DREIUNDZWANZIG - Entschuldigung, Verletzbarkeit und Aufstauung

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DREIUNDZWANZIG

Entschuldigung, Verletzbarkeit und Aufstauung

Erschöpft liege ich bereits im Schlafanzug in meinem Bett, während ich in Gedanken an die Decke starre. Es war ein langer und harter Tag, aber trotzdem wollen meine Gedanken mich nicht in Ruhe lassen, weshalb ich einfach nicht schlafen kann.

Seufzend richte ich mich auf. Mir kommt wieder das Wort Sturheit in den Sinn, das ich vorhin zu Nicholas gesagt habe. Wieso ist mir das bloß herausgerutscht? Sturheit, weil er sich vom Psychologen nicht helfen lassen wollte – das war mein Gedanke. Doch wenn ich näher darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich wieder einmal viel zu schnell geurteilt habe. Es ist keine Sturheit, dahinter steckt viel mehr.

Aus einem Instinkt heraus schlüpfe ich in meine Wollsocken und mache mich auf den Weg zu Nicholas' Zimmer. Kein Weg geht an einer Entschuldigung vorbei.

Nachdem ich schlaue Nuss auf den Gang getreten bin, wird mir erst bewusst, dass das Licht so spät gar nicht mehr an ist und ich keine Ahnung habe, wie ich jetzt Nicholas' Zimmer finden soll. Na super, Nora! Ganz langsam bewege ich mich ein paar Schritte vorwärts. Plötzlich geht ein kleines Licht an der Wand an. Oh, ein Licht mit Bewegungsmelder, immerhin etwas Sinnvolles.

Etwas schneller suche ich die Türen ab, bis ich Nicholas' gefunden habe. Genau wie bei mir steht in großen Buchstaben NICHOLAS auf der Holztür. Ganz leise und sanft klopfe ich.

Was mache ich überhaupt hier? Wenn ich ihn jetzt aus dem Schlaf reiße, hasst er mich noch mehr.

Wer sagt, dass er dich hasst? Nicht direkt hassen, allerdings wird er wohl nach der ganzen Sache mit der angeblichen Sturheit nicht sehr gut auf mich zu sprechen sein.

Gefühlte Minuten später geht die Tür auf, gerade als ich nochmal klopfen möchte. Nicholas steht nur in einer Boxershorts bekleidet vor mir.

„Ähm, kannst du dir bitte ein T-Shirt anziehen?", frage ich, während ich darauf bedacht bin, nicht zu laut zu sein.

„Du klopfst mitten in der Nacht an meiner Tür und das erste, was du zu mir sagst, ist, ich solle mir ein T-Shirt anziehen?", fragt er stirnrunzelnd.

„Ich würde gerne mit dir reden, deshalb."

„Dann komm eben rein", pampt er mich an. Schnell trete ich ein und schließe die Tür hinter mir. Ich sehe mich um, währenddessen zieht der Braunhaarige sich ein weißes T-Shirt über.

Sein Zimmer sieht eigentlich fast genauso aus wie meins. Offenbar sind unsere Zimmer alle gleich eingerichtet.

„Also, was gibt's?", fragt er hektisch.

„Naja ... ich ähm ..."

„Komm auf den Punkt, Nora. Es ist mitten in der Nacht."

„Ich scheine dich ja aber nicht aus dem Schlaf gerissen zu haben, also beruhig dich mal."

„Was?"

„Na, du hast die Balkontür offen", zucke ich mit den Schultern. „Und auf dem Balkongeländer liegt noch irgendetwas, aber ich kann von hier aus nicht erkennen, was es ist. Also warst du wohl auf dem Balkon und hast nicht geschlafen oder?"

„Was bist du denn bitte für eine analysierende Idiotin?", will er mit einem kleinen Anflug von einem Grinsen wissen. Ich weiß, dass er diese Beleidigung nicht ernst meint, es ist einfach sein Humor. 

„Die analysierende Idiotin wollte sich entschuldigen, dass sie vorhin Sturheit gesagt hat. Also du weißt schon ... es ist mir einfach so herausgerutscht."

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