Kapitel 1

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Ich lief durch eine dämmrige Seitengasse Londons. Nebel waberte umher und ich fröstelte vor Kälte. Meine Schritt hallten unnatürlich laut von den Wänden der eng stehenden Häuser wieder und ich fühlte mich unwillkürlich eingeengt. Langsamen Schrittes lief ich die Gasse weiter entlang, doch auf einmal vernahm ich Schritte hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum. Vor mir in kurzer Entfernung stand eine Person! Mein Herz begann zu rasen und in mir stieg Panik hoch, als ich neben der Silhouette der Person auch noch die einer Sense ausmachen konnte. Mein Gesamter Körper schrie danach wegzulaufen, aber ich konnte mich nicht rühren. Ich war erstarrt wie eine Salzsäule. Die Person, der Statur nach ein Mann, mit der Sense machte einen Schritt auf mich zu. Auf einmal blitzten leuchtend grüne Augen auf und mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinab. Ich hatte noch nie in meinem Leben Augen mit so einer Farbe gesehen. Dem ersten Schritt folgte ein zweiter. Er kam immer näher und -
„Holly, es ist Zeit aufzustehen.", riss mich mein Zimmermädchen aus dem Schlaf. Erschrocken fuhr ich nach oben und stieß mit dem Stirn gegen ihren Kopf. Offensichtlich hatte sie sich besorgt über mich gebeugt, als ich nicht aufgewacht war. „Autsch!", rief sie und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf. Auch ich rieb mir über die Stirn, doch meine Gedanken waren noch nicht in die Gegenwart zurückgekehrt. Immer wieder schob sich mir das Bild dieser giftgrünen Augen in die Gedanken. Ich kannte niemanden, der auch nur ansatzweise solche leuchtenden Augen hatte, wo also hat mein Gehirn das nur her? „Ich störe Ihre Grübeleien ja nur ungern, aber Sie sollten sich langsam beeilen und sich anziehen. Ihre Eltern warten im Esszimmer auf sie. Sie müssen Ihnen etwas sehr wichtiges ankündigen." Schweren Herzens schob ich meine Gedanken an den Traum bei Seite und konzentrierte mich auf die Realität. Als ich hörte, dass mir meine Eltern etwas anzukündigen hatten wurde unwillkürlich meine Neugier geweckt. So war ich nun einmal, daran konnte ich nichts ändern. „Ich muss jetzt mal schnell in die Küche. Das Frühstück bereitet sich ja schließlich nicht allein vor.", sagte sie, zwinkerte mir zu und war schon durch die schwere Tür aus Ebenholz gehuscht. Angespornt durch meine Neugier zog ich mich mindestens dreimal so schnell wie normalerweise an, was allerdings nichts heißen muss, denn ich war quasi das Musterbeispiel für Trödelei am Morgen und Morgenmuffligkeit. Eilig schnappte ich mir ein schlichtes dunkelgrünes Kleid aus meinem Kleiderschrank, zog es an und war im nächsten Augenblick auch schon im Badezimmer verschwunden, wo ich mir meine langen, schwarzen Haare zu einer einfachen aber eleganten Flechtfrisur band. Wie jeden Tag durfte auch das alte, silberne Halsband mir einem wunderschönen Smaragd nicht fehlen. Immer noch gespannt, was es denn so wichtiges gab, flitzte ich nach einem prüfendem Blick in den Spiegel auch schon die Flure unseres Hauses entlang. Kurz darauf erreichte ich unser Esszimmer in dem ich auch schon sehnsüchtig erwartet wurde. Als ich eintrat, wies mich mein Vater an, mich auf meinen gewöhnlichen Platz zu setzen. Zusammen mit meiner Mutter nahm er gegenüber von mir Platz. Ich stutzte. Diese förmliche Haltung war äußerst seltsam. Ich wurde leicht hellhörig, denn die Blicke meiner Eltern waren sehr ernst. „Wir haben, wie du sicherlich schon gehört hast einen sehr wichtige Ankündigung zu machen.", eröffnet schließlich meine Mutter das Gespräch und mein Vater nickt zustimmend. „Wie soll ich sagen... du wirst in zwei Wochen schon 23 Jahre alt, -". In mir bahnt sich eine dunkle Vorahnung an. „Du wirst nun einmal auch nicht mehr jünger und ehe wir uns versehen will dich kein Mann mehr haben.", mein Vater machte eine kurze Pause und atmete tief ein und wieder aus als würde er sich versuchen zu beruhigen. „Deshalb haben wir beschlossen, dass es an der Zeit wäre sich nach einem Ehemann für dich umzusehen. Das haben wir bereits getan. Ich denke unsere Auswahl sollte für dich nicht allzu schlimm sein -", mir blieb der Mund offen stehen. Ich sah wie mein Vater weiter redete, aber die gesagten Worte stießen bei mir nicht auf offene Ohren. Soeben hatten sich meine schrecklichen Vorahnungen in die Wirklichkeit gewandelt. Ich sollte verheiratet werden! Mein Vater schien seinen Vortrag beendet zu haben und sah mich nun erwartend an. Ich wusste nicht einmal im Ansatz, was ich auf diese Nachricht antworten sollte. Mir hatte es völlig die Sprache verschlagen. „Schatz, ich weiß, dass das nicht toll ist, aber -", „Was soll das denn jetzt heißen? 'Dass das nicht toll ist'? Nicht toll? Ist das alles? Ihr wollt mich einfach mit einem wahrscheinlich alten, wildfremden und potthässlichen Mann verheirate und das ist nur nicht toll?", unterbrach ich meine Mutter wütend. „Er ist nicht alt und hässlich und wildfremd ist er schon gleich gar nicht. Hast du mir denn nicht zugehört? Du sollst Vincent Phantomhive heiraten!", versuchte mein Vater mich zu beruhigen. Vincent? Vincent Phantomhive? Das konnte nicht sein Ernst sein. Vincent war mein Kindheitsfreund. Wir kannten uns seit ich denken konnte. Ihn sollte ich heiraten? „Vincent?", fragte ich in der Hoffnung mich verhört zu haben nach. „Ja Vincent. Ihr habt euch schon lange nicht mehr gesehen, nicht wahr? Wir haben ihn heute Nachmittag zum Tee eingeladen. Da wird er dir auch offiziell den Antrag machen", eröffnete mir meine Mutter. Ich konnte es nicht fassen. Das wurde ja immer besser! Heute Nachmittag schon? „Aber ich will ihn nicht heiraten! Ich will überhaupt nicht heiraten! Bitte, Mutter, Vater, bitte sagt alles ab. Wenn ihr es wollt werde ich heiraten, aber bitte lasst mich meinen Mann selbst aussuchen." Ich sah sie abwechselnd flehend an, doch beide schüttelten nur den Kopf. „Es ist schon alles arrangiert. Beide Familien sind darüber sehr glücklich, denn so können wir unsere Firmen verbinden und unsere Häuser weiterführen." Diese Nachricht machte die Erschütterung komplett. Alles war entschieden. Einfach über meinen Kopf hinweg. Das war das letzte! Aber ich wusste, dass es mir nichts bringen würde, wenn ich mich jetzt weiterhin beklagte und weigerte, aber ich wäre nicht ich, wenn ich meine Probleme nicht irgendwie gelöst bekäme.

My Life with the UndertakerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt