Am Flughafen vollführten wir keine großartige Verabschiedung, ich war immer noch ziemlich sauer auf ihn, auch wenn man es auf der anderen Seite auch verstehen konnte. Doch das war mir im Moment ziemlich egal. Ich bedankte mich zwar, wenn auch noch etwas säuerlich und wartete im Flughafenrestaurant auf die richtige Uhrzeit.
Eine Bedienung kam zu mir und ich bestellte mir einen gemischten Salat, was seit langem meine erste normale Mahlzeit war. Dann war schon die Zeit, in das Flugzeug zu gehen, wobei mich aber wieder eine schwere Traurigkeit überkam, da meine Mutter unbedingt mal mit mir nach Spanien ans Meer fliegen wollte. Doch ich atmete tief durch und besänftigte mich mit dem Gedanken, dass sie in meinem Herzen immer bei mir war, solang ich mich an sie erinnern würde und ich ihr mit dem Flugzeug nahe sein konnte.
„Wir machen das, Mama", sagte ich mir, irgendwie aber auch ihr. Evergreen war schon vor längerer Zeit abgegeben worden, damit sie mit über den Atlantik fliegen konnte. Im Flugzeug angekommen, stellte ich mein Handy gleich auf Flugmodus und suchte mit Kopfhörern in den Ohren nach einem passenden Song.
Eine grölende Gruppe junger Männer verteilte sich in die Sitzreihe vor und neben mir. Ich verdrehte die Augen und verfluchte jeden einzelnen. Einer drehte sich um.
„Na wohin geht die Reise, Schönheit", baggerte er mich grinsend an. „Dorthin, wo der Flieger eben landet", meinte ich abweisend.
„Ouh, da hat jemand wohl schlechte Laune", meinte er lachend.
„Dich kriegen wir noch weich" kicherte er und wandte sich seinem Sitznachbarn zu, der ihm mit einem „Ey, alter" an die Schulter gestoßen hatte und gleich darauf in nervtötendes Gelächter ausbrach. Eine junge Frau gesellte sich zu ihnen.
Ich beobachtete die Szene mit wachsendem Desinteresse.
„Was seid ihr bloß für ein uncooler, hirnloser Haufen, verhaltet euch doch mal ein bisschen weniger wie Schimpansen", lachte sie schlagfertig und mit tief klingender Stimme, was man bei ihren kurzen, blonden Haaren, ihrer zierlichen Statur und dem geblümten Kleid wirklich als letztes erwartet hatte.
Der blonde junge Mann mit Berliner Dialekt grinste sie schalkhaft an.
„Was du nicht immer für einen Spießer gefressen hast, Schwesterchen", pöbelte er sie an. Was machte ein Berliner eigentlich hier in München, wo er doch einfach irgendwo, in der Nähe seiner offensichtlichen Heimatstadt, hätte fliegen können. Aber ich wollte mir auch keine voreilige Meinung bilden. Es gab immer einen Grund.
„Und aus welchem Grund trittst du die Reise an", fragte mich die junge Frau, die sich neben mich gesetzt hatte.
„Ich besuche meinen Onkel", sagte ich eintönig, da ich wirklich keine Lust hatte, ihr mein Herz auszuschütten.
„Oh, Cool!", rief sie. „Ich fliege mit meinem Bruder und seinen Kumpanen in den Urlaub, das wird so cool werden", schwärmte sie und mir fiel auf, wie oft sie das Wort „Cool" benutzte. Naja, jeder hatte ein anderes Lieblingswort.
„Und was hörst du so?", fragte sie weiter und zeigte mit dem Finger auf mein Handy, an dem Kopfhörer steckten.
Also entsperrte ich es und ließ sie durch meine Musik scrollen. Irgendwie war es schon schön, mal wieder mit jemandem zu sprechen, der in meinem Alter und dazu auch noch so extrem gut gelaunt war. Immer wieder zeigte sie auf einen Song und sagte, ob sie den jetzt „Obercool" fand oder „Total uncool".
Als sie mit meiner riesig langen Playlist fertig geworden und der Flieger gestartet war, lobte sie noch einmal die Coolness meiner Songs und plötzlich kroch mir ein Kichern den Bauch herauf, es ging gar nicht anders, als sie auszulachen. Also brach ich in einen Kicheranfall aus, den ich verklemmt zu unterdrücken versuchte, doch es bildete sich doch immer wieder ein grinsen auf meinen Lippen und die Luft brach durch sie hindurch, auch wenn ich sie noch so fest zusammen presste.
Das Mädchen neben mir breitete ihr Dauergrinsen noch stärker auf ihrem Gesicht aus und gluckste leicht mit. „Ich dachte schon, du lächelst nie, schon im Flughafenrestaurant hast du eine Miene wie nach 10 Jahren Regenwetter gezogen, auch wenn ich wirklich nicht verstehe, was so lustig sein soll", meinte sie auch mal ohne ein „Cool".
Mein Bauch tat schon nach kurzer Zeit des Lachens extrem weh, doch das Glücksgefühl, das mich dabei ebenfalls überkam konnte das ziemlich gut überdecken. Als ich mich beruhigt hatte, hatte das Flugzeug bereits den Aufstieg in die Luft bestsanden und ich sah zum Himmel hinauf.
Da staunst du, Mama, ich kann sogar noch lachen, dachte ich leise und lächelte die kleinen Schäfchenwolken an.
„Ich bin übrigens Kati und wie heißt du?", fragte sie neugierig.
„Ariana, ich stamme aus Amerika, genauer gesagt aus Mississippi, aus der Nähe von Jackson, da werde ich jedenfalls abgeholt", antwortete ich und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich eigentlich überhaupt nicht wusste, wohin ich so genau musste, oder zu wem ich gehört, was mir ein ziemlich mulmiges Gefühl bereitete.
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The New Beginning
Romance"Und, hast du schon die Liebe deines Lebens gefunden?" In der Hoffnung auf eine schnulzige Liebesgeschichte aus seinem Privatleben sehe ich von meiner Zeitschrift auf und stütze mein Kinn auf meine Hand. Doch seine Antwort soll alles noch komplizie...