Kapitel 19

1K 75 35
                                    

"Dumme Kuh!", zischte ich beim Zuschlagen der Wohnungstür. Heute war nicht mein Tag, soviel war klar. Aber besser konnte man sagen: Dieses Leben war nicht meins. Es gefiel mir nicht. Das tat es noch nie und wie es aussah, würde es das wohl auch nie.

Wenn dein Leben beschissen ist, dann merkst du es wahrscheinlich erst dann, wenn du schon alle möglichen falschen Wege eingeschlagen hast, die alles noch verschlimmern. Und genau diese Phase ist gerade bei mir eingetreten. Man kapiert sich selber: Man kapiert, dass Gott dein Leben erschaffen hat, damit andere davon wiederum ihren Nutzen haben. Sei es mein ekeliger Chef bei der Bank, der mir anstatt Bankgrundlagen lieber beibringt, wie man Kaffee kocht oder Niall, der sich meine Hilflosigkeit zu nutzen macht. Alleine bei dem Namen Niall kam mir gleich die Galle hoch.

Und wäre das alles nicht schon genug, muss mich jetzt auch noch ein blondes, zickiges Monster namens Laura Whitmore nerven. Leider konnte ich ihr nicht meine ehrliche Meinung sagen: Sie arbeitete für die Musikredaktion von MTV und deshalb würde ich dann ein paar tage später einen Artikel über die zickige, freche Schwester von Liam Payne vorfinden. Nein, das brauchte ich nicht auch noch. Aber nach dem heutigen Gespräch, was lediglich daraus bestand, dass sie mich beleidigte, denke ich, werde ich sowieso erstmal Ruhe vor ihr haben. Am Ende musste sie mir dann natürlich noch unter die Nase reiben, dass sie und Niall sich schon längst versöhnt hätten, doch die erzielte Wirkung, mich tief im Herzen zu treffen, blieb leider für sie aus. Ihre Worte gingen in das eine Ohr rein und aus dem anderen wieder raus, natürlich ohne einen Zwischenstopp in meinen dafür zu wertvollen Gehirnzellen.

****************************************************

"Mum hat mir erzählt, dein letztes Mal ist schon etwas länger her" Liam formulierte seine Aussage eher wie eine Frage. Ich überlegte und wankte unsicher mit dem Kopf hin und her. "Ich bin mir nicht sicher....vielleicht ein halbes Jahr?" Ich seuzfte.

Italienisches Essen war wie eine Sucht für mich, doch zu einem Konsum kam es nur in sehr seltenen Fällen. Genau das sollte sich aber heute ändern. Der angeblich beste Italiener ganz Londons stand auf dem Abendprogramm.

Die Woche war unspannend verlaufen. Ich hatte mir lediglich ein paar Museen angesehen und einen kleinen Ausflug zu einer alten Freundin etwas außerhalb von London gemacht. Ich war selber erstaunt, dass es nun schon wieder Freitag war.

Doch, was man leider dazu sagen muss, war es auch eine der schlimmsten Wochen, die ich in den letzten Jahren erleben musste. Immer wieder wurde mir übel. Ich war kurz vorm Zusammenklappen, so schlecht war mir. Regelmäßige Panikattacken in der Nähe von blonden Männern machten mir das Leben schwer. Das hört sich übertrieben an, doch es stimmte. Das eine Mal war ich sogar eine Station früher aus dem Bus gestiegen, weil sich neben mich ein blonder Mann anfang 20 gesetzt hatte. 

Was meine "Blessuren" angeht, sah es da schon besser aus. Sie waren noch da, doch sie waren so weit abgeklungen, dass ich sie problemlos überschminken konnte. Ich redete mir jedes Mal vorm Spiegel einfach ein, dass ich die Treppe im Apartmenthaus heruntergefallen sei, das half mir, nicht jedes Mal loszuheulen, wenn ich die blau-roten Flecken an meinem Körper begutachtete.

Ich sah an meinem sitzenden Körper herunter. Mein Kleid reichte im Sitzen nur knapp über die Oberschenkel, doch die schwarze Feinstrumpfhose schützte die blauen Streifen an meinen Beinen. Über meinen Füßen hingen billige, schwarze Pumps, die ich mir letzten Sommer in der Türkei gekauft hatte. 

"Du siehst gut aus" Ich sah auf zu Liam, der auf der anderen Seite der Sitzbank saß und mir lächelnd zuzwinkerte. "Du auch", lächelte ich zurück und deutete stolz auf den dunkelgrauen Blazer, in den ich ihn gezwungen hatte. Er selber schien immernoch nicht begeistert davon zu sein. Er holte sein Handy aus der Hosentasche seiner Jeans und vertiefte sich in was auch immer. 

In His GripWo Geschichten leben. Entdecke jetzt