Kapitel 27

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Eine gefühlte Ewigkeit lag ich auf dem kalten Zimmerboden, bis ein Luftzug erneut Tränen in meine Augen trieb. Die Tür war aufgegangen und schnelle Schritte kamen näher, gefolgt von einem leisen Knochenknacken, als sich jemand neben mich kniete. Mein Kopf wurde an die gut riechende Brust gedrückt und meine Haare von groben Fingern durchzogen. 

Josh sagte nichts und doch wusste ich, dass er es war. Sein Geruch allein war schon ein eindeutiges Anzeichen dafür. 

Ich setzte mich auf und wischte mir die neuen Tränen von den Wangen. Seine Hand strich mir die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht, während seine besorgten Augen meine durchbohrten. 

"Geh nicht!", schluchzte ich flehend und musste mir weitere Tränen unterdrücken. Wieder sagte er nichts, was mir nur noch mehr das Gefühl gab, dass er das Angebot in Schweden schon längst angenommen hatte. "Hast du es angenommen? Das Angebot?" Nun konnte er den Blickkontakt nicht mehr halten und starrte stattdessen auf den Boden neben uns. Ich löste mich aus seiner lockeren Umarmung und rutschte ein Stück von ihm weg. 

Es herrschte Stille. Was in ihm vorging, konnte ich nicht erraten, aber ich schien innerlich fast überzukochen. Zwar hatte ich kein Recht, sauer auf ihn zu sein, doch ich war es. Ich war verletzt, denn mein letzter Halt, die letzte Person, die ich wirklich liebte, wollte mich verlassen. Alleingelassen fühlte ich mich. Alleingelassen inmitten einem Haufen von Problemen.

"In Schweden gibt es bestimmt keine psychisch kranken und vom Leben unerfahrenen Mädchen", sagte ich monoton in die Ruhe und dann machte Josh zum ersten Mal seinen Mund auf: "Sag sowas nie wieder!" "Es ist nicht mehr als die bittere Wahrheit" "Nein, die Wahrheit ist, dass du das Opfer eines miesen und ekeligen Vergewaltigers bist!" Er stand auf und ging zum Fenster, wo er sich auf dem schmalen Fensterbrett abstützte und rausschaute.

Ich war ein Opfer. Ein Opfer meines Lebens.

"Ich habe noch nicht zugesagt", brach er die erneute Stille.

"Aber du wirst es, nicht wahr?!" Ich musste mittlerweile verbittert klingen.

"Wahrscheinlich schon. Ja."

Ich seufzte, bevor ich einen kurzen, von Verzweiflung gelenkten Lacher ausstieß.

"Du wirst noch merken, dass ich nicht gut für dich bin, Jona, und wenn nicht, dann wird dein Bruder dir das schon gut einreden"

"Lass Liam aus dem Spiel!" Ich stand mit wackeligen Beinen auf und stützte mich an der Wand ab. 

"Nichts als die bittere Wahrheit oder wie hast du das vorhin genannt?" Noch immer stand er mit dem Rücken zu mir am Fenster.

"Warum tust du das?"

Er drehte sich um und sah mich durch das schwache Zimmerlicht an.

"Weil dieser Ort nichts gutes für mich offen hat. London mochte mich noch nie" Für einen kurzen Moment schweifte sein Blick nach draußen in den grauen Himmel. "Du solltest mich vergessen, genauso wie ich dich vergessen sollte. Das ist das Beste für alle. Konzentrier dich darauf, dass du nicht andauernd diese Heulkrämpfe bekommst und dich nicht tagelang einschließt. Das zieht nur alle runter"

Mein Mund stand vor Fassungslosigkeit offen. Er wusste anscheinend nicht im Geringsten, wie ich mich fühlte. Dachte er, ich täte das alles nur, um Aufmerksamkeit zu bekommen?! Ich war so geschockt von seinen Worten, dass meine Stimme versagte und Tränen das einzige waren, was mein Gesicht verließ.

"Und jetzt sollte ich gehen" Er stieß sich vom Fensterbrett ab und steurte die Tür neben mir an. Als er sie gerade öffnen wollte, hielt ich meine Hand auf die Klinke.

"Geh nicht! Ich brauch dich, Josh!"

Er sah mich eine Weile lang an, dann auf den Boden. 

"Siehst du nicht, dass ich dich brauche?!" Heulend schob ich mich zwischen Josh und die Tür.

"Jona, es hat keinen Sinn mit uns beiden! Sieh es einfach ein!"

Mit diesen Worten schob er mich zur Seite und verließ mein Zimmer und schließlich die Wohnung. 

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Mittlerweile hatte es angefangen zu Regnen. Dazu kamen noch leichte Windböhen, die mein Gleichgewicht immer wieder auf die Probe stellten. Der Boden unter mir wurde immer rutschiger durch den Regen und die vielen Lichter der Stadt brachten meine Augen in Verwirrung. 

Ein kalter Windstoß wehte um mein raues Kinn, sodass ich die Kapuze aufsetzte und zuzog. 

Auch wenn es absurd klingen mag, war ich froh, dass ich meine warme Übergangsjacke angezogen hatte. Eine gewisse Vorahnung, dass es abends auf dem Dach eines Hochhauses kalt sein könnte, bestätigte sich gerade. 

Ich wagte den Blick nach unten. Ein Auto nach dem anderen passierte die kleine Straße vor dem Hotel, auf dessen Dach ich gerade stand. Leute waren nicht zu sehen, auch keine Regenschirme. Die meisten hatten sich wohl schon nach drinnen verzogen.

Einen Abschiedsbrief hatte ich nicht geschrieben. Ich wusste auch nicht, für wen er hätte sein sollen.

Für Liam und meine Familie vielleicht? Das hätte noch einen Sinn gemacht, aber ich wette, dass mein Vater diesen Brief nie akzeptiert hätte, während meine Mutter ihn in die letzte Ecke vergrub, um ihn in einsamen Momenten wieder auszugraben und zu lesen. Liam hätte ihn wohlmöglich weggeschmissen, weil er es nicht hätte wahrhaben wollen.

Für Josh hätte es sich ebenfalls nicht gelohnt. Ich bedeutete ihm eh nichts, sonst wäre er bei mir geblieben. Weiter gabs da eh nicht zu begründen.

Vielleicht hätte ich einen an Niall schreiben sollen, in dem ich mich für alles bedankt hätte. Diese Option erschien mir plötzlich sinnvoll, doch ich hatte weder Stift, noch Papier bei mir und zurück wollte ich nicht mehr. 

Ich setzte meinen rechten Fuß ein Stück näher an die glitschige Kante des Flachdaches und zog den linken nach. Es wurde nun deutlich schwerer, das Gleichgewicht gegen den Wind zu halten. Ich wusste nicht, ob ich springen sollte oder ob ich mich einfach runterwehen lassen sollte. 

Ich horchte auf: Hinter mir ertönten Schritte auf dem Kies, was über das gesamte Dach verteilt war. Sie hörten erst auf, als ich ein paar Schuhe schwarze Vans neben mir sehen konnte. Sie standen fast noch dichter an der Kante, als meine und doch standen sich fester und sicherer.

"Wenn du springst, spring ich auch"

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Heyhey :)

Kleines Sonntagsupdate :)

Wie hat es euch gefallen????

Ich weiß es nicht genau, aber es werden wahrscheinlich noch so um die 2 Kapitel und vielleicht einen Epilog, da bin ich mir aber noch nicht ganz sicher....

Was denkt ihr, wer neben ihr steht? Die erste richtige Antwort kriegt die Widmung fürs nächste Kapitel :P

You And I *-* Eines meiner Lieblingslieder vom neuen Album *-* Hehe :D Ich weiß, es passt vl.t bessr zu ner Kuschelszene oder so, aber was solls :P

Nächstes Update am Freitag ;)

♥♥Mullingardreamgirl♥♥

In His GripWo Geschichten leben. Entdecke jetzt