Abweisung

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Ich steh auf. Ich muss meine Zähne zusammen beißen um nicht vor schmerzen aufzuschreien. Doch ich quäle mich aus meinem Bett und suche etwas, was die Blutergüsse wenigstens ein bisschen überdeckt. Doch es ist Sommer und über 30°, weshalb ich keinen Pullover anziehen kann, dann würde ich nur noch mehr auffallen. Also ziehe ich eine lange Jeans und ein kurzärmliges schwarzes T-Shirt an. Man kann die Blutergüsse an meinen Armen genau sehen, doch ich packe trotzdem meine Schultasche und laufe los. Ich spüre jeden Blick auf meinem Rücken. Jeder einzelne guckt mir hinter her. Ich weiß das sie mich alle mitleidig angucken. Doch ich spüre auch dieses abweisende. Niemand hier möchte etwas mit mir zu tun haben. So als wäre ich ansteckend. Ich balle meine Hände zu Fäusten und die Schnitte von den Glasscherben reißen wieder auf. Ich betrete den Schulhof und setze mich auf eine Bank. Ich bleibe immer bis zum Klingeln draußen. Damit die Flure leer sind. Beim Klingeln laufe ich ins Klassenzimmer. Ich will mich auf mein Platz setzen, doch der Platz neben mir ist nicht leer, so wie sonst immer. Neben mir sitzt ein Junge mit braunen Haaren und dunkelbraunen, fast schwarzen Augen. Augen die mich misstrauisch mustern. Ich bleibe vor meinem Platz stehen. Ich fühle mich beobachtet. Ich konnte spüren wie die ganze Klasse den Atem anhielt und darauf wartete was ich tat. Ob ich raus renne oder stehen bleibe.

"Du kannst dich hinsetzen May, oder hast du jetzt schon Angst vor attraktiven Jungs?", fragte Ashley und ein Mädchen aus ihrer Clique fügte noch hinzu:

"Er ist auch bestimmt kein Alkoholiker!", die beiden lachten. Ich setzte mich hin und rückte beschämt von dem Jungen ab.

Miss. Shanton kam in die Klasse:

"Guten Morgen, wie ihr seht haben wir einen neuen Schüler. Jared ist vor kurzem hier her gezogen. Und jetzt Mathebücher raus!"

Miss. Shanton war noch nie so gesprächig und deshalb mochte ich sie so.

Egal wie sehr ich versuchte mich zu konzentrieren, ich konnte nicht. Jared schaute die ganze Zeit auf die Blutergüsse an meinen Armen. Ich zog meine Jacke an, so das er aufhörte meine Arme zu beobachten. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, das er mich beobachtete.

Nach der Pause stürmte ich in den Physik Raum. Ich setzte mich auf einen freien Platz und behielt die ganze Zeit die Tür im Blick. Hoffentlich kommt nicht gleich noch irgendjemand rein und setzt sich auf den Platz neben mich. Nach 10 Minuten hörte ich auf die Tür zu beobachten. Was nütz das? Zu hoffen das sich niemand neben mich setzt. damit du kein Gespräch mit jemanden anfangen musst? Ich versank in meiner Gedankenwelt, bis Jared rein kam.

"Sorry, musste noch was klären!"

"Jared, willst du dich nicht zu mir setzen?", fragte Ashley. Sie hätte diese Frage eigentlich gar nicht stellen müssen, weil jeder hier im Raum wusste, das Jared "Ja klar!" sagen wird und Ashleys neuer Schoßhund wird. Doch Jared setzte sich neben mich. Ich starrte auf die Tür, mit zusammen gepressten Lippen. 

Wie leicht es jetzt wäre den Raum zu verlassen. Vor allem zu fliehen. Vor den Sachen die dir Angst machen. Es ist leicht zu gehen. Es ist schwierig zu bleiben. Und weil es so leicht ist und ich keine Kraft mehr haben tue ich immer die leichten Dinge. Ich kann die schwierigen Dinge nicht tun. Dazu bin ich zu Kaputt. Es ist leicht zu gehen. Ich stand auf und lief zur Tür. Wenn ich sie öffne, bin ich wieder alleine. Ich wäre alleine und könnte klar denken. Wenn ich sie geschlossen lasse, könnte ich vielleicht dazu gehören. Aber wie lange halte ich es aus die Tür geschlossen zu lassen. Werde ich sie wieder öffnen? Ja, ich werde sie öffnen. Weil ich zu schwach bin um vor allem wegzulaufen. Ob ich sie jetzt oder später öffne ist doch egal. Jetzt wenn alle zusehen oder später, wenn ich alleine bin? Es ist egal. Sie werden eh zusehen, auch später, wenn ich alleine bin. Sie wissen immer alles. Denn diese Angst ist immer da. Diese Traurigkeit wird immer bleiben.

Und niemand sagt was danach passiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt