14 - Don's Lieblingswort: "KEIN"

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Das Schweigen hält solange an, bis wir alle wieder in unserem Lager standen. Domina schaut die ganze Zeit regelmässig um ihre Schulter und versteckt sich dich gedrängt hinter Don's Arm. Sie wirkt, wie ein verschrecktes Reh und zuckt beim kleinsten Geräusch zusammen.
Ariadne sieht auch regelmässig um sich, aber wahrscheinlich mehr um Dominas Gewissen, als um ihr eigenes. Sie kümmert sich oft um unser Küken und lehrt ihr verschiedene Kampfarten und Taktikstrategien.

Das Donnerwetter bricht kurz ein, sobald Moon und ich auch nur einen Schritt im Lager gemacht haben. Allerdings nicht vom Himmel (den wir nicht sehen, weil die Decke zugemauert wurde und nur ein kleiner Lüftungsschacht besitzt, bei dem noch nicht mal Domina durchkommt), sondern von Don.
"Was habt ihr euch gedacht, einfach weg zu schleichen und eine Erkundigungstour zu machen? Ihr hättet Bescheid sagen sollen! Wisst ihr überhaupt, was es heisst, in einem Team zu arbeiten? Muss ich es euch noch buchstabieren? T-E-A-M. Das bedeutet Zusammenhalt und ich erwarte, dass ihr das TEAM in Kenntnis setzt, wohin ihr geht! KEINE Wanderungen, KEINE Erkundigungen und schon gar KEINE Alleingänge! Wenn Beck nicht schnell bemerkt hätte, dass ihr verschwunden wart, wärt ihr wahrscheinlich jetzt schon tot! Als Erstes will ich eine gute Erklärung für euer unvernünftiges Verhalten und zweitens will ich wissen, was das für... für... Dinger im Tunnel waren!"
Vor lauter unterdrückter Wut hat Don schon einen roten Kopf bekommen und vor Ärger fängt er schon leicht an zu stottern. Ich ziehe meinen Kopf zwischen meine Schulter und hoffe, dass KEINE Spucke herum fliegt. Begossen von der Tirade senke ich den Blick und spiele mit dem Reissverschluss meiner Jacke herum.
"Tut mir leid, Don", kommt es kleinlaut aus meinem Mund.
"Das ist keine Erklärung", entgegnet er, immer noch aufgebracht.

Ich verstehe ihn. Wirklich, ich verstehe, warum er so austickt. Er fühlt sich für unseren bescheidenen Clan verantwortlich und will nicht, dass wir ungewollt kleiner werden. Und wenn er sich an die früheren Stationen erinnern kann, könnte er, genauso wie wir anderen, nicht noch mehr Verluste ertragen. Ob er vorher auch auf seine Verbündete aufgepasst hat? Das würde zumindest seine Kapazitäten erklären.

Moon scheint das genaue Gegenteil von mir zu sein: Wo ich mich verstecken will, sucht er die Aufmerksamkeit und umgekehrt - auch wenn letzteres kaum der Fall ist. Von ihm ist keine Entschuldigung zu hören, diesen Teil habe ich bereits für ihn erledigt. Stattdessen steht er aufrecht und blickt Don furchtlos ins Auge. Während ich still blieb, sammelte Moon die Worte zusammen, die Don gleich zu hören bekommen würde. Ich verunsichert, er selbstbewusst.
Jap, in diesem Fall waren wir definitiv Gegensätze.

"Es war meine Idee. Ich habe mich von der Gruppe weg geschlichen und wollte mir die Gänge näher anschauen. Ich erhoffte mir, diverse Hinweise zu finden, die über unseren Aufenthalt Bescheid gaben. Shadow ist mir gefolgt und wollte es mir ausreden, aber ich habe nicht auf sie gehört. Wir sind dann in den Gang gelaufen. Shadow wollte zwar zurück, andererseits mich auch nicht im Stich lassen, weswegen sie mitgekommen war. In diesem Gang waren Roboter. Was genau das für... Wesen darstellen sollte, entzieht sich jedoch unserer Kenntnis. Wir sind heraus gerannt und den Rest kennst du ja" erzählt Moon ruhig. Diese Ausstrahlung liess Dons Ärger verrauchen und ich starre nur auf meinen Reissverschluss, damit niemand meine Verlegenheit bemerkt. Moon hat für mich geflunkert. Wir beide wissen ganz genau, dass es meine Dummheit war, aber er nimmt mich in Schutz.
Don nickte. "Na schön. Ich bin froh, dass euch nichts passiert ist. Aber ihr zwei werdet vor erst KEINE Touren mehr führen! Ihr könnt für die nächste Woche Domina helfen" ordnete er an und ich muss mich zusammen reissen, um den Mund nicht zu verziehen. Natürlich seufzt Moon hörbar auf. Nichts gegen Domina, aber ich fand die sogenannten 'Touren' 100 Mal spannender, als Gemüse zu schälen. Und Moon geht es ausnahmsweise gleich wie mir. Trotzdem nicken Moon und ich brav.

Am Abend kuschle ich mich an Cale, der den Arm um mich legte. "Gute Nacht", murmele ich und bin so schnell in das Land der Träume, dass ich noch nicht mal seine Antwort höre.

Station 7 war die regnerischste Station, in der ich je untergekommen war. Aber das stetige Trommeln des Regens auf der Zeltplane half mir, meinen Kopf gerade mal genug frei zu bekommen, um einzuschlafen. Cale war ganz 'Monsterblut-frei', wie er es ausdrückte und schlief gegenüber von mir. Beck lehnte an einem der sieben Meter hohen Baumstämme, neben unserem Zelt und säuberte seine Pfeilspitzen vom 'Monsterblut'. Belle sass draussen irgendwo zwischen dem Gebüsch und hielt Wache.

Mitten in der Nacht wurde ich wach, weil es still war. Inzwischen schlief Beck auch im Zelt, aber sein Schnarchen hatte mich nicht geweckt. Nein, der leise Trommeln war weg. Anscheinend hat es aufgehört zu regnen. Ich drehte mich noch ein paar Mal um, aber ich konnte nicht wieder einschlafen. Ich schlüpfte schliesslich aus dem Zelt. Es war dunkel und der dünne Mondsichel am Himmel spendete kaum Licht. Ich lehnte mich an denselben Stamm, an dem Beck zuvor war. Ich atmete tief durch, als ich ein zartes Rascheln hörte. "Bestimmt Belle", dachte ich und begnügte mich damit, mich nur schnell umzuschauen. Eigentlich würde ich nachschauen, oder schnell wegrennen, aber ich hatte nun Verbündete und da war Abhauen eine schlechte Idee. Abgesehen davon, dass es nicht fair wäre, nachdem Cale mich gerettet hatte. Zwar mit einer Prise Dummheit - wer hetzte schon freiwillig eine Bestie auf sich, wenn Töten viel schneller ging? - aber immer noch eine Rettung. Ich ärgerte mich immer noch, dass ich nicht besser auf meine Messer aufgepasst hatte! Ich wusste, dass ich am Abend alle am Gurt hatte und diesen neben meinen Rucksack gelegt hatte. Aber am nächsten Morgen waren sie weg. Irgendjemand musste sie gestohlen haben, aber warum hatte dieser Jemand mich am Leben gelassen? Ich meine, nicht dass ich undankbar wäre, aber dazu hätte 'Jemand' keinen Grund dazu gehabt.
Ein weiteres Rascheln liess mich zusammen zucken. Ich sah mich wieder um, aber sehen konnte ich niemand. Nach einer Weile, die ganz der Stille gehörte, erklang zwei Dumpfen. Das eine war ein undefinierbares Dumpfen, aber das Zweite klang, als wäre jemand gegen einen Baum gestossen. Ein leises Stöhnen folgte. "Belle!", schoss es mir sofort in den Kopf, da schubste mich wenig zur Seite, dass ich über eine Wurzel stolperte und hinfiel. Schwere Schuhe entfernten sich und ich konnte nur ausmachen, dass die Person eine Axt in der rechten Hand hielt, während dieser davon rannte, die Kapuze des Pullovers über den Kopf gezogen. Erst war ich ganz perplex, dann rappelte ich mich auf. In diesem Moment drehte sich der Kerl um...

Aber bevor ich sein Gesicht sehen konnte, wurde ich geweckt.

Station 10 #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt