Der Stolz eines Königs...

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Thranduil
Wieder einmal stand ich am Fenster und versuchte, mir vorzustellen, was draußen gerade vor sich ging. Ich hörte, wie die Tür sich öffnete und Feren eintrat, begleitet von einer weiteren Person, die offenbar nicht Brethil war, es sei denn er hatte neue Schuhe. Schon jetzt wurde ich leicht wütend, da ich Feren und Brethil befohlen hatte, erst zu klopfen und auf meine Erlaubnis zu warten, bevor sie eintraten. ,,Wer ist dein Begleiter, Feren?", fragte ich, ohne mich umzudrehen. ,,Besuch für Euch, mein König", erklärte Feren. ,,Ich empfange keinen Besuch", fuhr ich Feren wütend an, drehte mich aber noch immer nicht um, ,,Er soll verschwinden! Sofort!" Allerdings verließ nicht mein Besucher den Raum, sondern Feren. Kurz herrschte Stille. Gerade als ich meine Worte wiederholen wollte, sprach mein Besucher: ,,Ada?" Das konnte unmöglich Legolas sein. Aber er war es. Seine Stimme würde ich unter tausenden erkennen. Langsam drehte ich mich in seine Richtung. ,,Legolas?", fragte ich, da ich es noch immer nicht ganz realisieren konnte, dass es wirklich mein Sohn war, der wieder in seine Heimat zurückgekehrt war. ,,Ja, ich bin es", sagte Legolas. ,,Was tust du hier? Ich dachte du wolltest die Welt erkunden...", fragte ich. ,,Ich weiß und das habe ich auch getan", antwortete Legolas, ,,Aber schließlich hat es mich aus unerklärlichem Grund hierher zurückgezogen. Vielleicht...warst du ja der Grund..." Wie gerne hätte ich Legolas' Gesicht gesehen. Es war jetzt 15 Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen hatte und immerhin war er in einen Krieg gezogen. 15 Jahre waren für Elben keine lange Zeit, aber trotzdem hatte ich meinen Sohn vermisst, auch wenn ich es nicht zeigte. Doch leider konnte ich weder ihn noch irgendetwas anderes sehen und das für den Rest meines Lebens. ,,Setz dich doch und erzähl mir, was du erlebt hast", bat ich ihn und deutete zum Bett, zu welchem ich ging und mich setzte. Ich hörte Legolas, der meiner Aufforderung folgte und sich neben mich setzte.

Legolas
Während mein Vater zu seinem Bett ging und sich setzte betrachtete ich ihn genauer. Es war ungewohnt, dass er mich nicht richtig ansah, wenn wir miteinander sprachen, da er mich mit seinem Blick, aus seinen kalten, blauen Augen, die meinen so gleich waren, sonst immer regelrecht durchbohrt hatte. Doch ich konnte es ihm nicht verübeln, schließlich war er erblindet. Feren hatte mir bereits erzählt, was geschehen war: Seit ungefähr zwei Monat hatte mein Vater sein Augenlicht verloren und es ließ ihn verzweifeln. Offenbar konnte und wollte er nicht begreifen, dass es kein Heilmittel gab und er nun für den Rest seines Lebens in Dunkelheit leben musste. Diese Verzweiflung zeigte sich darin, dass er sein Zimmer nicht verließ, hauptsächlich alleine sein wollte (noch nicht einmal seinen Seelenbruder Feren ließ er zu sich) und seit Anfang dieses Monats vehement das Essen verweigerte. Das sah ich ihm auch an. Seine Wangenknochen traten stärker hervor und seine Finger waren dünner, zudem war er etwas blasser wie zuvor. Doch er versuchte, seine starke Fassade zu wahren. Ich setzte mich also neben meinen Vater auf das Bett und erfüllte seine Bitte, ihm zu erzählen, was ich erlebt hatte. Dabei erzählte ich hauptsächlich vom Ringkrieg und meinen Reisen durch Mittelerde zusammen mit Gimli. Allerdings erwähnte ich weder dessen Namen, noch dass er ein Zwerg war, sondern nannte ihn stets nur mellon. Vater würde nicht verstehen, dass ich mich mit einem Zwerg befreundet hatte. Er hörte interessiert zu, doch ich konnte spüren, dass das ihn nicht gänzlich von seiner Verzweiflung ablenkte. ,,Aber jetzt habe ich genug über mich gesprochen", sagte ich schließlich, ,,Wegen dir bin ich in deine Gemächer gekommen, also sollten wir uns auch mit dir beschäftigen." Die beinahe schon weichen Gesichtszüge meines Vaters verhärteten sich augenblicklich. ,,Was gibt es da schon zu sagen?", meinte er leicht gereizt, ,,Ich habe mein Augenlicht für immer verloren und das wars. Punkt, aus, ende!" Ruckartig stand er auf und ging wieder zum Fenster. Davon hatte Feren auch gesprochen: Starke Stimmungsschwankungen. Von einer Sekunde auf die nächste konnte er wütend werden und einen Augenblick später war er traurig oder einfach wieder schweigsam, wie in letzter Zeit üblich. ,,Weißt du denn, wie das überhaupt passieren konnte?", fragte ich und stand ebenfalls auf. ,,Nein", antwortete Ada, ,,Das letzte was ich weiß, ist, dass ich im Thronsaal war und es plötzlich Aufregung gab. Danach ist alles weg, bis ich hier aus einer Ohnmacht erwachte, meine Sicht für immer in dunkle Schleier gehüllt." Ich schwieg, da ich nicht wusste, was ich daraufhin sagen sollte und stellte mich neben ihn an das breite Fenster. ,,Feren hat mir berichtet, dass du seit Anfang des Monats...das Essen verweigerst", sagte ich nach einer Weile, ,,Und ich frage mich: Warum? Warum hungerst du?" Mein Vater sagte nichts. Ich seufzte. ,,Ada, ich will dir helfen", sagte ich, ,,Aber wenn du weiterhin so...verschlossen bist, funktioniert das nicht. Ich bin dein Sohn. Mit mir kannst du doch sprechen." Mein Vater lachte bitter auf. ,,Du glaubst wirklich, dass du mir helfen kannst?", fragte er, ,,Dann irrst du gewaltig! Gegen Blindheit gibt es kein Heilmittel! Kein Kraut, kein Elixier, kein Zauber! In keinem Volk in ganz Arda!!!" Er hatte sich mir zugewandt und seine Stimme war immer lauter geworden. ,,Bitte beruhige dich, ada", sagte ich beschwichtigend, ,,Ist es sicher, dass es kein Heilmittel gibt?" ,,Noch nicht einmal Galadriel kannte eines", knurrte mein Vater, ,,Ist das Antwort genug?" ,,Antwort ja, aber Beweis nicht", entgegnete ich, ,,Ich werde die gesamte Bibliothek durchsuchen und die von Lorien und Bruchtal noch dazu, wenn es sein muss, nur um ein Heilmittel zu finden." ,,ES GIBT KEINES VERDAMMT NOCHMAL!!!", fuhr Ada mich an, ,,Also hör auf so zu tun, als gäbe es noch Hoffnung!" Kurz schwieg ich, erschrocken über seine Worte. Er hatte die Hoffnung auf eine mögliche Heilung schon aufgegeben, was seine enorme Verzweiflung erklärte. ,,Wenn ich eines im Ringkrieg gelernt habe, dann, dass es immer Hoffnung gibt. Ohne Hoffnung hätte wahrscheinlich keiner diesen Krieg überstanden", sagte ich. ,,Das hier ist kein Krieg", entgegnete Vater bitter. Das Verhalten meines Vaters machte mich ziemlich wütend, doch ich versuchte, meine Wut zu zügeln. ,,Wie soll ich dir helfen, wenn du ständig abblockst?", fragte ich schließlich leicht gereizt, ,,Diese Sache beruht auf Gegenseitigkeit. Aber offenbar hast du vergessen, was Gegenseitigkeit überhaupt ist!" ,,Ich brauche keine Hilfe", zischte mein Vater wütend, ,,Und zudem, wie solltest du oder irgendjemand sonst mir noch helfen können? ... Du kannst gehen!" Ich beachtete seinen letzten Satz nicht, sondern blieb neben ihm stehen. ,,Das war ein Befehl!!!", sagte er laut. Verletzt sah ich ihn an und ich wusste, dass er meinen Blick spüren konnte. Er hatte mir früher öfter Befehle erteilt, aber wenn wir in unseren Privatgemächern über private Dinge gesprochen hatten, hatte er das nie getan. Zwar waren solche Vater-Sohn Gespräche sehr selten gewesen und endeten meistens im Streit, der so lange dauerte, bis einer von uns nachgab, was genaer gesagt bedeutete, dass ich nachgab. Nie hatte ich es geschafft, bei einer solchen Diskussion standhaft zu bleiben, immer hatte mein Vater gewonnen und seinen Willen durchgesetzt. Aber jetzt war plötzlich alles anders. Bemerkte er denn nicht, dass ich mir Sorgen um ihn machte? Sah er in mir etwa gar nicht mehr seinen Sohn, dem er alles anvertrauen konnte, der ihm helfen wollte? Aber offensichtlich hatte mein Vater noch immer zu viel Stolz, um sich helfen zu lassen. Und was könnte ich schon gegen den Stolz eines Königs ausrichten, der zudem bis jetzt immer jede Diskussion gewonnen hatte?

Hurt by Fire ⚜A Middleearth Story| Book 1⚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt