Kapitel 6

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Noch einmal starrte ich mein Spiegelbild an. Meine Haare waren so glatt und wuschelig wie immer, meine Augen mit Wimperntusche betont und meine Lippen blutrot. Dasselbe rot hatte ich auch auf meinen Fingernägeln. Ich drehte mich in dem dunkelblauen kurzen Kleid. Damit man die hässlichen Narben und teilweise noch nicht verheilten Blutergüsse an meinem linken Bein nicht sah, hatte ich schwarze Strümpfe an.

Meine Mutter keuchte und hielt ihre Hand vor den Mund. "Du bist wunderschön mein Schatz." 

Ich lächelte. "Danke, Mam. Aber das ist alles allein dein Verdienst. Du hast mich doch hergerichtet."

Sie verdrehte die Augen. "Ach, das weiß ich doch.", sagte sie und ließ mich alleine. 

Seufzend setzte ich mich auf mein Bett und nahm mein Handy, dass ich in die kleine braune Umhängetasche packte. Als ich meinen Eltern am Donnerstag von der Party erzählt hatte, waren sie sofort Feuer und Flamme. Mein Vater kaufte mir ein neues Kleid, das ich sogar ziemlich hübsch fand. Und meine Mutter erklärte sich dazu bereit mich herzurichten, außerdem bestand sie darauf mich hinzufahren. Das hatte ich Theo auch schon heute in der Schule erklärt. Ich war ausgehbereit und ziemlich aufgeregt. Ich kannte doch niemanden bis auf Theo, Scott, und Jenny. Katie war krank, also blieb Tim bei ihr. Die fünf hatten mich doch tatsächlich in ihren Freundschaftkreis eingeschlossen. 

Ich atmete noch einmal tief durch, ließ meine Krücke in der Ecke stehen und ging nach unten. Meine Mutter erwartete mich schon voller Vorfreude und drückte mir ein Paar ihrer Schuhe in die Hand. Es waren braune Wildlederstiefel, die ich früher nie ausleihen durfte. 

Schnell zog ich sie an, bevor sie es sich noch anders überlegte. Dann schlüpfte ich noch in meinen dunkelgrünen Parka und sah meine Eltern abwartend an, die mich beide beobachteten. 

Mein Vater nahm mich in den Arm. "Ich wünsch dir viel Spaß, komm nicht zu spät."

"Lass sie doch Spaß haben, Benjamin. Du kommst wann immer du willst, hörst du?" Sie sah mir ernst in die Augen und ich nickte.

Meine Mutter zog mich mit zum Auto und plapperte während der anschließenden Fahrt andauernd von ihrer Jugend. Sie benahm sich, als wäre das meine erste Party. Ich war schon auf einigen wenigen Partys gewesen.

Wir hielten an einer kleinen Hütte am See und ich küsste meine Mam auf die Wange, bevor ich ausstieg. Sie wünschte mir noch viel Spaß und fuhr brausend davon.

Theo, der gerade aus der Tür kam, starrte kurz dem Auto nach. Dann wandte er sich mir zu. "Lou, wie schön, dass du da bist."

"Hey." sagte ich und ging auf ihn zu.

"Du siehst echt toll aus." Er musterte mich kurz. "Und du hast dein Krücke zu Hause gelassen."

Ich lächelte. "Ja, naja.. Danke, Theo." Auch ich musterte ihn, wie er so an einem Holzbalken lehnte. Seine dunklen Haare lockten sich vorne und er trug ein graues, langärmliges T - shirt, das sich perfekt an seinen Körper schmiegte. Dazu trug er schwarze Jeans und weiße Sneakers. Er sah immer gut aus.

Er nahm meine Hand und zog mich in das Innere der Hütte. Hinter einer Art Theke bemerkte ich einige Flaschen, die eindeutig nach Alkohol aussahen und überall verstreut standen blaue Pappbecher. Es gab einige Sofas und einen kleinen Tisch auf dem Chips, Popcorn und anderes Knabberzeug herumstand. Die meisten der Leute standen herum und unterhielten sich, einige tanzten, einige saßen auf den Sofas und in einer der hinteren Ecke sah ich einige, die auf dem Boden saßen und so was wie Flaschendrehen spielten. 

"Dahinten ist das Klo und da geht es raus auf die Veranda." Er deutete auf die beiden Türen und zog mich weiter hin zur Theke. "Was willst du trinken? Hier gibt es Baccardi Cola, Vodkalemon, Pina Cola und so weiter.. Such dir was aus."

EisprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt