich mich abzulenken. Sean hat angefangen mit mir regelmäßig Gesangsübungen durchzuführen, Jaden übt mit mir das Tanzen und der Rest der Jungs lenkt mich mit Serien oder Filmen ab. Doch es klappt nicht. Sie sind gescheitert, so wie ich es bei Autumn bin. 

In letzter Zeit trafen wir uns öfters, jedoch merkte ich dass ihre Laune heute im Keller war. Es war öfters mit ihr so. Jeder Versuch sie abzulenken, war nutzlos, denn sie schweifte immer zu ihren Gedanken zurück. "Autumn? Was ist los?", fragte ich sie. Es war unser viertes Treffen und wir waren noch nicht zusammen. Sie wollte alles langsam angehen. Sie stand einfach auf und atmete tief durch. "Komm mit", sagte sie leise. Es war kaum hörbar, jedoch stand ich auf und nahm meine Sachen. Sie ergriff meine Hand und ging los. "Wohin gehen wir?", fragte ich sie. "Wart ab", sprach sie leise und ging weiter. Während wir liefen, sagte sie nichts. Verwirrt sah ich sie an. "Was machen wir hier?", fragte ich und sah zurück zum Krankenhaus. Sie sah mich an. "Vertrau mir, okay?", sagte sie und zog mich mit rein. Wir liefen rein und steuerten auf einen bestimmten Raum zu. Es wirkte so, als ob es für sie Routine wäre. Bevor sie klopfte, sah sie mich nochmal an. Ihre braunen Augen offenbarten diesesmal mehr, als ich je sehen konnte. Sie trugen Schmerz, Trauer und Leid mit sich. "Herein", sprach jemand schwach und sie öffnete die Tür. "Autumn", sagte der Mann, welcher im Bett lag, und setzte sich auf. "Ist das der Junge von dem du mir erzählt hast?", fragte der Herr lächelnd. "Dad!", sagte sie und wurde rot. Es war ihr Vater? Ich sah ihn geschockt an. Er sah blass und schwach aus. Er sah aus als wäre er kurz davor zu sterben. Er sah einfach nur krank aus, jedoch lächelte er all dies weg. "Krebs", sagte er lächelnd, "und nun setz dich und erzähl mir etwas über dich. Autumn, Schatz, schieb doch den Stuhl ran. Der Junge soll ja hier nicht die ganze Zeit stehen", sagte er und lachte. "Natürlich", sagte sie und ich half ihr zwei Stühle von der Wand zum Bett zu tragen. "Ich bin Thomas, Autumns alter Vater und wenn ich richtig liege, bist du Felix?", fragte er mich und grinste breit. Ich nickte. "Freut mich Sie kennen zu lernen, Mr. Miller", sagte ich und streckte ihm lächelnd meine Hand entgegen. Er lachte. "Felix, ich weiß ich bin alt, aber nenn mich doch Thomas und dutz mich. Okay?" Ich nickte lächend. Wir blieben lange bei Autumns Vater. Ich war beeindruckt, wie viel er erzählen konnte. Es war beeindruckend, wie Autum sich in seiner Nähe verhielt. 

Jedesmal wenn ich am Krankenhaus vorbei fahre, erinnere ich mich an das Versprechen, welches ich Thomas gab. Ich gab es ihm, als Autumn kurz raus gegangen war. 

"Felix", sagte er und nahm meine Hand, in seine beiden Hände. "Ich weiß nicht wie lange ich noch habe, aber eins musst du mir versprechen", sagte er und sofort nickte ich. "Um was handelt es sich denn?" Ich sah ihn besorgt an, denn seine Stimme klang plötzlich so ernst. "Pass auf Autumn auf. Sie soll keine Dummheiten machen und bitte", er machte eine kurze Pause, "bitte mach sie nicht traurig. Bitte verletz sie nicht", sagte er und lächelte nochmal kurz.

Ich konnte das Versprechen nicht halten.

Really bad? | #Wattys2016 #JustWriteItWo Geschichten leben. Entdecke jetzt