Küsse

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"Das Essen war wirklich richtig lecker", gebe ich zu, als Ashlee und ich gemeinsam aus dem Restaurant in die dunkle Nacht treten, wobei sie mich vorsichtig an der Hüfte stützt. Mein Fuß hält die volle Belastung bei weitem noch nicht aus.
"Finde ich auch, darum habe ich dich ja auch hierhin eingeladen", antwortet Ashlee und lächelt ein angedeutetes Lächeln.
"Was du übrigens nicht hättest tun müssen", wende ich schnell ein aber sie winkt nur ab.
"Das war ja wohl das mindeste."
Ich schüttle nur amüsiert den Kopf und steige zu Ashlee ins Auto. In Wahrheit gefällt es mir natürlich sehr, dass sie mir so viel Aufmerksamkeit schenkt und, ganz die alten Schule, für uns beide bezahlt hat, trotz Proteste meinerseits.
"Der junge Mann schräg neben uns hat dich übrigens den halben Abend angestarrt", sage ich grinsend, als Ashlee den Motor startet und vom inzwischen geleerten Parkplatz auf die kaum befahrene Straße abbiegt.
"Und seine Freundin hat mich die andere Hälfte des Abends mit Blicken getötet", kichert meine Schülerin nur und ich stoße sie sanft am Arm.
"Hey, es ist nicht sehr nett anderen Leuten den Abend zu verderben!"
"Es tut mir sehr leid. Ich werde mich persönlich bei dieser Frau entschuldigen", lächelt Ashlee und zwinkert mir zu,"solange ich dir nicht den Abend verdorben habe..."
Sofort schüttle ich den Kopf und beeile mich eine Antwort zu geben, bevor sie noch auf vollkommen falsche Gedanken kommen könnte.
"Nein, nein! Natürlich nicht, der Abend war wunderschön! Ich unterhalte mich wirklich gerne mit dir, es lässt mich alle meine Sorgen vergessen."
Ich hoffe inständig, dass das nicht zu kitschig war und warte angespannt, dass Ashlee mir eine Antwort gibt.
Doch kurz darauf spüre ich ihre Fingerspitzen, die vorsichtig meinen Arm nach unten streichen, bis sie meine Hand gefunden haben. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinem Unterarm und ich zittere leicht, während sich unsere Finger verschränken. Jede von Ashlees Berührungen lösen solche Reaktionen in mir aus und sofort bin ich aufgeregt und nervös.
"Das freut mich. Ich hatte gehofft, dass du so etwas sagen würdest."
Ashlees Stimme ist leise und als ich zu ihr hinübersehe, ist ihr Blick nachdenklich auf die Straße gerichtet.
"Warum?"
Auch meine Stimme ist rauer geworden, während ich mit meinem Daumen sanft über Ashlees Handrücken streiche, ganz wie sie das vorher bei mir getan hat.
"Es fällt mir leichter mein schlechtes Gewissen zu ignorieren, wenn es dir durch mich besser geht."
Ihr Kiefer ist bei ihren Worten angespannt, doch ihre Hand in meiner bleibt weiterhin sanft.
"Hast du mich deswegen vor Collin gerettet?", flüstere ich und beobachte Ashlee genau.
Das Mädchen an meiner Seite zieht die Augenbrauen zusammen und presst die Lippen aufeinander. Der Motor heult wütend auf und ich frage mich, ob das gerade wohl schlau war. Immerhin sitze ich mit ihr in diesem Auto. Auch wenn ich jede Sekunde genieße.
"Ich...vor Collin musste ich dich beschützen, ob ich gewollt hätte oder nicht."
Ihre Stimme ist tiefer als gewöhnlich und sie spricht jedes Wort so deutlich aus, als hätte sie es gerade erst gelernt.
"Dass ich jetzt mit dir hier bin, ist meine freie Entscheidung. Und genau wie du, verstoße auch ich gerade gegen sämtliche Regeln."
"Für mich ist das kein Regelverstoß", sage ich leise und sehe geradeaus durch die Windschutzscheibe,"es fühlt sich einfach zu gut an."
"Dann geht es dir wie mir."
Wir sehen uns an und müssen beide lächeln. Und auch das fühlt sich mehr als richtig an.
Nach einer Weile wird der Wagen langsamer und hält schließlich ganz an.
Wir stehen vor meiner Wohnung und ich seufze tief. Der Abend war so schön und darum auch viel zu kurz.
"Würde es dich trösten, wenn ich dir sage, dass wir uns morgen in Englisch sehen?", schmunzelt Ashlee und ich drehe meinen Kopf zu ihr, um in ihre blauen Augen sehen zu können, die im schwachen Licht sanft glänzen.
"Ich will einfach nicht alleine in meiner Wohnung sein", murmle ich und denke an die Stille, die herrschen wird, wenn Ashlee gegangen ist.
"Zumindest hochbringen werde ich dich noch. Mit dem Fuß solltest du keine Treppen steigen."
Ich nicke und wir steigen aus. Bis zur Haustür stützt mich Ashlee noch aber als ich aufgeschlossen habe, hebt sie mich erneut hoch und trägt mich kurzerhand die Treppen bis zu meiner Wohnung nach oben. Dort angekommen lässt sie mich wieder hinunter und ich schließe auf wackeligen Beinen auch die Wohnungstür auf, was nicht zuletzt an Ashlee liegt, deren Hände mich immer noch sanft an der Taille stützen.
"Danke für's Hochtragen und den schönsten Abend in diesem ganzen Jahr", sage ich und öffne die Tür weiter während ich meine Jacke von den Schultern streife. Ashlees Augen funkeln bei meinen Worten und sie tritt einen Schritt in meinen Flur.
"Ich würde gerne noch sicherstellen, dass du heute Nacht auch von etwas schönem träumst."
Mit großen Augen verfolge ich, wie Ashlee mich an den Hüften vorsichtig nach hinten schiebt, bis ich die Wand in meinem Rücken spüren kann. Sie sieht mir noch einmal tief in die Augen, bevor sie einen Zeigefinger unter mein Kinn legt und es sanft nach oben drückt. Ich halte automatisch die Luft an, als sie den Kopf schief legt und ihre Lippen sich meinen bis auf wenige Millimeter nähern. Meine Augen fallen zu und ich schlinge meine Arme um Ashlees Hals, ziehe ihren warmen Körper an meinen.
"Wäre es sehr ungezogen, wenn ich jetzt gehen würde", flüstert Ashlee und ihr Atem kitzelt auf meiner Haut.
"Küss mich, bitte", hauche ich, das Verlangen in mir ist unermesslich groß und die Sehnsucht nach Ashlee lässt mich alles vergessen. Ich will nur sie. Jetzt. Hier.
Zwei quälend lange Sekunden lässt sie mich noch zappeln, doch dann berühren Ashlees Lippen meine und sie küsst mich unendlich liebevoll und zärtlich. Wie bei unserem ersten Kuss scheint alles in mir in Flammen zu stehen und ich bin froh, dass ich an die Wand gepresst bin, denn sonst würden meine Beine vermutlich nachgeben. Dennoch spüre ich unterschwellig, dass Ashlee sich zurückhält um mich nicht zu bedrängen, also drücke ich meine Lippen fordernder gegen ihre und wir verfallen in einen langen Kuss, der mir nicht nur den Atem raubt, sondern mich auch wünschen lässt, dass dieser Moment nie enden möge.
"Ich sehe Sie morgen, Miss Taylor", flüstert mir Ashlee noch ins Ohr, dann fällt die Tür auch schon leise hinter ihr ins Schloss.

With you everything changedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt