Kapitel 27

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Festgeschnallt, wie wenn ich ein Monster wäre, das man davor bewahren müsste, abzuhauen. So fühle ich mich. Ich habe schon die Nadel in meinem Arm und der Schlauch führt zu einem Beutel mit Flüssigkeit, der sich jede Sekunde seinen Weg in meinen Körper bahnen kann. Ich kann da nichts mehr machen. Newt kann nichts mehr machen. Mary hat das nun alles unter Kontrolle. Sie steht draußen und muss noch ein paar Vorbereitungen treffen, dann wird es so weit sein. Ich werde es nicht vorher wissen, werde es erst bemerken, wenn es so weit ist. Das heißt, jede Sekunde wird meine letzte sein können. Ich weiß nicht mehr, an was ich denken soll, denn es dreht sich alles in meinem Kopf. Die Erinnerungen an mein früheres Leben, die Angst, die ich bei WICKED verspürt hatte und der Hoffnungsschimmer, als ich Newt kennengelernt habe, der dann durch einen dämlichen Crank zunichte gemacht wurde. Ich sehe in seine braunen Augen und starre ihn einfach an. Mit jeder Sekunde wird er verschwommener, da sich die Tränen in meinen Augenwinkeln ansammeln. Ich habe einen solchen Herzschmerz, leide so sehr, dass ich mich wundere, dass ich noch bei Bewusstsein sein kann. Ich liebe ihn so sehr. So sehr. Newt ist mein Traummann. Diese Chance, mit ihm zusammensein zu können und ein tolles Leben mit ihm zu haben, gestohlen zu bekommen, macht mich todtraurig und wütend. Doch auf wen soll ich denn nur wütend sein? Ich kann nur auf mich selbst wütend sein. Wie wäre es denn, wenn er an meiner Stelle hier liegen würde und ich er wäre? Ich könnte das nicht, wenn ich ihm zusehen müsste, wie er sterben würde, könnte ich das noch weniger verkraften als selbst zu sterben. Ich habe es eigentlich leicht. Ich muss niemanden gehen lassen, ich sterbe einfach und dann bin ich schon an einem anderen Ort, wo ich dafür sorgen kann, dass ich über ihn wache und dass ihm nichts passiert. Er muss damit klar kommen, dass ich tot bin und nie wieder lebendig sein werde, er muss sich ein neues Leben aufbauen und er muss verstehen, dass ich ihn all die Zeit über unsterblich geliebt habe und er das nicht wusste. Ich weiß, dass mein Brief ihm das Herz brechen wird, doch ich muss es einfach tun. Er hat die Wahrheit verdient und es würde mir noch schwerer fallen, zu gehen, wenn ich wüsste, dass er nie etwas von meiner Liebe erfahren würde. „Du bist so wunderschön. Ich könnte ewig in deine blauen Augen sehen. Ich will, dass ich abends zu dir komme, dich in Sonnenuntergang stehen sehe, wie du mich anlächelst und dann auf mich zurennst. Glaube mir, ich würde dir beweisen, dass ich ein ganz toller Kerl bin und ich würde es auch noch schaffen, dass du dich in mich verliebst. Wenn du mich richtig kennst, kannst du mir nicht mehr widerstehen", lächelt er, während er das mit zittriger und brüchiger Stimme sagt und meine Hand hält, die eiskalt ist und ebenfalls zittert. Es bricht mir das Herz. Wenn er wüsste, wie sehr ich ihm verfallen bin. Er müsste gar nichts tun, ich würde ihn küssen, nicht mehr loslassen und jede Sekunde, in der er nicht bei mir ist, leiden und mir ausmalen, was wir zusammen unternehmen könnten, wenn wir wieder vereint sein würden. „Davon bin ich überzeugt", versuche ich meine Stimme zu kontrollieren, „ich weiß, du kannst ziemlich überzeugend sein. Ich mag dich wirklich Newt, ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Du bist mir wirklich wichtig ... sehr wichtig ..." Und ich liebe dich! Doch das kann ich nicht sagen. Diesen Satz unausgesprochen zu lassen, ist wie wenn man einem die Luft aus der Lunge pressen würde und ich das Sprechen verlernt hätte. Ich verschränke meine Finger mit seinen und versuche ihm somit nonverbale Signale zu geben, damit er vielleicht versteht, was ich sagen will. Ich kann nicht mehr. Diese Trauer ist nicht auszuhalten. Mein Herz, es schlägt zwar noch, doch es fühlt sich so an, als wäre es nur ein schwerer Kloß, der ohne Bestimmung in meinem Körper liegt und nichts tut, außer mir Schmerzen zu bereiten. Selbst die Tränen wollen nicht mehr richtig kommen, dafür leide ich schon zu viel. Wenn diese verdammte Liebe doch nur nicht wäre. Dann wäre alles viel einfacher und ich müsste nicht so leiden. Ich lasse meinen Blick den Schlauch entlang gleiten, aus dem sich langsam eine hellblaue Flüssigkeit, die schon fast weiß ist, bahnt und anfängt, durch den Schlauch in meinen Körper zu fließen. Alles verkrampft sich in mir. Nein! Ich darf nicht sterben! Ich kann nichts mehr machen. Jemand muss das stoppen! „Newt, bitte tu doch was! Ich will nicht sterben!", heule ich wie ein kleines Baby und klammere mich an ihn. Ich kann ihn nicht verlieren. Ich liebe ihn doch. Newt schluchzt ebenfalls, er versucht sich nicht zurückzuhalten, er lässt seinen Gefühlen freien Lauf und weint, zittert und schluchzt. „May, bitte verlasse mich nicht. Ich muss doch irgendetwas tun können!" Er fängt an, an den Nadeln zu ziehen, doch sie stecken fest, sodass er sie nicht herausziehen kann. „Bitte nicht", flehe ich und lege meine Handinnenfläche an seine Wange. „Du kannst nichts tun. Es ist zu spät. Ich danke dir für alles, doch nun muss ich gehen. Ich ..." Fast hätte ich es ausgesprochen. Diese Worte liegen mir auf den Lippen, doch ich kann sie einfach nicht aussprechen, da ich weiß, wie viel sie zerstören können. Er könnte mich dann jetzt auf keinen Fall gehen lassen. Doch es ist zu spät. Ich merke allmählich schon, wie ich müde werde und mich zwingen muss, die Augen offenzuhalten. So müde ... Doch ich darf nicht einschlafen. Denn dann ist es zu spät. Ich werde, wenn ich diese Augen geschlossen habe, nie wieder in sein Gesicht blicken können, nie wieder seine Augen sehen können und diese Wärme spüren können, dieses wohlige Gefühl, das er in mir auslöst. Ich kann nicht mehr kämpfen. Ich bin zu schwach. Alles schwindet. Kühle Luft umkommt mich und ich fühle mich, als wäre ich auf einmal an einem besseren Ort. Kein Schmerz mehr. Doch alles, an was ich denke und immer denken werde, ist er. Newt.

The Desert Cranks [The Scorch Trials/ Newt FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt