Kapitel 23

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Am ganzen nächsten Tag, hörte ich nichts von ihm. Es war Mittwoch, früher Nachmittag, als ich mich endlich dazu aufraffte ihm zu schreiben. Meine Eltern waren nicht Zuhause und ich konnte mich einfach nicht auf die blöden Bücher, die sich auf meinem Nachttisch stapelten, konzentrieren. 

Nachdem ich die Nachricht gesendet hatte, guckte ich im Zehnminutentakt auf das Handy. Lange kam keine Antwort. Kurz vor halb vier, als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, erhielt ich eine Nachricht. Er wollte kommen. Mein Herz machte einen Sprung.

Schnell versuchte ich mein Zimmer in Ordnung zu bringen und ging ins Badezimmer um meine Haare zu kämmen. Dann klingelte es auch schon und ich schnappte meine Krücke und lief die Treppe nach unten. Als ich die Tür öffnete, stand Theo am Türrahmen gelehnt und ich lächelte schüchtern. "Hey."

Er erwiderte mein Lächeln schwach und kam auf mich zu um mir einen kurzen Kuss zu geben. Ich bat ihn reinzukommen und er zog sich Schuhe und Jacke aus. Dann folgte er mir nach oben in mein Zimmer. Er war still, sagte nicht viel. 

In meinem Zimmer angekommen, setzten wir uns nebeneinander auf das Bett. Ich räusperte mich. "Theo.."

Stumm blickte er mich an. Seine Augen wirkten dunkel und fragend. Ich wusste, er wollte wissen was los war. Ich konnte ihm das mit meinem Bein nicht sagen und die Wahrheit über den Vorfall an der Eisbahn auch nicht. Ich wollte ihn nicht verlieren. 

Also sagte ich nur die halbe Wahrheit. "Am Montag auf der Eisbahn.. das.."

Er hob eine Augenbraue. "Ja?"

Ich holte tief Luft. "Das war, weil ich selbst so gerne eisgelaufen wäre. Ich habe die Krücke schon einige Monate und ich bin früher wirklich gern.. eisgelaufen. Ich hab mich geschämt, weil es total übertrieben war, so zu reagieren. Es tut mir so leid, dass ich das mit dem Handy gesagt habe. Das war einfach nur idiotisch."

Theo biss sich auf die Unterlippe und senkte seinen Blick. "Ich hätte nicht so reagieren dürfen. Ich hab mich gestern einfach nicht gemeldet. Ich war so sauer."

"Ich weiß und es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen."

"Vermutlich, aber.." Er seufzte tief. "Schon okay. Nur lüg' mich das nächste mal nicht an."

Ich lächelte leicht. "Okay."

"Danke."

Ich lehnte mich zu ihm hin und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, den er sofort erwiderte. Seine Lippen waren warm und weich und ich mochte es, wie er näher rückte und seine Finger über meine Wange gleiten ließ. 

Als wir uns voneinander lösten, lächelte ich leicht. Ich liebte es ihn zu küssen. 

Theo nahm meine Hand in seine strich mit dem Daumen über meinen Handrücken. "Bist du okay?"

"Mehr als das." Ich lachte und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. 

Wir saßen noch eine Weile auf dem Bett, dabei sagten wir nicht viel, sondern genossen die gemeinsame Zeit. Wir waren aneinander gekuschelt und spielten gegenseitig mit unseren Fingern. Schließlich gingen wir nach unten in die Küche und machten uns heißen Kakao. Wir setzten uns an den Küchentisch und aßen dazu Schokoladenkuchen, den meine Muter gemacht hatte. Es war gemütlich.

Später, als meine Mutter nach Hause kam, gingen wir wieder nach oben in mein Zimmer. Wir machten ziemlich viel rum, was schön war. Nach einer Weile brannten allerdings meine Lippen und mein Haar war zerzaust. Theo musste mal, also verschwand er in meinem Badezimmer. Ich lag währenddessen auf meinem Bett und starrte auf die Decke. Es war einfach so schön. Ich mochte ihn so schrecklich gerne. Er tat mir gut. 

Bevor er zurückkam, wies ich ihn an einen Lippenpflegestift in meinem Badezimmerschrank zu suchen. Meine Lippen brannten nämlich ziemlich. Als ich daran dachte, wie er meine Tamponschachteln finden würde, verkniff ich mir ein leichtes Lächeln. Es war mir gar nicht peinlich. Nicht vor ihm. Das war anders mit Alexis. Vor dem hatte ich mich immer geschämt.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Theo laut keuchte und anschließend in mein Zimmer kam. Er sah etwas durch den Wind aus und fuhr sich durch das dunkle Haar. "Lou?" Seine Stimme klang leise, fast ängstlich.

Ich musterte ihn. "Ja?" 

"Was ist das da drinnen?"

Verwirrt stand ich von meinem Bett auf und folgte ihm in mein Badezimmer. Eine der Schranktüren war geöffnet. Darin standen reihenweise Schachteln und Dosen verschiedenster Medikamente. Schmerzmittel, Entzündungshemmer, Vitamintropfen, Salben, Verbände. Mein Badezimmerschrank war besser ausgerüstet als jede Apotheke. An der Innenseite der Schranktür hing eine Tabelle. Dort war aufgelistet wann ich was nehmen musste, morgens, mittags, abends. Es waren nicht mehr all zu viele Medikamente, die ich täglich nehmen musste. Die meisten waren nur für den Notfall. Vor einigen Monaten sah das noch anders aus. Trotzdem schluckte ich und drehte mich langsam um zu Theo. Ich zwang mich dazu ihm in die Augen zu sehen. "Was ist?"

Theo lachte. Es war kein nettes Lachen. "Ich frage dich, was das ist. Was sind das für Medikamente, Lou?" 

"Die meisten davon sind nur für den Notfall. Falls ich Schmerzen habe."

"Warum so viele?"

Ich legte meinen Kopf schief. "Was meinst du?"

"Lou, ich hatte selbst mal ein Bein gebrochen. Den Gips hatte ich für vier Wochen, dann noch zwei weitere Wochen Krücken. Ich nahm ein einziges Medikament."

"Ich hab nie behauptet, dass es bloß gebrochen war."

Theo schluckte, ich sah wie sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. Als er jetzt sprach, flüsterte er. "Was ist mit dir passiert?"

Ich blieb stumm, aber ich wandte mich nicht ab. Ich hielt seinem Blick stand. 

Er schnaubte leise und wandte sich von mir ab. "Alles klar."

"Theo.."

"Nein, sag nichts. Ich hab verstanden."

Ich ging auf ihn zu und wollte ihm meine Hand auf die Schulter legen, doch er fing sie mit seinem Unterarm ab. "Ich denke, ich sollte jetzt besser gehen."

"Theo, bitte."

Er schüttelte den Kopf. "Wir sehen uns." Dann drückte er mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund und ließ mich stumm wie eine Säule im Durchgang zu meinem Zimmer stehen. Unten hörte ich wie die Haustür zu fiel und ich zuckte zusammen. Ich seufzte. 

Ich setzte mich auf mein Bett und starrte auf den dunkelblauen Teppich zu meinen Füßen.  Meine gepunkteten roten Socken blickten mir entgegen. Ich wackelte mit den Zehen meines rechten Fußes und versuchte mich daran zu erinnern, wie es sich anfühlte richtig laufen zu können. Ohne jegliche Hilfe und so lange und schnell wie ich wollte. Ich versuchte mich daran zu erinnern wie es sich anfühlte, auf dem Eis zu stehen. Das Geräusch der Kufen auf dem Eis, der Wind in den Haaren und das Gefühl etwas besonderes zu sein. Ich vermisste das Eislaufen, als wäre es ein Teil von mir, ein Teil so wichtig wie mein Herz oder meine Lunge. Und dieser Teil fehlte, ersetzt durch einen dunklen, kalten Teil, der schmerzte wann immer ich daran dachte. 

Eine einsame Träne rann mir über die Wange. Ich hatte Theo schon wieder verletzt. Ich hatte es in seinem Blick gesehen. Ich hatte ihm weh getan und das schmerzte mich beinahe mehr als alles andere.

EisprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt