Kapitel 18

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Maureen
Ich war zwar noch nie übermäßig schüchtern gewesen, war aber über die letzten paar Monate schon deutlich zurückhaltender geworden und so wunderte ich mich auch über mich selbst, als ich Luke - plötzlich und ohne überhaupt noch einmal eine Sekunde lang darüber nachzudenken - nach seiner Nummer fragte. Oh Gott! Hoffentlich fasste er das jetzt nicht sonst wie auf. Ich mein, so eine Frage konnte man auf mehrere Arten auslegen und ich hoffte, er entschied sich für die richtige - nämlich die freundschaftliche. Und als ob das Ganze noch nicht peinlich genug gewesen wäre, setzte ich auch noch ein:
"Wir können ja mal was zusammen machen, also nur, wenn du möchtest", hinterher. In der Sekunde, wo dieser Satz meinen Mund verließ, spürte ich auch schon, wie das Blut mir in die Wangen schoss und ich wahrscheinlich so rot wurde, wie eine überreife Tomate ...
Ich war wirklich einfach nur so schrecklich froh darüber, dass Luke anscheinend ein Typ war, der solche unangenehmen Situationen für einen nicht noch unangenehmer machte, sondern einfach weitermachte, als wäre gar nichts passiert und mir mein Handy aus der Hand nahm, um seinen Kontakt einzuspeichern. Als ich bemerkte, dass er sich selbst unter 'Breadstick' in mein Kontaktebuch eingetragen hatte, konnte ich nicht anders, als leicht zu grinsen. Schien so, als würde sich dieser Spitzname durchsetzen. Als er es mir wieder zurückgab, erklärte er mir entschuldigend, dass er sein Handy in seinem Auto gelassen hatte - weshalb ich ihn später einfach anschreiben sollte, damit er meine Nummer ebenfalls erhielt. Daraufhin nickte ich ihm einfach lächelnd zur Bestätigung zu und sagte ihm, dass ich dann jetzt langsam mal nachhause musste.
Diesmal war Luke derjenige, der nickte und ebenfalls aufstand, um mir zu folgen und mich auf dem Rückweg zu begleiten. Was ja kein Problem darstellte, denn immerhin musste er ja irgendwo in der Nähe der Starbucks-Filiale geparkt haben.
Es war mittlerweile schon echt dunkel und so klischeehaft und peinlich es auch war - ich hatte panische Angst im Dunkeln. Woher die kam, wusste ich selbst nicht, es war einfach so. Ich gab mir echt verdammt Mühe, diese Tatsache zu überspielen und Luke nicht merken zu lassen, aber ohne das ich etwas dagegen tun konnte, rückte die ihm immer dichter auf die Pelle. Ich bemerkte das auch erst gar nicht, aber als ich dann schließlich seinen Arm mit meinem berührte fiel mir auf, wie verdammt nahe ich doch neben ihm ging. Ich WOLLTE ja wirklich gern von ihm abrücken, aber ich KONNTE einfach nicht, da meine Angst einfach zu groß war. Meine Feigheit konnte ich so nun wohl nicht mehr vor ihm verstecken. Oder aber er dachte jetzt, dass ich was von ihm wollte. Oh weia - das waren beides keine besonders schönen Möglichkeiten ...
"Hast du Angst?", Lukes angenehme, tiefe Stimme durchbrach die Stille, die uns umgeben hatte und ich hätte mich ohrfeigen können. Natürlich musste er das mitbekommen! Er war ja schließlich nicht bescheuert!
"Mhm ...", war meine knappe, gebrummte Antwort und ich starrte angespannt auf den Boden, so, als würde ich peinlichst genau darauf achten, ja in nichts reintreten zu wollen. (Wollte ich auch nicht, davon mal ganz abgesehen, das war hier aber einfach nicht der Punkt).
Ein paar Sekunden herrschte wieder absolute Stille und wir gingen einfach so weiter durch die Dunkelheit, bis sich dann schließlich eine große, leicht kalte Hand um meine schloss und unsere Finger miteinander verschränkte. Im ersten Moment erschrak ich - natürlich, ich war ja hier auch die Schi'sshose, die wie ein kleines Kindergartenkind an Luke dran hing, bis ich dann erst mal realisierte, dass es tatsächlich eben dieser Luke war, der meine Hand in seine genommen hatte und für einen Moment dachte ich nicht darüber nach, was man in eine solche Situation hineininterpretieren konnte, sondern war einfach froh über den Halt, den er versuchte, mir zu geben. Und so drückte ich kurz darauf seine Hand um ihm mitzuteilen, dass es okay für mich war, dass er meine Hand hielt.
"Brauchst du nicht", sagte der große, attraktive Typ, alias Luke neben mir und ich brauchte einen kurzen Moment um zu realisieren, dass sich diese Aussage auf meine Angst bezog. Wäre mir das Alles hier nicht irgendwie so verdammt peinlich gewesen, hätte ich ihn echt niedlich gefunden.
Er war echt ziemlich nett und ich mochte ihn auch ganz gern. Ab und zu warf ich ihm ein paar Blicke von der Seite zu und ich könnte wetten, dass er es bemerkte, aber einfach nur wie immer aus Anstand nichts dazu sagte.
Nach weiteren quälend langen Minuten kamen wir dann schließlich beim Starbucks an, wo wir uns voneinander verabschiedeten. Ich dankte Luke nochmals und lächelte ihn an. Er erwiderte mein Lächeln und sah mir in die Augen, während er mir leise sagte, dass ich auf mich aufpassen sollte. Ich merkte, wie sich augenblicklich meine Augen weiteten und sich die Röte wieder auf meine Wangen schlich, aber ich wollte es mir nicht so anmerken lassen (eigentlich wollte ich mir nie etwas anmerken lassen, was mir unangenehm ist, aber das ist sicherlich normal) und gab es aus diesem Grunde auch einfach zurück, bevor ich ihm zum Schluss noch einmal wank und mich dann auf den Weg zur nächsten U-Bahnstation machte. So, wie immer.
Als ich in die Wohnung trat wurde ich sofort von May begrüßt, die mir quasi in die Arme sprang.
"Ähm ... hey, May. Alles klar?", fragte ich verwirrt und sie nickte nur eifrig mit dem Kopf, was ihre kurzen, pinken Haare zum wippen brachte.
"Ich bin nur grade so super happy, glaubst du gar nicht!"
"Was ist denn los?", erkundigte ich mich, während ich mich aus ihrem Griff entwand und aus meiner Jacke und meinen Schuhen schlüpfte.
"Ähm ..."
"Wie - was, ähm?", ich sah sie verwundert an und hob eine Augenbraue. Mein Bruder Finley kam dazu und ich traute meinen Augen kaum, als er sich hinter May stellte und seine Arme um ihre Taille schlang.
"Ich dachte ... ihr? Wie? Seit wann? Warum sagt mir denn hier keiner was?" Ich dachte erst gestern noch, dass Finley ein Date und May einen One Night Stand hatte. Was ging denn jetzt hier auf einmal ab?
Mein Bruder lächelte mich milde an und May strahlte über das ganze Gesicht.
"Geht schon ein bisschen länger, aber wir wollten es dir noch nicht sagen ...", murmelte mein Bruder etwas verlegen und ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust.
"Und was hat euch dazu bewegt es mir ausgerechnet heute zu sagen, dachtet ihr: 'Oh, hey - Reina kommt heut mega spät nachhause, ist wahrscheinlich todmüde und will einfach nur noch ins Bett denn ihr Tag war echt anstrengend, weil sie ja den Vormittag in der Uni verbracht hat und dann noch eine Schicht bei Starbucks hatte - knallen wir ihr doch an den Kopf, dass ihr Zwillingsbruder und ihre beste Freundin es hinter ihrem Rücken miteinander tun - und das schon seit einer 'ganzen Weile' ' ".
Keine Ahnung, wieso ich mal wieder so kratzbürstig reagierte. Ich konnte es einfach grad nicht ändern.
"Freust du dich nicht für uns?", May zog einen Schmollmund und ich kniff die Augen zusammen und zischte: "Ich dachte, Luke ist doch so dermaßen scharf, den würdest du dir nicht entgehen lassen - und dabei hast du was mit meinem Bruder?"
"Luke?", Finley runzelte die Strin und löste langsam seinen Griff von May. "Wer ist Luke, May?" Warum ich Luke hierbei ins Spiel brachte, wusste ich nichts, der arme Kerl hatte damit gar nichts zu tun, es war nur das erstbeste was mir einfiel, um zu verhindern, dass die beiden glücklich miteinander wurden.
Ich ließ sie einfach stehen, auch wenn es verdammt sche'iße von mir war und ging auf mein Zimmer, knallte die Tür hinter mir zu und warf mich auf mein Bett. Was in mich gefahren war, konnte ich nicht sagen. Ich wusste nur, dass ich mich irgendwie doch schuldig fühlte, weil ich außerhalb von meinem Zimmer nun laute Stimmen vernehmen konnte und wusste, dass May und Finley nun stritten ... Irgendwie wollte ich nicht, dass die beiden zusammen waren, aber andererseits mochte ich es auch nicht, einen von den beiden unglücklich zu sehen.
Wahrscheinlich konnte ich es einfach nicht ertragen, jemanden glücklich zu sehen, während ich in meiner momentanen Situation einfach nur unglücklich war ...
Seufzend nahm ich mein Handy aus meiner Hosentasche, um Luke eine Nachricht zu schreiben:
"Gute Nacht, Breadstick. Danke für den Tag, PS: Jetzt hast du meine Nummer (;" Fast augenblicklich kam seine Antwort:
"Schlaf gut, Maureen", und ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich das konnte, nachdem was ich da jetzt vielleicht zwischen May und Finley angerichtet hatte. Ich beschloss, es einfach morgen richtig zu stellen, jetzt hatte ich darauf keine Lust mehr. Ich war zu erschöpft, schaffte es gerade noch so, mich ins Bad zu schleppen und zu duschen, bevor ich in einen alten Pyjama schlüpfte und ich mich ins Bett haute und ziemlich schnell einschlief.

Caramel Hot Chocolate || l.hWo Geschichten leben. Entdecke jetzt