Thranduil
Die nächsten Tage vergingen quälend langsam und ich war nicht weniger verzweifelt. Ohne mein Augenlicht war ich ein Nichts. Zwar waren alle Sinne der Elben schärfer wie bei allen anderen Völkern, doch das Sehen war der wertvollste von ihnen. Anhand des Aussehens konnte man Personen einschätzen und sich ein erstes Bild von ihnen machen. Das war vor allem für mich als König wichtig. Doch jetzt, wo ich nichts als Schwärze sah, konnte ich das nicht mehr. Dies war auch der Grund, warum ich nur Feren und Brethil, der Heiler, der sich während meiner zweiwöchigen Ohnmacht um mich gekümmert hatte, zu mir ließ und das auch nur sehr selten. Feren hatte von mir den Auftrag bekommen, mich zu vertreten. Niemandem sonst hätte ich diese Aufgabe anvertraut, bis auf Legolas. Er war natürlich erste Wahl, da er mein Nachfolger war, sollte ich eines Tages durch ein Schwert sterben oder in den Westen segeln. Doch da Legolas den Düsterwald seit Beginn des Ringkrieges nicht mehr betreten hatte, blieb nur noch Feren. Und es hatte den Anschein, als würde er diese Aufgabe gut meistern, soweit ich das von meinem Zimmer aus mitbekam. Aber das war nur eine minimale Erleichterung für mich. Selbstzweifel nagten jeden Tag und jede Nacht an mir und ich wollte es einfach nicht wahr haben, dass ich nie wieder würde sehen können. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, hoffte ich, dass das alles nur ein Albtraum war, ich aufwachen würde und alles wäre normal, aber immer wieder wurde diese Hoffnung durch die Schwärze, die das Einzige war, was ich sah, zunichte gemacht. Diese Dunkelheit war nun mein Begleiter. Für immer. Dadurch, dass ich mein Augenlicht verloren hatte, waren meine anderen Sinne empfindlicher geworden. Ich hörte jedes einzelne Blatt in den Bäumen, wenn der Wind hindurch wehte, roch den süßen Duft der ersten Sommerblumen im Palastgarten, obwohl dieser sich nicht gerade nah an meinem Gemach befand und spürte die einzelnen Fäden meines Betttuches, wenn ich langsam darüber strich. Inzwischen hatte ich es auch geschafft, mich zum Fenster zu tasten, denn schließlich wusste ich ganz genau, wie es in meinem Zimmer aussah. Lange stand ich am Fenster, ließ die Geräusche und Gerüche auf mich wirken und versuchte, mir vorzustellen, was draußen gerade vor sich ging. Anhand der Vögel, die draußen in den Bäumen lebten, wusste ich, ob es Tag oder Nacht war, aber ansonsten hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Die Tür öffnete sich und Feren trat ein. Inzwischen konnte ich hören, dass er es war, da er, im Gegensatz zu Brethil, immer ein Schwert an seinem Gürtel trug und ich dieses leise gegen sein Bein schlagen hörte, wenn er lief. Nachdem Feren, die Tür wieder geschlossen hatte, herrschte erst einmal Stille und ich spürte Ferens verwirrten, aber auch besorgten Blick auf mir. ,,Hat es dir die Sprache verschlagen oder warum stehst du noch immer vor der Tür und starrst mich an, Feren?", fragte ich, drehte mich aber noch nicht um. ,,Woher wisst Ihr, dass ich es bin?", fragte Feren schließlich erstaunt. Ich drehte mich um und sah zu ihm, oder zumindest dorthin, wo ich seine Stimme gehört hatte. ,,Dein Schwert verrät dich", sagte ich und versuchte, mir meine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. ,,Ich höre ein leises, metallisches Klirren, wenn es gegen dein Bein schlägt, während du läufst. Brethil trägt kein Schwert bei sich, also konntest es nur du sein." Kurz sagte Feren nichts. ,,Das ist...erstaunlich...", meinte er schließlich, ,,Selbst ich höre dieses Geräusch kaum und auch nur, wenn ich darauf achte. Es grenzt an ein Wunder, dass Ihr es hört." ,,Ach hör doch auf von erstaunlich und Wunder zu sprechen", sagte ich leicht wütend, ,,Es wäre erstaunlich und ein Wunder, wenn ich plötzlich wieder sehen könnte." Langsam tastete ich mich an der Wand entlang zurück zu meinem Bett und setzte mich, nachdem ich es unfallfrei erreicht hatte. Draußen auf dem Gang vor meinem Gemach hörte ich Schritte, die vor meiner Tür stoppten. Die Schuhe der Person schienen eine weichere Sohle zu haben, wie Ferens oder meine Schuhe, woran ich erkannte, dass Brethil vor der Tür stehen musste und gerade klopfte. ,,Komm herein, Brethil", sagte ich leicht genervt, worauf sich die Tür öffnete. ,,Woher wusstet Ihr, dass es Brethil war?", fragte Feren erstaunt. ,,Die Sohlen seiner Schuhe sind weicher, wie deine oder meine", erklärte ich knapp. Feren wandte sich an Brethil. ,,Gut, dass du da bist, Brethil", sagte er, ,,Kannst du dir erklären, warum er Dinge hört, die selbst wir kaum wahrnehmen?" Brethil schwieg. Offenbar überlegte er. ,,Hm...ja, ich glaube, ich kenne den Grund", meinte er schließlich, ,,Dadurch, dass Ihr...Euer Augenlicht verloren habt, sind Eure übrigen Sinne schärfer geworden, mein König." Ich sagte nichts. Das hatte ich selbst schon bemerkt, doch was nützten mir noch schärfere Sinne, wenn ich den wichtigsten Sinn verloren hatte? ,,Habt Ihr noch Kopfschmerzen?", fragte Brethil und brach das Schweigen, welches entstanden war. ,,Nein", antwortete ich knapp. ,,Wie fühlt Ihr Euch sonst?", fragte der Heiler weiter. ,,Wie würdest du dich fühlen, wenn du nichts als Schwärze sehen würdest!?", fuhr ich ihn an. Ich war dieses ständige Fragen nach meinem Wohlbefinden leid. Sowohl Brethil, als auch Feren kannten die Antwort, warum also fragten sie ständig? Auch hatte ich genug davon, dass die beiden mir ständig bei allem möglichen helfen wollten. Ich wusste, dass es nur gut gemeint war, aber es lag einfach nicht in meiner Natur, bei allem was ich tat, auf Hilfe angewiesen zu sein. Dazu stand mir mein Stolz im Weg. ,,Braucht Ihr sonst noch Hilfe bei etwas?", fragte Brethil. Diese Frage brachte das Fass zum Überlaufen. ,,ICH BRAUCHE KEINE HILFE!!!", fuhr ich Brethil und auch Feren mit vor Wut lauter Stimme an, ,,BEI NICHTS UND VON NIEMANDEM!!! UND JETZT GEHT! ALLE BEIDE!" ,,Aber mein König, Ihr könnt doch unmöglich alleine...", setzte Feren an, wurde aber von meiner lauten Stimme unterbrochen. ,,ICH SAGTE VERSCHWINDET!!!", donnerte ich und stand drohend auf. Ich hörte die schnellen Schritte der beiden Elben, kurz darauf die Tür, wie sie geöffnet und wieder geschlossen wurde und schließlich die Schritte Ferens und Brethils die sich schnell entfernten. Jetzt war ich alleine. Endlich. Doch ich spürte keine Erleichterung, nicht einmal eine minimale. Denn jetzt kamen die Selbstzweifel wieder zurück, die ich durch meine Wut für eine kurze Zeit verdrängt hatte. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen traten und über meine Wangen rollten. Egal, wie sehr ich versuchte, dies zu verhindern, es klappte nicht. Tränen bedeuteten Schwäche und das wollte ich auf keinen Fall zeigen, doch eigentlich war genau das der Fall. Ich ließ mich still weinend zurück ins Bett fallen. Ich war schwach, schon seit dem Tod meiner Frau war ich das. Aber ich war äußerlich stark geblieben, um Legolas Willen. Aber jetzt, nachdem ich mein Augenlicht, den wichtigsten aller Sinne, verloren hatte, konnte ich diese Fassade einfach nicht wahren. Und nun lag ich hier, weinend und zusammengekauert auf meinem Bett. Ich war ein hilfloses Häufchen Elend.
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Hurt by Fire ⚜A Middleearth Story| Book 1⚜
Fantasía,,Ihr seid erblindet!" Dieser Satz lässt Thranduil verzweifeln. Was soll er jetzt, als blinder Elb und noch schlimmer als blinder König, tun? Selbstzweifel lassen ihn Tag und Nacht nicht mehr los und schließlich läuft es sogar darauf hinaus, dass er...