Kapitel 08: Nächtliche Gespräche

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Zayn POV. 

Es ist schon sehr spät, als ich endlich fertig bin, meine Wunde zu desinfizieren. Eigentlich bin ich ja ziemlich abgehärtet gegen jedliche Art von Schmerzen. Eigentlich.

Leise schleiche ich mich in Niall's Schlafzimmer und lege mich zu ihm ins Bett. Ich weiß immer noch nicht, warum er sich unbedingt mit mir treffen wollte, aber es freut mich. Ich hätte nie den Mut gehabt, ihn darauf anzusprechen. 

Er sieht so niedlich aus, wenn er schläft. Und wie er sich im Schlaf bewegt, wie seine Augen strahlen und... Moment mal! 

"Du bist noch wach?", nuschle ich und schau verlegen von ihm weg.  

"Jetzt sag mir mal, was überhaupt mit dir los ist."

"Was meinst du?"

"Naja, deine Narben auf deen Armen, diese Hütte gestern, warum du gesagt hast, du hast meine Jacke gestohlen, warum du verprügelt wurdest, die Aktion unten in der Bar vorhin...."

Ich seufze und fange an zu erzählen: "Also, hör zu. Ich bin ein unehelicher Sohn. Das heißt, allein deswegen werde ich im Slum nicht akzeptiert. Von der Gesellschaft sowieso nicht, weil ich ein Sklave bin. Und Sklaven arbeiten nunmal jeden verdammten Tag im Steinbruch. Daher kommen auch die Narben. Wir haben nämlich weder Arbeitskleidung, noch Handschuhe. Jeden Tag schlitzst du dir ein, zweimal, an schlechten Tagen auch zehnmal den Arm auf. Dafür bekomme ich einen Hauch von Nichts als Lohn. Und mein Vater, nachdem er sich von meiner Mutter getrennt hat, weil sie in ein anderes Land verfrachtet wurde, behandelt mich schlecht. Er gibt mir immer die Schuld daran, dass wir kein Geld für die Miete haben, dass ich nie zu Hause bin und sowieso bin ich der schlimmste Sohn von allen. Ich habe gesagt, dass ich die Jacke geklaut habe, damit ich wenigstens für einen Tag Anerkennung bekomme, dass er nur ein einziges Mal stolz auf mich ist. Aber seitdem erwartet er jeden Tag, dass ich sowas mitbringe. Tja, was soll ich sagen? Mein Leben ist nicht perfekt, aber ich lebe noch. Das ist doch ein Zeichen, oder?"

Niall steht vor Schock der Mund offen. Anscheinend ist ihm erst jetzt klargworden, wie es hier wirklich zugeht. Aber woher sollte er es auch wissen? Für die Touristen sind wir normale Arbeiter. Natürlich ist Sklaverrei illegal, aber wen kümmert das?

"Du lieber Himmel, Zayn, das tut mir so leid! Kann ich irgendetwas für dich tun?"

"Erzähl mir von dir. Wo kommst du her? Wie ist es, reich zu sein? Erzähl mir über deine Familie!"

"Ich komme aus London und mein Vater hat eine große Villa, weil er als Politiker viel Geld verdient. Meine Mutter ist bei einem Autounfall gestorben, als ich noch ziemlich klein war. Also gibt es nur meinen Dad und mich. Aber er war eigentlich nie für mich da. Er saß immer in seinem Büro und wollte nicht gestört werden. Ihm ist es wirklich egal, was mit mir ist. Du siehst? Nur weil man reich ist, heißt das nicht, dass man glücklich ist."

"Was ist mit deinem Freund? Erzähl mir von ihm. Ist er auch reich?"

"Harry, ja seine Eltern sind Wissentschaftler, aber haben genauso wenig Zeit für ihn gehabt. Da gibt es noch Sara, aber die ist gerade unterwegs. Sie ist die Tochter der Cousine unserer zukünftigen Königin. Wir drei haben uns in der Grundschule kennengelernt und sind seitdem unzertrennlich. Was ist mit dir? Bist du auch zur Schule gegangen? Hast du Freunde?"

"Ein Jahr habe ich die Schule besucht. Dann wurde es zu teuer. Mein Vater wollte nicht noch mehr Geld an mich verschwenden. Lesen, schreiben und rechnen kann ich. Mehr allerdings nicht. Freunde? Sorry, die hatte ich noch nie. Ich war schon immer der Ausgestoßene."

"Zayn, ich meine es ernst, was kann ich für dich tun? Du tust mir so unendlich leid!"

"Du musst nichts für mich tun, Niall. Das ist mein Schicksal, meine Welt. Ich habe mich damit zurechtgefunden. Mein größter Wunsch wäre es, meine Mutter wiederzusehen, aber ich glaube nicht, das du die Macht hast, das zu bewirken. Gute Nacht.", meine ich und drehe mich von ihm weg.

Es ist echt süß, dass er mir helfen will, aber das kann ich nicht von ihm verlangen. Es ist mein Kampf ums Überleben, den ich hier führe, und nicht seiner. Alleine für diese eine Nacht, die ich nicht zu Hause bin, wird mich mein Vater umbringen. Niall und ich sind einfach viel zu verschieden, als dass wir zusammen sein können. Er soll einfach in seinen Alltag zurückkehren, und mich lassen, wie ich bin. Das würde am wenigsten Stress geben. 

Sanft streicht eine Hand meinen Arm entlang. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut. 

"Ich helfe dir, ob du es willst oder nicht. Jetzt lasse ich dich nichtmehr los.", nuschelt Niall in meine Haare und kurz darauf höre ich ein leises Schnarchen.

Mein armer, kleiner, unschuldiger Niall. Es tut mir so leid, dass ich dich da mit reingezogen habe... 

A New Hope? *PAUSED*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt