„Wir sind ziemlich vom Thema abgeschweift.", bemerkte ich, kurze Zeit, nachdem ich die gesamten neuen Informationen verabreitet hatte.
„Von welchem Thema denn?"
„Du warst gerade dabei, mich dazu zu bringen, dich über deine Eltern auszufragen. Dann kamen wir aufeinmal auf dein Dorf zusprechen."
„Ach stimmt..." Ich konnte ihm ansehen, dass er nur so tat, als würde er nachdenken. Spielerisch versuchte ich ihm in die Seite zu kneifen, was ihn aber wieder zum grinsen brachte, da ich nur durch ihn hindurch griff. „Wie kann man vergessen, dass man durchsichtig ist?", fragte er mich, mit hochgezogener Augenbraue.
Beleidigt zog ich einen Schmollmund und drehte mich demonstrativ zur Seite. Daraufhin, in einem Versuch mich wahrscheinlich wieder zum lächeln zu bringen, lief er ein paar Schritte vor und blieb dann stehen.
„Was wird das?", fragte ich ihn verwirrt und blieb vor ihm stehen.
„Hast du das noch nie versucht?"
„Was?"
„Einfach so durch Leute durchzugehen?"
„Nein, wieso sollte ich?"
„Das macht bestimmt einen heiden Spaß." Herrausfordernd starrte er auf mich nieder, wobei mir zum ersten Mal auffiel, dass er bestimmt zwanzig Zentimeter größer war, als ich. „Kannst ja mal nach meiner Niere sehen. Ab und zu zwickts mich dahinten in der Ecke."
Ich versuchte mich erst zusammenzureißen, musste aber bei dem Anblick eines riesigen Typen, der mit ausgebreiteten Armen und Beinen vor mir stand, anfangen zu grinsen.
„Komm schon...", fügte er mit einem, diesmal schmierigen, fast verführerischen, Grinsen hinzu. „Lass mich dein erster sein, Irina."
Wenn ich ehrlich bin, dann hat mich die Art, wie er den letzten Satz aussprach, so dumm wie er auch sein mag, in gewisser Weise angemacht.
Und um dieses merkwürdige Gefühl loszuwerden, rannte ich im Vampirtempo einmal durch ihn durch. Da es wirklich ein komisches, aber witziges Gefühl war, kicherte ich kurz.
Stürmte aber sofort zu ihm, als er, sich den Bauch haltend, auf dem Boden zusammenbrach. Hoffentlich hatte ich keine Organe mit dieser Aktion verletzt, dachte ich mir.
„Was ist los? Hats du irgendwo Schmerzen?" Panisch, ich hätte ihn verletzt, versuchte ich nach Blutflecken oder anderen Anzeichen einer Verletzung zu sein.
„Irina...", flüsterte er, ganz leise. „Du..."
„Was?"
„Du bist so leicht reinzulegen." Daraufhin lachte er wieder einmal und ich stand, grimmig dreinschauend, auf. Ein paar mal flüchtete sich aber selbst aus meiner Kehle ein Lacher, da sein Lachen wirklich furchtbar ansteckend war.
Dann kam mir aber etwas in den Sinn, woran ich die gesamte Zeit, nicht einmal gedacht hatte.
„Wie heißt du eigentlich?" Er wusste meinen Namen, ich aber nicht seinen.
„Aaren."
„Also dann, Aaren...sollten wir nicht langsam mal weiter?"
„Da hast du völlig recht, Irina." Damit setzte er sich auch wieder in Bewegung, ich ihm wieder still und leise folgend. „Meine Eltern können wir später bequatschen.", fügte er noch, zwinkernd, hinzu.
In der Morgendämmerung erreichten wir 'Endstation'. Was sich den Namen, allein vom Aussehen her, redlich verdient hatte. Es sah tatsächlich aus, wie das Lager derjenigen, die nirgendswo anders willkommen waren.
„Folge mir einfach. Ich muss kurz meinem Mitbewohner bescheid sagen, dann können wir weiter."
„Alles klar."
Stumm folgte ich ihm zu einem der wenigen Häuser, und betrat es nach ihm. Im Inneren saß ein Junge am Tisch und löffelte sich Suppe in den Mund. Sobald er Aaren sah, sprang er jedoch auf, ließ alles stehen und liegen, und fiel ihm in die Arme.
Die Szene die sich mir dann bietete, die einander umarmenden beiden, war einfach herzzereißend.
„Wie geht's, Großer?" Aaren ließ wieder von dem Jungen ab und setzte sich, nachdem dieser zurück am Tisch war, vor ihn, auf die andere Seite.
„Gut. Hab heute Miriam ein paar neue Sachen beigebracht und ihrer Mutter bei der Wäsche geholfen."
„Freut mich zu hören..." Ein paar Sekunden vergingen, in denen Aaren den Jungen einfach nur ansah, als wäre er für ihn sah kostbarste auf der Welt. „Übrigens muss ich für eine Weile weg."
„Wieso?" Dem Jungen war die Enttäuschung anzuhören.
„Ich muss jemandem helfen."
„Kann ich mit?"
„Das geht leider nicht."
„Wem hilfst du überhaupt?"
„Du kennst sie nicht."
„Darf ich sie kennenlernen?"
„Du kannst ihr 'Hallo' sagen, wenn du willst."
„Und wie?"
„Sag es einfach, sie ist hier."
„Hier?" Mit zusammengenkiffenen Augen durchforstete der Junge den Raum nach mir, sah aber, logischerweise, nichts. „In diesem Raum?"
„Ja. Sie ist aber unsichtbar. Du weißt doch, dass ich halb Magier bin. Deswegen kann nur ich sie sehen."
„Oh." Ihm viel es nicht allzu schwer, Aaren soetwas zu glauben. „Hallo, unsichtbare Frau.", sagte er daraufhin, in den Raum gewandt, und winkte dabei.
„Hallo.", erwiderte ich, obwohl er mich nicht hören konnte. Aaren lächelte über meine Geste.
„Sie sagt 'Hallo' zurück.", leitete er meine Geste an den Jungen weiter.
Danach unterhielten sich die beiden noch ein bisschen, redeten über Neuigkeiten und der Junge erzählte stolz, was er Miriam alles beigebracht hatte.
Gerade als der Morgen anbrach, verabschiedete sich Aaren von dem Kleinen und verließ, mit mir im Schlepptau, das Haus.
Draußen folgte ich ihm, während er hier und da ein paar Leuten zuwinkte, bis wir das Dorf hinter uns gelassen hatten.
„Er ist der Nachtmensch, von dem du sprachst, oder?"
„Ja. Seine Familie wurde von Vampiren getötet und keiner wollte ihn aufnehmen, da hab ich ihn einfach mitgenommen. Er war damals noch ein Baby und kann sich deshalb an nichts mehr erinnern."
Der Gedanke, dass meine eigene Spezies, zu soetwas in der Lage war, rief mir wieder ins Gedächtnis, wie sehr ich es doch gehasst hatte, ein Vampir zu sein. Denn Vampiren waren mit Abstand die schlimmsten aller Kreaturen in jeder Welt.
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Vampire.
VampireEs ist allgemein bekannt, dass zwischen einem Vampir und seinem Schöpfer eine für immer währende Verbindung besteht. Ein Schöpfer muss dazu auch noch vollste Verantwortung für seinen Schützling übernehmen, bis dieser sein 250ste Vampirlebensjahr bee...