Bald hatten sie ihr Ziel erreicht. Morgens um drei Uhr parkten sie in der Nähe einer Tankstelle. Nun hatten sie zirka eine Stunde Ruhe, bis sie wieder aufbrechen müssten. Elya schlief friedlich in seinem Kindersitz. Marigona hatte ihr Gesicht an die Fensterscheibe gedrückt und schnarchte vor sich hin. Die junge Dame, Aila, hatte sich zu den beiden gesellt und schlief auf dem Schoß des brünetten Mädchens. Nur Luan war wach und zerbrach sich den Kopf. Mal waren seine Gedanken bei der Flucht, dann bei seiner Familie, die nun in Frieden ruhte und ab und zu dachte er über diese Leute, die auf der Rückbank schliefen, nach. Er wunderte sich, wie diese Leute es schafften, mit dem Tod so konfrontiert zu werden und gleich daraufhin zu flüchten.
Er selbst hatte Zeit, um trauern zu können. Die beiden Mädchen allerdings nicht. Sie wurden in diese Lage hineinkatapultiert. Und der kleine Elya... Er hatte nicht mal anzatzweise einen Schimmer, was im moment los war. Und für diese Menschen möchte er weiterkämpfen, es bis nach Amerika schaffen, um ihnen Sicherheit zu schenken, genau wie sich selbst. Seine Augen blieben an dem Mädchen hängen, dessen grauen Augen geschlossen waren. Ihr Zusammentreffen war ein reines Missgeschick und dennoch war er dankbar, dass sie da war. Immer mehr und mehr sah er, wie sie sich zurückzog. Denn die Trauer fing langsam an, sie zu übermannen und das wusste er. Bei Aila würde es auch so sein, doch sie war im Moment noch im Schockzustand. Luan hatte so lange nachgedacht, dass er nicht merkte, dass es Zeit zum Weiterlaufen war. Er weckte einen nach den anderen. Nur bei dem kleinen blonden Jungen war er etwas behutsamer und bot danach allen, was zu essen an.
"Stopft so viel in euch rein, wie ihr könnt. Im LKW wird es nicht möglich sein, zu essen und die Fahrt könnte Stunden dauern."
Schläfrig nickte Aila und aß auf, was vor ihr lag. Marigona hingegen fütterte den dreijährigen. Sobald sie damit fertig war, versuchte sie, ihn in den Schlaf zu singen, was kläglich scheiterte. Alle meckerten nur rum, sie solle leise sein. Ihr Handy holte sie raus und klickte auf ein Video. Eine sanfte Stimme war, zu hören. Um genauer zu sein, die Stimme ihres Vaters. Elya schlief gleich danach ein. Und sie erinnerte sich an den Moment zurück, in dem ihr Vater sang. Dabei zerbrach sie innerlich ein weiteres Mal, doch sie wollte nicht weinen, weshalb sie sich zusammen riss, etwas aß und den kleinen Jungen in den Arm nahm. Luan beobachtete sie stumm dabei und war fasziniert von der Stärke, die sie aufbrachte
Es warteten viele leute am Lastwagen. Jeder kam rein für einen bestimmten Betrag. Im Inneren stank es nach Urin und verwestem Fleisch. Luan und Marigona hatten das kleine schlafende Kind zwischen sich getan, damit sie Acht geben konnten. Aila saß zusammengedrückt neben Marigona. Die Luft war stickig und warm, kaum auszuhalten, doch sie hatten keine Wahl. Immer wieder hörte man kleine Kinder oder Babys weinen, ansonsten sprach keiner im Wagen. Niemand traute sich, die Stille zu unterbrechen. Luan hatte sich seinen Pullover über die Nase gezogen, damit er nicht mehr dem Gestank ausgesetzt war. Die grauäugige tippte nervös auf ihre Knie. Das Ein- und Ausatmen von Elya war, zu hören. Irgendwann machte der Wagen abrupt Halt. Man hörte Menschen reden. Genau verstehen, konnte man sie nicht, denn die Wände verhinderten dies. Nach einer Weile fuhren sie weiter. Im Lastwagen war es stockdunkel. Man konnte gerade noch so seine Hände vor Augen sehen. "Luan?", flüsterte Marigona und hoffte dabei, dass sie nicht allzu laut war. Ein "hm" kam von ihm. Erleichtert atmete sie aus. Er schien noch zu leben. Dann rief sie nach Aila, jedoch regte sie sich nicht. Immer wieder schüttelte sie an ihr, doch weiterhin zeigte sie keine Regung. Ganz langsam legte sie ihre Hand an die Herzschlagader.
Kein Puls.
Und da brach wieder etwas in ihr. Ein schluchzender Laut verließ ihren Mund. Aila war Tod und diese Erkenntniss erschütterte auch Luan. Wer weiß, wie viele tote Körper noch im LKW lagen. Instinktiv zog der siebzehnjährige das Mädchen näher an sich. Flüsterte ihr gute Worte zu. Er kannte sie nicht, dennoch nahm ihn ihr Tod etwas mit. Ein Lichtspalt machte sich bemerkbar und die quietschenden Türen wurden geöffnet. Die Menschen stürmten nur so raus und sogen die frische Luft ein. Sie taten es dem ebenso. Die Fahrer zog die Leichen aus dem Wagen. Es waren genau vier. Jede einzelnde wurde achtlos über die Autobahn geschmissen. Die Körper rollten hinunter und lagen reglos im Gras. Entsetzt schauten sich Luan und Marigona gegenseitig an. "Wir müssen sie holen und beerdigen, Luan! Sowas hat sie nicht verdient." Ihr Stimme war voller Verzweiflung. Ganz langsam schüttelte der junge mit dem bernsteinfarbenden Augen den Kopf und sagte dabei:"Keine Zeit, Gona. Hier geht's ums Überleben. Sie ist jetzt bei ihren Eltern. Das beste, was man ihr schenken, konnte und jetzt los."
____________________________________
So neues Kapitel da. Seit mir nicht all zu sauer das ich schon wieder jemanden hab sterben lassen aber das hat so seine Richtigkeit. Ich will nicht, dass diese Geschichte ihren Ernst verliert. Es soll zeigen, dass in solchen Zeiten für jeden das letzte Glöckchen schlagen könnte.
Jedenfalls was haltet ihr davon? Meinung? Kritik? Gerne erwünscht ich möchte mich nämlich verbessern und das kann man immer.
Und danke für die 1K Leute! Ihr wisst nicht wie glücklich mich das macht. Danke
Katty
![](https://img.wattpad.com/cover/65407836-288-k638583.jpg)
DU LIEST GERADE
»Way Through Silence«
General Fiction"Ich hasse diese verdammte Stille. Sie bringt mich um den Verstand, verstehst du? Sie macht mich ganz wahnsinnig. Ich kann nicht klar denken." "Aber ich rede doch? Oder willst du hier den Poeten spielen?" "Ach du heilige, mit wem habe ich es denn hi...