Verbockt.

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„Wurdest du eigentlich ausgebildet?" Wir überquerten gerade einen kleinen Fluss, Aaren war schon auf der anderen Seite angekommen und hatte sich nach mir umgedreht.

„Als was?"

„Magier." Ohne mir die Mühe zu machen, auf die Steine zu springen, ging ich durchs Wasser.

„Ne. Ein paar Sachen kann ich aber einfach so."

„Einfach so?"

„Mein Vater war ein nicht gerade schwacher Magier und hat mir somit einige Sachen gleich mitvererbt." Also konnte man selbst ohne Ausbildung eine gewisse Kraft besitzen.

„Und was kannst du so?"

„Hauptsächlich Kleinigkeiten." Mittlerweile hatten wir zurück auf den Weg gefunden und folgten ihm. Auch wenn es eher ein Trampelpfad, als ein Weg war.

„Dann zaubere mal eine Kleinigkeit.", forderte ich ihn auf.

„Och nö.", spielerisch genervt ließ er den Kopf in den Nacken fallen und stöhnte auf.

„Bitte.", flehte ich ihn an. Ich wollte wirklich gerne Magie im Einsatz sehen.

„Nagut. Aber nur eine Sache." Begeistert nickte ich.

Dann ging er in die Hocke, nahm sich eine Hand voll Erde und drückte sie fest in seiner Hand zusammen. Danach öffnete ich die Hand wieder, formte eine Schale, damit keine Erde hinunterfiel und starrte konzentriert auf die dunkle Substanz. Mehrere Sekunden tat sich nichts, bis plötzlich ein kleines Blümchen aus der Erde herrausschaute und immer weiter zu wachsen schien, bis es eine ausgewachsene und geöffnete Tulpe war. Mit der anderen Hand nahm er die Tulpe aus der Erde und reichte sie mir, nicht ohne dabei zu zwinkern. Gerührt nahm ich die Tulpe entgegen, entfernte den Stengel und steckte sie mir ins Haar.

„Bezaubernd.", bezeichnete er meinen neuen Haarschmuck und ging weiter.

Nach ein paar weiteren Stunden, blieb er stehen und schaute mich merkwürdig an.

„Was ist?", fragte ich ihn.

„Weißt du, was Ghoule essen, um zu überleben?" Eigentlich nicht, weshalb ich mit einem einfachen kopfschütteln antwortete. „Wir brauchen Fleisch, vorzugsweise totes Fleisch."

Enschuldigend hob ich die Hände. „Ich kann dir da leider nicht weiterhelfen. Ich bin weder lebendig, noch tot."

„Ich weiß..." Er schien zu zögern. So als würde er sich nicht trauen, mir etwas zu sagen.

„Sag einfach, was du sagen willst."

„Wäre es für dich okey, wenn ich ein bisschen an meinem Arm rumknabbere?"

„Klar."

Er schien verwundert über meine sofortige Antwort zu sein. „Ernsthaft?"

„Ich hab schon schlimmeres gesehen." Dann zuckte er nur kurz mit den Schulter und biss sich in den Arm.

„Wächst das eigentlich wieder nach?", fragte ich ihn, während er noch rumkaute. Er brummte kurz, was ich als ja interpretierte.

Eigentlich ist es sehr praktisch, dass man sich selbst essen konnte, wenn man Hunger hatte. Bestimmt nicht angenehm, aber es sparte Resourcen und schadete keinen andere Menschen oder Kreaturen.

Vampire konnten, rein biologisch gesehen, ihr eigenes Blut zwar trinken, fanden menschliches Blut aber so lecker, dass sie sich vor langer Zeit dazu entschieden, es zur Vorschrift zu machen, dass Vampire menschliches Blut trinken mussten. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte noch nie mein eigenes Blut getrunken, weil ich zu faul war, eine Konserve aus dem Kühlschrank zu holen.

Nachdem er fertiggegessen hatte, widmete er sich wieder mir und wir gingen weiter.

Wenn ich nicht den Überblick verloren hatte, jetzt wo ich nicht mehr schlafen musste, sobald die Sonne aufging, müsste gerade die Nacht des siebten Tages angebrochen sein. Also war ich vor genau einer Woche angeklagt worden und war seit genau einer Woche auf der Flucht.

„Ey, Irina.", meinte Aaren. „Wie wär's mit einer neuen Blume?"

„Gern." Die Tulpe, so schön sie auch war, gab langsam den Geist auf und hing wahrscheinlich nur noch traurig in meinem Haar um.

Aaren wiederholte das gesamte Prozedere wieder, wie er es beim ersten mal getan hatte, nur gab er mir nicht sofort die Blume, die in seiner Hand entstanden war, sondern behielt sie.

„Willst du mal was neues sehen?", fragte er mich.

„Und was?"

„Eine Sache, die ich schon immer konnte war, Magie rückgängig machen. Also in diesem Fall die Blume wieder in die Erde verschwinden lassen."

„Dann lass mal sehen." Neugierig sah ich auf die Blume, während Aaren sich wieder konzentrierte. Weil sein Gesicht diesmal jedoch etwas angespannter und somit umso komischer aussah, musste ich kurz einen Kicherer unterdrücken, was Aaren nicht entgang, weshalb er mich mit einem kurzen Blick bedachte.

Dieser Blick sorgte jedoch dafür, dass nicht die Magie der Blume, sondern meine rückgangig gemacht wurde. Ich selbst merkte nichts davon, sondern sah nur wie Aarens Miene von konzentriert in schockiert wechselte.

„Was ist?" Ich war leicht verunsichert, da die Blume sich nicht verändert hatte und Aaren nicht aufhörte, mich anzustarren. „Aaren, was ist los?"

„Du bist wieder sichtbar..."

„Wa-"

„Ich muss versehentlich die Magie der Dematerialisierung rückgängig gemacht haben."

Ich sah an mir herunten und spürte meinen panischen Herszschlag, sobald ich mit einer Hand über meinen Gesicht streichen konnte, ohne hindurchzugleiten.

„Mach es rückgängig!", brüllte ich ihn an.

„Das kann ich nicht!"

„Doch! Du kannst doch Magie rückgängig machen, also mach die Magie rückgänig, mit der du mich wieder sichtbar gemacht hast!"

Tränen bildeten sich in meinen Augen und ich konnte mich nicht mehr beruhigen.

Wenn ich wieder sichtbar war, hieß es, dass meine Aura wieder spürbar war. Und das bedeutete, dass Garrick in diesem Moment auf den Weg hierher sein könnte.

„Ich hab keine Magie angewendet, um das zu machen." Er war mindestens genauso nervös wie ich, sammelte sich aber schneller und griff mich bei den Schulter. „Hör mir zu, Irina. Ich habs total verbockt, du hast aber noch eine Chance. Du musste einfach nur in diese Richtung laufen." Er zeigte mit einem Finger in die Richtung, in die wir sowieso gegangen wären. „Du wirst an ein Tor kommen. Sorg' irgendwie dafür, dass sie dich reinlassen."

„Irgendwie?!"

„Irgendwie!! Darüber solltest du dir aber erst Gedanken machen, wenn du angekommen bist." Er blickte mir noch einmal tief in die Augen. „Es tut mir so leid..."

„Ist schon in Ordnung..." Ich war wirklich nicht sauer, vielleicht weil mein Kopf mit anderen Sorgen gefüllt war.

Zum Abschied küsste er mich noch auf die Stirn und schob mich dann an, als Zeichen ich solle nun endlich laufen. Und das tat ich. Schneller als ich jemals zuvor gelaufen bin.

Ich schaute nur ein einziges Mal zurück und es brach mir das Herz, zu sehen, wie Aaren auf dem Boden zusammenbrach.

Also blieb ich stehen und rief so laut ich konnte: „Wehe, du kommst mir nicht hinterher! Wenn ich erstmal hinter'm Tor bin, kann Garrick mir nichts anhaben! Ich werde auf dich warten!"

Von weitem sah ich nur noch, wie er sich eine Träne von der Wange strich und grinsend den Daumen in die Höhe streckte.

Dann drehte ich mich wieder um und lief weiter.

Vampire.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt