Freitag - 13:07 Uhr. Noch exakt drei Minuten, bis die Sommerferien anfangen. Die Luft im Klassenzimmer steht, denn draußen sind es mehr als 30°C. In Spanien zu wohnen hat eben doch gewisse Nachteile, wobei die Vorteile eindeutig schwerer wiegen.
Es war nicht leicht für mich, alles hinter mich zu lassen in Deutschland, vor allem meine Freunde, aber doch habe ich mich langsam an die tropische Hitze, viele Touristen und deutlich mehr gutaussehende Jungs gewöhnt. Das einzige Problem, was mir wirklich Sorgen bereitet, ist die Sprache - Spanisch.
Ich war noch nie gut im Erlernen von anderen Sprachen und jetzt sollte ich eine mir bis dato völiig fremde Sprache sprechen, als wäre sie meine Muttersprache. Ich kann es einfach nicht. Ich laufe jeden Tag mit einem Reiseführer durch die Straßen Barcelonas. Ohne, würde ich aufgeschmissen sein.“Fährst du diesen Sommer wieder nach Deutschland?”, fragt mich meine mittlerweile beste Freundin [y/bf/n], die genauso wie ich von Deutschland nach Barcelona ausgewandert ist, allerdings schon Jahre früher.
“Nein. Ich muss Nachhilfe in Spanisch nehmen.”, antworte ich entnervt und verdrehe die Augen. “Ich wäre unendlich gern wieder zu meinen Freunden gefahren, aber leider geht es nicht.”
Stumm akzeptiert sie meine Worte und läuft weiter neben mir her. Es ist schön jemanden zu kennen, der das gleiche durchgestanden hat, wie man selbst. Das hat mir die Angst vor allem vor der neuen Schule etwas genommen.
“Wer wird dich unterrichten?”
Ich zucke mit den Schultern. Mein Bruder hat mir einen Lehrer organisiert und mir bis heute nicht verraten, wie er oder sie heißt oder andere Informationen preisgegeben.
Wir laufen zu mir, wo sie mich letzten Endes verabschiedet und ihren Weg weiter geht. Ich drehe schnell den Schlüssen in der Tür um und schmeiße meine Tasche in die Ecke.
“Cristian? Bist du da?”, rufe ich durch das Haus.
Cristian ist mein Halbbruder, aus Papas früherer Ehe. Er ist Profifußballer beim FC Barcelona. Weil meine Eltern sich auch scheiden lassen haben, bin ich später zu meinem Vater gegangen, weil meine Mutter lieber eine neue Liebe, anstatt ihre Tochter, glücklich machen wollte. Dieser Schritt war nicht leicht für mich, aber zwingend notwendig.
“Wir sind in der Küche!”, antwortet mein Bruder lautstark.
Bestimmt ist wieder seine Freundin zu Besuch und muss für ihn kochen, bevor er das ganze Anwesen in Flammen setzt. Ich mache mich sofort auf den Weg in die Küche und werde dort nicht von Cristian und seiner Freundin, sondern von erstgenannten und einem Kumpel, oder Mannschaftskollegen, oder sonst was, begrüßt.
“Na kleine. Wie wars in der Schule?”, fragt er mich neckisch und grinst mich an.
“Wie immer, die haben viel zu viel Spanisch geredet und alles was ich verstanden habe war bla bla bla Señoritas y Señores bla bla bla Ferien bla bla bla. Und wie wars bei dir, oder euch?”
“Ich frage mich wirklich, was du an Spanisch zu meckern hast. Na ja, Training war wie immer. Mehr war nicht los. Dann ist Marc”, sagt er und zeigt mit einem Finger auf den jungen Mann neben ihm. “mit zu uns gekommen. Er hat sowieso nicht viel zu tun und wird übrigens dein Nachhilfelehrer sein.”
Mit seinen letzten Worten weiten sich meine Augen und meine Luftröhrer drohen sich von selbst abzuschnüren. Innerlich versuche ich mich zu beruhigen, mir einzureden, dass es nur ein weiterer gutaussehender Spanier sei, wie die anderen auch. Aber doch ist alles vergebens.
“Er?”, frage ich immer noch ungläubig und hoffe, dass ich es nicht zu unhöflich übermittelt habe. “Aber ich kenne ihn doch gar nicht!”
Stöhnend verdreht er die Augen und kommt auf mich zu, bevor er meine Hand greift und mich hinter sich her schleift, bis hin zu Marc.