„Werd' ich auch meinen Durst auf Blut verlieren?", fragte ich ihn, immer noch etwas verschlafen.
„Mit großer Wahrscheinlichkeit, also solltest du dich noch etwas gedulden."
„Bist du denn schon weit?"
„Eigentlich bin ich schon fertig."
„Und warum muss ich mich dann noch gedulden?", fragte ich daraufhin irritiert, nicht ganz verstehend, wieso er mit dem dematerialisieren warten wollte.
„Weil wir noch nicht angekommen sind und ich dich, bevor du die Mixtur trinkst, gerne aus meinem Erdloch hätte."
„Angekommen?"
„Es ist immer noch ein wandelndes Erdloch."
„Aber wieso bewegen wir uns überhaupt irgendwo hin?"
Gernervt drehte er sich nun zu mir um und schaute mich, mit gehobener Augenbraue, an. „Weil dein netter Meister bestimmt schon auf der Suche nach dir ist und es nicht schaden würde, wenn wir uns von unserem letzten Standort soweit wie möglich entfernen. Denn egal wie schwach deine Aura ist, dein Meister wird sie immer erschnuppern können. Deswegen wird er sich wahrscheinlich für eine ganze Zeit da aufhalten, wo ich dich ins Erdloch gezogen habe."
Das leuchtete tatsächlich ein.
„Natürlich tut es das, ich bin schließlich nicht so blöd wie du.", murmelte er noch, bevor er sich wieder dem widmete, was vor ihm auf dem Tisch stand.
Es sah nicht besonders lecker oder schmackhaft aus, und das hätte es für mich auch nicht, wäre ich noch ein Mensch gewesen.
„Es sieht aus wie Scheiße.", sagte er plötzlich.
„Bin ich so vorhersehbar?", fragte ich, da er mich wieder einmal nicht angesehen hatte, bevor er meinen Gedanken laut ausgesprochen hatte.
„Jap."
Zum Glück müsste ich mir darüber keine Sorgen mehr machen, sobald ich ein nicht vorhandenes Etwas war.
Ich fragte mich, ob es traurig oder deprimierend sein würde, ein Nichts zu sein. Würde ich total durchdrehen nach einer gewissen Zeit, weil niemand mich sehen konnte?
Und noch viel wichtiger...
„Wie mache ich das eigentlich wieder rückgängig?"
„Du meinst die Dematerialisierung?"
„Ja."
„Du musst an einem Kräuterfeuer einen bestimmten Satz sagen, auch wenn dich keiner hört, und der macht den Vorgang dann wieder rückgängig."
„Und wie soll ich ein Kräuterfeuer machen, wenn ich nichts anfassen kann?"
„Ach stimmt, dass weißt du ja gar nicht..." Scheinbar wieder Grundwissen das ich nicht im Kopf hatte. „Magier können dich natürlich sehen, auch wenn du sonst was für Mixturen getrunken hast."
Einerseits beruhigte diese Tatsache mich schon, brachte aber eine Frage zustande, die ich unbedingt beantwortet haben musste.
„Soll ich diese denn meiden? Würden die mich anschwärzen, weil ich eine Straftat begehe?"
Er schaute mich mit einem riesigen Grinsen auf den Lippen an. „Mach dir darum mal keine Sorgen. Magier sind die letzten die sich für sowas interessieren. Die meisten von denen verkaufen sowieso selbst illegales Zeug. Zwar nur wenige so'n Hardcore Kram wie GBD, aber die meisten sind immer auf der Durchreise, auf der Suche nach Leuten die 'nen kurzen Kick haben wollen."
„Also werden die mich ignorieren?"
„Sie werden dich wahrscheinlich bestaunen und sich fragen, welcher Idiot einer Vampirin hilft sich zu dematerialisieren, aber sonst ja."
„Warte mal..." Ich musste kurz mental und verbal, alles an Wissen sortieren. „Du meintest eben, dass mein Meister, also Garrick, meine Aura nicht mehr spüren wird, wenn ich dematerialisiert bin, aber Meister der Magie schon?"
„Jedem wird erzählt, dass Vampire die stärksten Kreaturen sind, die existieren, und alle glauben das auch noch. Dabei sind Meister der Magie um ein vielfaches stärker. Sie sind aber auch schlauer und halten sich somit aus allen Angelegenheiten raus, die sie nichts angehen. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, Meister der Magie können sowas."
Mir wurde auch von anfang an erzählt, dass Vampire die stärksten wären und sie deshalb so viel Macht besäßen. Aber das was Nian gerade gesagt hatte, ergab für mich sogar noch mehr Sinn.
Denn Meister der Magie hatten die Möglichkeit Tränke und Mixturen gegen alles herzustellen. Vampiren hatten nur geschärfte Sinne und physische Stärke. Meister der Magie konnten ihre Sinne sicherlich selbst verbessern und gleichzeitig noch mehrere andere Dinge tun.
„Kennst du den ersten großen Krieg der Übernatürlichen?", fragte er mich, als hätte er darauf gewartet, dass ich meinen Gedankengang beendete.
„Ich hab mal davon gelesen."
„Wie endet die Version der Vampire?"
„Was meinst du damit?"
„Ich meine damit, dass es sicherlich nicht, wie bei den Lehrlingen und Magiern, damit endet, dass einer der ersten Meister der Magie, alle Vampire und Ghoule zurückschlug und nur genug übrrigließ, damit deren Rassen überleben konnten."
„Das tat es wirklich nicht..."
Die Entstehungsgeschichte war eine Pflichtlektüre für jeden und auch ich hatte, sobald ich verwandelt wurde, ein Buch in die Hand gedrückt bekommen, dass ich lesen sollte. Es behandelte die Kriege und Anfeindungen der drei Hauptrassen. Vampire, Ghoule und Magier.
Laut der Geschichte haben sie sich alle Jahrzehnte lang bekriegt und sich gegenseitig bekämpft. Nur anders als in der Version, die Nian gelesen hatte, endete es mit dem Sieg der Vampire. Damals sollen die Gründer der heutigen bestehenden Blutlinien, darunter auch der Gründer meiner Blutlinie, Zerverus Geraldin, ein blutiges Gemetzel veranstaltet haben, nach dem der Rest der anderen Rassen, der überlebt hatte, ängstlich geflüchtet sei. Die Magier haben sich in den Dörfern versteckt und die Ghoule sind in Richtung der Berge geflüchtet, wo sie angeblich auch heute noch lebten.
„Euer Ende kann ich mir gut vorstellen...", meinte Nian, wieder mit dem stumpfen Unterton, den er bereits hatte, als ich Garrick erwähnt hatte.
So langsam konnte ich seinen Hass und Misstrauen gegenüber Vampiren verstehen. Denn niemand konnte beweisen, welche der Versionen die Richtige war, also wird jede Partei behauptet ihre sei es. Und nachdem was ich nun wusste, würde ich darauf wetten, dass auch Ghoule sich selbst für ihren Sieg von damals feierten.
Ich war noch in meinen Gedanken versunken, als es kurz einen Ruck gab, der den ganzen Raum ins schaukeln zu bringen schien.
„Scheint, als wären wir angekommen.", sagte Nian, vor sich ein Fläschchen mit einer braunen Flüssigkeit schwenkend.
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Vampire.
VampireEs ist allgemein bekannt, dass zwischen einem Vampir und seinem Schöpfer eine für immer währende Verbindung besteht. Ein Schöpfer muss dazu auch noch vollste Verantwortung für seinen Schützling übernehmen, bis dieser sein 250ste Vampirlebensjahr bee...