Kapitel 06: Wiedersehen

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  Sara POV.

"Niall! Du starrst schon seit einer halben Stunde auf dieses verdammte Bild!", stöhne ich genervt. Unglaublich, dieser Junge. Er ist wie in einer anderen Welt. Vielleicht sieht er in dem Gemälde ja irgendwas besonderes, aber für mich ist das einfach nur ein Paar Handschellen.

"Komm mit!", meint Harry, greift nach meiner Hand und zieht mich mit sich. 

"Harry! Ich kann nicht mehr!", rufe ich, nachdem wir zehn Minuten durch die Gänge geirrt sind. Man, ist dieses Museum groß! Wie können die das alles hier überhaupt finanzieren? So viele Touristen kommen auch nicht her.

Ohne nachzudenken greift Harry unter meine Knie und seine andere Hand stützt meinen Rücken. "Du willst mich jetzt ernsthaft hier raustragen?", lache ich. 

"Warum nicht? Niall soll nachkommen wenn er wieder lebendig ist!", antwortet Harry und geht weiter. Lachend vergrabe ich meinen Kopf in seine Brust. Es tut gut, wieder solche Nähe zu spüren. 

Mit Liam kann man zwar über alles reden, aber es ist, würde irgendwas fehlen. Diese Geborgenheit und Sicherheit, die ich bei Harry und Niall schon immer gespürt habe, fehlt bei ihm. Als wäre ein riesiges Loch. Aber wir kennen uns ja auch erst seit gestern Abend. Ich bin sicher, das kommt noch, denn ich bin hoffnungslos verliebt in diesen Jungen. Und mit ihm könnte es sogar wirklich etwas werden!

Plötzlich lässt mich Harry auf den Boden gleiten. Wir stehen in der riesigen Eingangshalle des Museums und er steuert direkt auf das Café zu. Mir ist etwas schwindelig, aber trotzdem folge ich ihm. 

Niall POV.

Hektisch krame ich mein klingelndes Handy aus meiner Tasche. Hatte ich es nicht auf lautlos gestellt?

"Hallo?"

"Niall, mein Sohn! Wir haben gewonnen! Wir haben die Wahl gewonnen!", ruft eine Stimme so laut, dass ich mein Handy erstmal von meinem Ohr weghalte. Verdattert schaue ich es an. Nach einigen Sekunden wird mir klar, dass es mein Vater ist.

"Oh, das ist toll! Ich freu mich für dich, Papa.", antworte ich ihm gleichgültig.

"Du klingst nicht sehr begeistert. Gefällts dir nicht? Ich hab dir gesagt, du hättest in ein anderes Land gehen sollen!"

Wütend antworte ich: "Du hast gar nichts gesagt! Komm, gib es zu. Dir ist es scheißegal, ob ich hier krepiere oder in New York in der U-Bahn ersticke! Denk bloß nicht, du könntest mir ein schlechtes Gewissen machen! Abgesehen davon ist es hier sehr schön."

"Niall, ist ja schon gut! Es tut mir leid, okay? Aber hör mal... du solltest vielleicht etwas früher als geplant nach Hause kommen.", meint er ruhig.

"Was!? Wieso das denn?", frage ich sauer und vor allem laut. Die Menschen um mich herum sehen mich schon genervt an.

"Ich muss im Fernsehen zeigen, was für ein tolles Team wir sind!"

"Dad, wir waren ein tolles Team. Aber mir ist einiges klargeworden, deshalb rate ich dir, dass du zur Abwechslung einfach mal die Wahrheit sagst.", sage ich bestimmt und lege auf. 

Sara hatte Recht, mit dem was sie gesagt hat. Mein Vater versucht, den perfekten Mensch und das perfekte Leben vorzuspielen, nur weil er auf das Geld aus ist. Dabei belügt er nicht nur Millionen von Menschen, sondern vor allem sich selbst. 

Stopp. Wo sind Sara und Harry? Verwirrt drehe ich mich einmal, doch ich kann die beiden nirgends sehen. Voller Sorge sprinte ich in Rekordzeit zum Ausgang, nur um zu sehen, wie die beiden, herzlich lachend, an einem Tisch sitzen und seelenruhig einen Kaffee trinken. 

Ich pfeife einmal laut und sofort bemerken sie mich. Immer noch lachend treten sie auf die Straße und Sara winkt ein Taxi her.  Minuten später sind wir drei auch schon auf dem Weg zurück ins Hotel. Dabei ignoriere ich sie, denn sie hätten mir ja wenigstens Bescheid geben können! Ich traue ihnen zu, dass sie einfach ohne mich abgehauen wären. 

"Sag mal bist du eigentlich beleidigt?", fragt mich Harry am Abend plötzlich. Er und ich sitzen auf der Couch und schauen irgendeine Sendung. Sara ist bereits zum Date mit  Liam gegangen. 

"Nö, sollte ich?", meine ich eingeschnappt und stehe auf. "Ich schnapp mal frische Luft."

"Hoffentlich verreckst du an deiner Luft!", ruft mir Harry noch hinterher, kann sich allerdings ein Lachen nicht verkneifen. 

Ich selbst muss Grinsen. "Du Idiot.", murmle ich und verlasse den Raum. 

An der Eingangstür stehen wieder dieselben Wachmänner, doch dieses Mal sagen sie einfach nichts und lassen mich aus der Tür gehen. 

Es ist ungefähr die gleiche Zeit wie gestern und ich stehe an der Hauptstraße. Meine Hände stecken in leichten Handschuhen, die ich von Harry zum Geburtstag bekommen habe. Darauf sind unsere beiden Namen eingestickt. Wenn er manchmal auch ein Idiot ist, auf den man sich nicht verlassen kann, so ist er doch der Beste Freund den ich je hatte. 

"Niall? Was machst du denn hier?"

Erschrocken drehe ich mich um und sehe Zayn vor mir stehen. An seinem zitternden Körper trägt er nicht mehr als ein T-Shirt. Sofort muss ich lächeln. 

"Zayn!", freue ich mich und umarme ihn stürmisch. Unsanft schiebt er mich von sich weg. 

"Was willst du hier? Habe ich nicht gesagt, dass es gefährlich ist?", meint er. 

"Ich wollte dich sehen und mit dir reden! Außerdem kann ich mich ganz gut selbst verteidigen!", rufe ich empört. Schneller als ich schauen kann, zieht mir Zayn die Beine weg und ich finde mich auf dem harten Asphalt wieder. 

"Was zum...?"

"Du kannst dich nicht verteidigen. Das lernt man eben nicht in einer Stadt. Vor allem nicht als reicher Mann. Ich bin dir wirklich sehr dankbar für gestern, aber das wars auch schon. Geh jetzt, ich muss nach Hause!"

"Ich will dich begleiten!", meine ich und klopfe mir den Staub ab. Zayn zuckt nur mit den Schultern und geht weiter seinen Weg. 

Still gehen wir nebeneinander her. Ich mag es, einfach nur in seiner Nähe zu sein. Er beruhigt mich einfach, bei ihm kann ich abschalten. Doch seinem Gesichtsausdruck nach, nerve ich ihn. Vielleicht bin ich ja auch zu aufdringlich. Naja, wer kanns ihm verübeln. Lass du dich doch mal daheim von einem Fremden anquatschen, der unbedingt bei dir sein will. Okay, wenn ich so darüber nachdenke, ist es krank was ich mache. Ich meine, ich belästige diesen Jungen! Andererseits, er könnte mir direkt sagen, dass ich verschwinden soll. Notfalls kann er mir immer noch eine reinhauen. Aber ich glaube nicht, dass er einer von diesen Typen ist. Er kommt mir ziemlich entspannt vor, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun.

"Was willst du eigentlich von mir?", fragt er schließlich, als er vor einer ziemlich hässlichen Hütte stehen bleibt. 

"Ich möchte dich kennenlernen. Aber ich schlage vor, du schläfst dich aus und wir trinken morgen was zusammen?"

Er wippt mit dem Kopf hin und her. "Na gut. Morgen. Gleicher Ort, gleiche Zeit. Geh nach Hause und pass auf dich auf.", meint er. 

Auf einmal schwingt die Tür der Hütte auf und ein großer, muskulköser Mann tritt heraus.

"Zayn, verdammt, wo warst du so lange? Hast du wieder eine teure Jacke geklaut?"

"Nein Dad...", meint er kleinlaut. Ängstlich weiche ich ein paar Schritte zurück in die Dunkelheit.

"Warum nicht? Wir brauchen das Geld, das weißt du doch! Jetzt komm schon rein du Nichtsnutz, oder willst du draußen schlafen?", brummt er. 

Mich hat er anscheinend nicht bemerkt, denn er knallt sofort nachdem Zayn die Hütte betreten hat, die Tür zu. Nachdenklich gehe ich wieder zurück zum Hotel. Dabei wollten zwei Sachen nicht aus meinem Kopf verschwinden. Einmal, dass ich morgen mit Zayn was trinken gehe und ihn hoffentlich besser kennenlerne und zweitens dass sein Dad glaubt, er habe die Jacke gestohlen, obwohl ich sie ihm geschenkt habe. Das muss ich auf jeden Fall noch hinterfragen.

A New Hope? *PAUSED*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt