Kapitel 17

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Mir scheint es, als würde mein Herz eine Sekunde aussetzen und ich stoße einen panischen Schrei aus, während ich die Hand wie ein lästiges Insekt von meiner Schulter stoße. Gehetzt stolpere ich durch den Flur und suche nach einem Ausweg. Das eine Zimmer direkt vor mir, da ist ein Fenster.

Meine Atmung ist mittlerweile durch die Anstrengung und Angst stoßweise geworden und mir wird von Zeit zu Zeit schwarz vor Augen. Ich schlucke schwer und versuche, mich zusammenzureißen. Am Fenster angelangt, blicke ich ängstlich nach unten. Erleichtert stelle ich fest, dass sich nicht einmal zwei Meter unter mir das Dach der darunterliegenden Terrasse befindet. Hastig schwinge ich zuerst meine Beine und dann den Rest meines Körpers aus der Öffnung und lasse mich nach unten fallen, wo ich auf den Knien aufkomme. Während ich mich vorsichtig am Rand des Daches herunterlasse, entdecke ich Sam, der sich weit aus dem Fenster heraus gebeugt hat und mir anscheinend folgen will. Kurz stutze ich, da ich in seinem Blick keine Anzeichen von Gereiztheit oder Wut erkennen kann, sondern eher Mitgefühl. Ich schüttle den Kopf, um diesen Gedanken so schnell wie möglich loszuwerden. Selbst wenn er Mitleid mit mir haben sollte, was bringt mir das denn? Trotzdem wird er versuchen, mich zurück zu bringen, wenn ich nicht sofort irgendwie von ihm wegkomme. Ich stoße mich von der Terrasse ab und laufe wieder in den Wald hinein. Dort habe ich die besten Chancen, ihm zu entkommen, besser als auf irgendeiner offenen Straße, auf der sich auch noch Paul befindet, wenn ich Pech habe.

Im Zickzack haste ich zwischen den Bäumen hindurch und versuche, nicht zu stolpern. Mit einem Mal vernehme ich jedoch laute, schnelle Schritte hinter mir und ein Keuchen, das nur von Sam stammen kann. Verzweifelt spanne ich meinen Körper an und beschleunige meine Schritte. Überraschenderweise werden die Geräusche hinter mir tatsächlich nach und nach leiser und sind irgendwann sogar ganz verschwunden. Verwundert schaue ich mich um, jedoch ohne mein waghalsiges Tempo zu verlangsamen. Das ist mein Fehler. Mein einer Fuß verfängt sich in einer Wurzel am Boden und ich pralle unsanft auf den Boden. Im ersten Moment glaube ich, mir nicht weh getan zu haben, einen Augenblick später durchzieht allerdings ein schrecklicher Schmerz mein Bein. Nur knapp kann ich einen Schrei zurückhalten, ein schmerzerfülltes Wimmern lässt sich aber nicht verhindern.

Einen Moment verweile ich am Boden, beide Hände um mein Bein gepresst und die Augen zusammengekniffen. Bis die Schritte wieder näher kommen. Erschrocken reiße ich die Augen wieder auf und suche verzweifelt nach einer Lösung. Aufstehen kann ich gerade vergessen, sobald ich mich auch nur etwas bewegen will, durchzuckt mich ein heftiger Schmerz. Dennoch muss ich hier irgendwie weg und mich verstecken. Panisch schaue ich mich um und suche nach einem Baum oder einem Busch, der mich vor Sam verbergen könnte. Nur einige Meter neben mir entdecke ich ein Gestrüpp und mache mich auch sogleich daran, mich dorthin zu ziehen. Den Schmerz ignorierend arbeite ich mich Stück für Stück voran, indem ich mich mit den Händen in die richtige Richtung ziehe. Gerade rechtzeitig lasse ich mich hinter die Blätter fallen, denn Sam erscheint hinter einem Baum und sieht sich suchend um.

Doch gerade, als er direkt vor mir steht, schaffe ich es nicht mehr, ein schmerzvolles Wimmern zu unterdrücken. Im gleichen Augenblick schlage ich mir beide Hände vor den Mund und beginne erschrocken zu zittern. Nicht einmal die Angst vor Sam kann den furchtbaren Schmerz verdrängen und ich traue mich nicht, die Lage meiner Hände zu ändern, aus Furcht, mich nicht kontrollieren zu können.

Obwohl ich ab diesem Moment komplett still bin, reicht das nicht. Sam hat mich gehört und es wird nicht lange dauern, bis er mich findet. Zitternd presse ich die Augen zusammen und hoffe auf ein Wunder. Darauf, dass Sam vorbeigeht oder mich nicht sieht. Aber dieses Wunder kommt natürlich nicht.

Eine große Hand fasst nach mir und lässt mich, trotz der Hände vor meinem Mund, einen erschrockenen Schrei ausstoßen. Als ich meinen Kopf hebe, blicke ich direkt in zwei warme, braune Augen, die mich erwartend mustern. „Komm schon, steh auf.", fordert Sam und versucht, mich am Arm nach oben zu ziehen. Wieder beginnt mein Bein noch stärker zu schmerzen und ich beiße die Zähne zusammen, während ich mir reflexhaft wieder beide Hände an das verletzte Körperteil presse. Der Junge scheint das Problem zu verstehen, denn er lockert seinen Griff und geht vor mir in die Hocke. „Was ist passiert? Hast du dich verletzt?", fragt er mich nun und seine Stimme klingt besorgt. Ich nicke immer noch ängstlich und zeige zitternd auf mein Bein. Ich traue mich nicht zu sprechen, ich würde wahrscheinlich nur wieder anfangen zu schreien oder so. Vorsichtig lässt Sam mich los und betastet vorsichtig mein Bein und meinen Fuß. Ich trage sowieso keine Schuhe an, also hindert ihn nichts daran, ihn genau zu begutachten. Als er meinen Knöchel berührt, ziehe ich zischend die Luft ein und eine Träne läuft mir die Wange hinunter.

„Ziemlich geschwollen und blau wird es auch langsam. Ich glaube, du hast dir den Knöchel gebrochen. So kannst du keinesfalls laufen, aber hier lassen kann ich dich auch nicht.", murmelt er nachdenklich, wie zu sich selbst, und fährt sich durch die Haare. Einen kurzen Augenblick später sind seine Überlegungen wohl abgeschlossen, denn er legt nun einen Arm unter meine Beine und den anderen an meinen Rücken. Bevor ich weiß wie mir geschieht, hebt er mich hoch und will sich auf den Weg zurück machen. Komischerweise löst das bei mir nicht noch mehr Angst aus, sondern beruhigt mich vielmehr. Ich schiebe das auf meine Müdigkeit und lehne meinen Kopf erschöpft an Sams Oberkörper.

Enttäuschung macht sich in mir breit und weitere Tränen kullern meine Wange hinunter. Ich habe es nicht geschafft. Und mit meinem verletzten Fuß werde ich wohl auch in nächster Zeit keine weiteren Fluchtversuche starten können. Schweigend lasse ich mich von Sam bis zu einem Auto tragen und auf die Rückbank setzen. Langsam schnalle ich mich an und beobachte, wie er sich auf den Beifahrersitz setzt und jemanden anruft. Ich höre jedoch nicht wirklich zu und schaue nur stumm aus dem Fenster, während Paul das Auto erreicht, einsteigt und losfährt.

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Hey :)
ich bin nicht wirklich zufrieden mit dem Kapitel, aber ich hoffe es gefällt euch trotzdem! Würde mich sehr über ein Vote und vielleicht sogar einen lieben Kommentar freuen :)

Wenn die Hoffnung zuletzt stirbt - muss ich dann vor ihr gehen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt