16 // departure and pillow talk

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Zwei Wochen später

Genervt schlage ich auf den Koffer ein, da sich der Reißverschluss weigert, zuzugehen. "Miststück!", rufe ich und hämmere weiter. Sadie sieht mich vollkommen verwirrt an und verzieht sich anschließend auf ihre Decke, da ich ihr wohl auf die Nerven gehe. Was ich ihr aber auch nicht verübeln kann, denn ich bin schrecklich aufgeregt.

"Willst du nicht doch lieber einen größeren Koffer nehmen?", fragt meine Mom jetzt schon gefühlt zum hundertsten Mal. Und ja, sie ist von ihrer Geschäftsreise zurück, die wohl eigentlich eine Weiterbildung sein sollte, aber laut ihr der komplette Schwachsinn war. Ich sage dazu nichts, da ich mich so lange wie möglich aus der Erwachsenenwelt heraushalten und mein Teenagerleben genießen möchte, auch wenn ich dieses manchmal wirklich verfluche. Außerdem habe ich eh keinen Beruf in Planung, der aus Bürositzerei, Meetings und Weiterbildungen, bei denen tagsüber nur gelabert wird und abends "Partys" gefeiert werden, besteht.

"Nein, Mom, du weißt, dass ich Koffer eh hasse und ich den hier nur genommen habe, weil in die Reisetasche nicht Kram für einen Monat hineingepasst." Langsam reißt bei mir wirklich der Geduldsfaden.

"Okay, okay, war nur ein Vorschlag." Mitleidig beobachtet sie mich noch ein paar Sekunden, ehe sie sich entscheidet, ihrem armseligen Kind zu helfen. "Warte, ich helfe dir, Schatz." Sie geht neben mir in die Hocke. "Du musst immer nur einen kleinen Abschnitt herunterdrücken und an dieser Stelle dann den Reißverschluss zuziehen. So machst du das dann Stück für Stück, bis der Koffer zu ist."

Tatsächlich ist diese Methode echt gut und in Windeseile ist der Koffer zu. Er sieht vielleicht ein bisschen gequetscht aus, aber er wirkt auch nicht, als ob er gleich wieder auseinander fällt.

"Danke, Mom", murmele ich leise.

"Nicht dafür."

"Nein, eigentlich für alles." Ich erhebe mich vom Boden und umarme meine Mutter.

Sie erwidert die Umarmung und ich genieße den Moment, in dem es so wirkt, als würde die Zeit stillstehen. "Ach, Schatz. Du weißt, dass ich dich über alles liebe und es für eine gute Mutter selbstverständlich ist, alles für ihre Kinder zu tun."

"Hast du dann alles?", fragt sie, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst haben.

"Jap, ich denke schon. Und wenn ich irgendwas vergessen habe, dann borge ich es mir eben von den Jungs oder kaufe es nach. Ich werde mich ja nicht außerhalb der Zivilisation befinden." Schwach lächle ich sie an.

"Na, dann, wenn das so ist."

Wir laufen hintereinander die Treppe hinunter, ich schleppe den Koffer, noch einen Rucksack, in dem das Wichtigste verstaut ist und meine Gitarre. Sadie trottet mir hinterher.

Der schwarze Van steht schon vor der Haustür und mein Herz macht einen Satz, als ich daran denke, dass ich die nächsten vier Wochen so gut wie ununterbrochen mit Luke verbringen werde.

Wir bleiben in der Einfahrt stehen und diesmal ist Mom diejenige, die mich umarmt. Ich schließe die Augen und sauge ihren Geruch, den Geruch von Heimat, auf.

"Ich werde dich vermissen, Lu-Schatz", flüstert sie.

"Ich werde dich auch vermissen, Mom. Aber es sind ja nur vier Wochen und ehe du es dir versiehst, bin ich wieder da."

"Jaja. Pass auf dich auf, nimm möglichst keine Drogen, mach keine zu großen Schlagzeilen und werde nicht schwanger", sagt sie in einem überzogenem, strengen Ton, sodass ich lachen muss.

"Wird schon alles nicht passieren", verspreche ich. Ich meine, die drei Dinge hatte ich bis jetzt alle nicht vorgehabt. "Grüß' Dad von mir, wenn er heute Abend nach Hause kommt. Ich habe dich lieb."

The memories I never can escape | l.r.h. | discontinuedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt