Oropher

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Legolas
Mehrere Wochen waren vergangen und Vater ging es wieder besser. Er aß wieder regelmäßig, wodurch er nicht mehr ganz so mager war und gestritten hatten wir uns auch nicht mehr. Allerdings bemerkte ich, dass ihm der Verlust seines Augenlichts noch immer zu schaffen machte, insbesondere seelisch. Nicht selten stand oder saß er am Fenster und starrte hinaus, auch wenn er nichts sah. Wenn ich ihn fragte, woran er dachte, sagte er meist nur, er versuche sich vorzustellen was draußen passierte. Wie sehr er doch das Sehen vermisse, fügte er oft noch etwas leiser hinzu. Gerne würde ich ihm helfen, aber Gimli, von dessen Aufenthalt mein Vater inzwischen erfahren und diesen schließlich auch genehmigt hatte, und ich hatten alle Bücher in der Bibliothek zu den Themen Heilung, Magische und heilende Pflanzen und Zauber aller Art durchsucht. Jedoch war unsere Suche erfolglos geblieben.

Es war mitten in der Nacht, als ich sanft wachgerüttelt wurde. ,,Legolas", flüsterte eine, mir unbekannte Stimme. Wer war das? Sicherheitshalber griff ich, so unauffällig wie möglich, nach dem Dolch, der immer unter meinem Kissen lag. Als Prinz sollte man lieber auf Nummer sicher gehen. Noch einmal rüttelte die Person mich an der Schulter. Diesmal reagierte ich und zwar blitzschnell. Ich saß mit einem Mal kerzengerade im Bett und hielt den Dolch fest mit der Hand umschlossen. Die scharfe Schneide zeigte auf die Person. ,,Wer bist du und was willst du hier?", fragte ich mit fester Stimme und musterte die Person. Es war ein großer Elb, der von einem leichten, weißen Licht, wie eine Aura, umgeben war. ,,Es ist wirklich ein Jammer, dass wir uns noch nie sahen", sagte der Elb mit klarer Stimme, ,,Denn eigentlich sollten Großvater und Enkel miteinander vertraut sein." ,,Was soll das heißen?", fragte ich etwas verwirrt. ,,Ich bin Oropher, ehemaliger König der Waldelben, Erbauer der Hallen, die du dein Heim nennst, Vater deines Vaters Thranduil und somit dein Großvater", erklärte der Elb. Ich betrachtete ihn genauer und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das hellblonde, lange Haar, die hellblauen Augen, die feinen Gesichtszüge und die starke, majestätische Ausstrahlung. All das war meinem Vater und auch mir so ähnlich, dass alle Zweifel, der Elb könnte nur ein Lügner sein, verschwanden. Ganz zu schweigen von dem Gefühl einer tiefen Verbundenheit mit ihm und der Tatsache, dass er ein Ebenbild von mir zu sein schien. Naja, eigentlich war ich ja wohl viel mehr sein Ebenbild. ,,Großvater?", fragte ich trotzdem noch ungläubig und ließ den Dolch sinken, ,,Aber...du bist tot..." ,,Ich weiß", entgegnete Oropher, ,,Und deshalb haben wir nicht viel Zeit. Ich weiß, was meinem Sohn widerfahren ist und ich weiß ihm zu helfen. Aphado nin, Legolas. (Folge mir)" Mit diesen Worten ging er zur Tür und...verschwand durch diese, ohne sie zu öffnen. Er ging einfach durch sie hindurch. Zögernd stand ich auf und öffnete die Tür. Davor stand Oropher und sah mich erwartungsvoll an. ,,Du bist...", setzte ich an. ,, ...sagen wir ein Geist", beendete mein Großvater seufzend den Satz. Dann nickte er in eine Richtung. ,,Tolo (Komm)", sagte er und lief los. Ich folgte ihm, den Dolch vorsichtshalber noch immer in der Hand. Wer konnte schon wissen, ob das hier nicht auch irgendeine böse Hexerei war. Schließlich betraten wir die Bibliothek. Hier war es ebenfalls so gespenstisch still wie überall in den Hallen. Oropher lief zielstrebig zu einem der riesigen Regale, welches in eine Wand eingelassen war. Dort standen Bücher über die Geschichte Mittelerdes und des Waldlandreiches, sowie über dessen Königsfamilie. Mit den Augen suchte Oropher das Regal ab, bis er das Buch gefunden zu haben schien, das er suchte. Auf dem Buchrücken stand sein Name. Er kippte das Buch nach hinten und ein leises Klack ertönte. Dann trat er einen Schritt zurück und ein Teil des Regals öffnete sich, als wäre es eine Tür. ,,Hiervon weiß niemand, noch nicht einmal Thranduil", erklärte mein Großvater und lief dann in den dunklen Gang, der sich hinter dem Regal befand. Ich folgte ihm und erwartete jeden Moment, dass das Regal sich wieder schließen würde, doch zum Glück geschah das nicht, denn sonst wäre in dem Gang so dunkel gewesen, dass noch nicht einmal ich etwas hätte sehen können. Nach einer Biegung endete der Gang vor einer Holztür. Oropher blieb stehen und betrachtete die Tür kurz. ,,Sie ist noch sehr gut in Takt nach solch langer Zeit", murmelte er und wandte sich dann mir zu. ,,Weiter darf ich dich nicht führen", sagte er ein wenig traurig, ,,Aber hinter dieser Tür verbirgt sich, was du suchst." Er nahm etwas aus einer Tasche seines schneeweißen Gewandes. Es war ein Schlüssel aus reinem Gold, der sich aus feinen, verschnörkelten Linien zusammenfügte und an einer Kette befestigt war. ,,Hier ist der Schlüssel", sagte Oropher und übergab den Schlüssel an mich, ,,Merke dir, er ist kein gewöhnlicher Schlüssel, deshalb verwahre ihn gut. Und das was du hinter dieser Tür findest ebenfalls. Es darf nicht in falsche Hände oder an falschen Ohren gelangen, denn Thranduil ist nicht der Einzige, der...so etwas braucht." Ich umschloss den Schlüssel mit meiner Hand. ,,Ich verspreche es", sagte ich, ,,Ich danke dir, Großvater." Oropher lächelte. ,,Thranduil braucht mich, also helfe ich", sagte er. ,,Warum gehst du dann eigentlich nicht zu ihm?", fragte ich. ,,Er muss sich noch immer ausruhen, um wieder vollständig zu Kräften zu kommen, und ich will vermeiden dass ihn die Vergangenheit, die schlimmen Erinnerungen, wieder einholt. Er leidet schon genug und wird es leider auch noch eine Weile...", antwortete Oropher, ,,Er wird es verstehen, wenn du ihm das sagst." Kurz schien das weiße Licht, welches meinen Großvater umgab, und auch er selbst zu flackern. ,,Unsere Zeit ist um, Legolas", sagte er traurig, ,,Es war schön, endlich einmal mit dir zu sprechen." ,,Ja, ich freue mich, dich endlich einmal gesehen zu haben, Großvater", stimmte ich ihm zu, ,,Und ich bedanke mich noch einmal bei dir. Auch in Vaters Namen." Oropher lächelte und legte mir die Hände auf die Schultern. ,,Ich wache über euch, sage das auch Thranduil", sagte er und küsste mich auf die Stirn. ,,Ich werde nie weit entfernt sein", sagte er noch, während er langsam verblasste und schließlich komplett verschwand. Ich starrte auf die Stelle, wo er gerade eben noch gestanden hatte. Dort lag nur noch ein kleiner Zweig mit zwei Buchenblättern und einer Buchecker daran. Ich hob den Zweig auf. ,,Hannon le", sagte ich noch einmal. Ein Wind fuhr sanft um mich herum und, noch bevor ich mich wundern konnte, woher der Wind überhaupt gekommen war, wurde ich plötzlich furchtbar müde. Ich versuchte, gegen die bleierne Müdigkeit anzukämpfen, gab aber kurz darauf auf. Daraufhin fielen mir die Augen zu und ich bemerkte gerade noch, wie ich umfiel, aber von etwas undefinierbarem sanft aufgefangen wurde.

Hurt by Fire ⚜A Middleearth Story| Book 1⚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt