Prolog

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"Und mit Ihrer Hilfe werden wir das schaffen können! Nur ein starkes und vereintes Großbritannien kann wieder zu Europas Vorbild werden. Lasst uns daher alle zusammen nach diesem Ziel streben. 
Wir werden gemeinsam ein neues, ein gerechteres Land schaffen. Ein Land, in dem jeder seinen Platz findet. Ein Land ohne Kinderarbeit hinter verschlossenen Türen. Ein Land mit fairer Entlohnung für harte Arbeit. Ein Land mit sicheren Straßen für unsere Kinder. Mit uns wählen Sie nicht nur eine Partei. Mit uns wählen Sie die Zukunft!"


Ansprachen wie diese werden in dieser Zeit pausenlos gesendet. In Großbritannien steht der Wahlkampf an. Wer gewinnt die Mehrheit im Parlament? Wer stellt den nächsten Premierminister? - Das ganze Land ist im Aufruhr. 

Und das nicht ohne Grund: Erst vor einigen Wochen wurde von der Polizei durch eine routinemäßige Kontrolle eine Näherei entdeckt, die illegal Minderjährige beschäftigte. Und das im Herzen eines Landes, das sich so fortschrittlich gibt und eine Vorbildfunktion für die westliche Welt sein möchte. Es kam zurecht die Frage auf, wenn wir nicht einmal im eigenen Land Gerechtigkeit schaffen können, wie sollen wir das dann im Nahen Osten erreichen?
Der Vorfall spielte der Partei meines Vaters natürlich in die Karten. Er ist als Kandidat für das Amt des Premierministers mitten im Wahlkampf und führt fleißig TV-Debatten mit seinen Konkurrenten. Laut aktuellen Hochrechnungen hat er sehr gute Chancen, den Titel zu gewinnen.

Doch das war mir noch nie wichtig und das ist es auch besonders jetzt nicht. Für ihn gab es immer nur den Beruf. Er redete immer wie ein Wasserfall, nichts konnte ihn stoppen. Er hatte immer eine Meinung - seine. Mit Kritik kam er immer klar, aber es war ihm wichtig, dass sein Gegenüber verstand, dass er Recht hatte. Ich spielte in seinem Leben immer eine Nebenrolle, die zweite Geige sozusagen. Und so habe ich mich auch immer selbst gesehen, ein Nebencharakter in meinem eigenen Leben.
Natürlich unterstützte er mich immer. Es fehlte mir an nichts. Nur einen richtigen Vater, den hatte ich nie.

Zur "Belohnung" meines bestandenen Schulabschlusses schenkte er mir und meinen beiden besten Freunden eine Reise. All-inclusive und das Ziel durfte ich sogar selbst bestimmen. Zuerst nur um ihn zu ärgern, später weil es mich wirklich interessierte, wollte ich unbedingt nach Pakistan. Ein Krisengebiet weit weg von der Heimat. Ein Ort, in dem für Millionen Menschen genau das Realität ist, was mein Vater im Vereinten Königreich verachtet und bekämpfen möchte. 
Ohne mit der Wimper zu zucken buchte er den Flug und ein Hotel. Er gab mir formell die Hand und sagte so etwas wie: "Bleib anständig, mein Junge."

Ich freue mich auf eine Auszeit mit meinen Freunden, auf eine Pause vom Wahlkampf. Es soll endlich ein Urlaub werden, in dem ich mich als normaler Teenager verhalten kann, ohne in einer Boulevard Zeitung zu stehen.
Noch nie war ich allein außerhalb von Europa. Ich bin gespannt, was die Welt zu bieten hat und was mich am anderen Ende der Erde erwartet.

A New Hope? *PAUSED*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt