1. Kapitel/Melissa/Tag und Nacht

47 4 0
                                    

Wenn ich am Morgen erwachte so schien jeder Tag wie jeder andere zu sein. Es war dasselbe Licht, das mich weckte, derselbe Regen, wenn es stürmte, derselbe Wecker, der mich lieblos aus meinen Träumen riss, und derselbe Albtraum in dem ich lebte.

Der Tag war mir so fern wie die Wirklichkeit um mich. Leute zogen an mir vorbei, schenkten mir wehleidige Blicke als wüssten sie nicht, was sie sagen sollten, und wappneten sich beschämt wieder ihren Problemen. Problemen. Manchmal ertappte ich mich, wie ich mir ein Leben mit normalen Problemen vorstellte. Aber dafür war es längst zu spät. Eine Chance auf ein normales Leben gab es nicht mehr für mich –

Kalt blies der Wind über meine Tränen als würde er sie trocknen wollen, während sie lautlos meinen Wangen entlangliefen, bevor sie schwer auf den Holzsteg unter mir fielen. Lange schon gab es keinen Unterschied mehr zwischen Tag und Nacht für mich. Wenn ich schlief quälten mich die Gedanken an dich und wenn ich aufwachte musste ich feststellen, dass diese Geister von dir nicht verschwunden waren.

Und doch stehe ich hier ...

War es falsch von mir zu denken, dass eine Welt ohne dich existiert?

Warum hatte ich bloß auf dich gehört, Alexander, und dir geglaubt, dass so etwas möglich wäre?

„Sag es mir ...", wisperte ich und umgriff den Regenschirm fester, der gegen den aufbrausenden Wind kämpfte. Mit tosender Kraft peitschte der eisige Regensturm gegen mich und strich schmerzhaft gegen mein gefrorenes Gesicht. Doch kein Schmerz, den ich empfand, schien so weh zu tun wie der, der in meinen Herzen wütete. „Sag es mir ..."

Ich öffnete meine Augen und blickte auf den Strand. Hilflos sah ich dich breit grinsend vor mir. Nicht wissend was ich sagen sollte.

„Hallo Mel.", sagte Alexander, streckte seine Hand nach mir aus und schaute mich mit seinen sturmgrauen Augen an.

Langsam lief eine Träne über meine Wange.

„Hallo Alex ...", flüsterte ich und lächelte traurig. Sein rechter Mundwinkel zuckte glücklich hinauf und die Erinnerung an ihm verschwand mit dem Regentropfen vor mir.

„Sag mir was ich hier mache?", lachte ich traurig und sah zum Himmel auf. „Ich gehöre nicht hier her." Aus den dunklen Regenwolken brach ein schwaches Licht hervor. „Ich gehöre zu dir.", schluchzte ich und versuchte ein Zeichen zu erkennen, das mir bewies, dass ich doch nicht alleine war.

Ich wartete vergebens.

Enttäuscht sah ich wieder zum Strand wo ich Alexander kurz sah, bevor er wieder verschwand.

„Ich gehöre zu dir." Die Beine unter mir wurden schwach und ich kniete mich hin. Stützend lehnte ich mich gegen das Geländer und drückte den Schirm an mich. Wie ein leises Lied heulte der Sturm und ließ mich alleine mit meinem Leid. Nicht einmal Tag und Nacht würden an meinen Gefühlen zu dir etwas ändern ... „Nur zu dir.", versprach ich leise.

Love to hate youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt