18. Das muss wohl Glück sein

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Es ist unglaublich was Wörter mit einem machen können. Die Tatsache, dass so eine banale Sache, so viel bewirken kann ist wirklich erstaunlich. Irgendwie ist es auch gruselig. Vor allem wenn sie so viele Gefühle auslösen wie Joshs Worte in mir.

Die ganze letzte Nacht bin ich wach gelegen und habe über seinen Brief nachgedacht. Ich glaube mittlerweile kann ich jedes Wort auswendig. Ich habe einfach keine Ahnung was ich jetzt machen soll. Was soll ich ihm sagen wenn ich ihn sehe? Oder soll ich überhaupt nichts sagen?

Kann die Antwort nicht einfach vom Himmel fallen? Das wäre mir wirklich eine große Hilfe. Zumindest habe ich beschlossen heute nicht zur Schule zu gehen. Ich habe das Gefühl dort nicht mehr hinzugehören beziehungsweise hatte ich das noch nie. Ganz egal an welches Ereignis ich zurück denke, es ist kein positives dabei.

Verzweifelt vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen. Alles fühlt sich momentan so an, als würde es mich erdrücken. Die ganzen Ereignisse der letzten Wochen sind einfach zu viel für mich.

Alles was passiert ist kann ich nicht mehr rückgängig machen. Manchmal wünsche ich mir einfach wieder vier Jahre alt zu sein. Damals hat Brain noch gelebt und mein Leben war so unbeschwert, wie es für eine vierjährige gehört.

Ich kann mich noch erinnern wie mir mein Dad das Radfahren beigebracht hat. Meine Mum ist auf der anderen Seite der Straße gestanden und hat mir lächelnd gewinkt, während ich auf sie zu geradelt bin. Brian stand an ihrer Seite und den ganzen Stolz in seinen Augen werde ich nie vergessen.

Er war immer stolz auf mich. Ganz egal was ich getan habe. In Momenten wie diesen, wo mir alles zu viel wird, vermisse ich ihn noch mehr als an normalen Tagen. Ich würde alles geben dafür, dass er wieder leben kann. Er war viel zu jung um zu sterben. Manchmal ist die Welt einfach nur ungerecht. Zu mir leider fast rund um die Uhr. Ich weiß wirklich nicht was ich falsch gemacht habe.

Ich rapple mich von meinem Bett hoch und werfe einen kurzen Blick auf meinen Wecker, der mir sagt, dass ich bereits drei Stunden verschlafen habe.

Nachdem ich mich angezogen habe gehe ich nach unten, wo ich merke, dass meine Mum anscheinend wieder arbeiten ist. Ich sollte mir wirklich ein Beispiel an ihr nehmen. Aber vielleicht erst morgen.

In der Küche muss ich feststellen, dass wir rein gar nichts Essbares mehr Zuhause haben. Wirklich großartig. Und was soll ich jetzt machen? Ich bin immerhin kurz vorm Verhungern. Vielleicht sollte ich einfach irgendwohin frühstücken fahren, dann ist wenigstens mein Bauch glücklich.  

Da ich keine Lust habe mich irgendwie herzurichten, verlasse ich das Haus schließlich in meiner Jogginghose und einem viel zu großen Pulli. Gerade als ich die Tür abschließe wird mir bewusst, dass ich gar kein Auto habe. Dann muss ich wohl mein Rad nehmen.

Genervt hole ich es aus der Garage und fahre los. Die Leute die mir begegnen müssen mich wohl für die größte Pennerin überhaupt halten, so wie ich aussehe. Aber das ist mir momentan wirklich egal. Sollen die doch denken was sie wollen.

Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung wo ich eigentlich hinwill. Ich fahre einfach und schau wo mich mein Weg hinführt. Heute ist es viel kälter, als ich gedacht habe. Man merkt bereits, dass der Winter vor der Tür steht.

Ich hasse den Winter, denn dann fühle ich mich noch einsamer als ich es ohnehin schon tue. Wenn man die ganzen süßen Pärchen auf den Weihnachtsmärkten sieht und heißt es nicht: Weihnachten das Fest der Liebe. Das bringt sich wirklich viel, wenn man alle verloren hat, die man je geliebt hat.

Brian, meinen Dad und Josh. Zum Glück habe ich meine Mum noch. Denn ansonsten würde ich wirklich ganz schön allein dastehen.

Nachdem ich jetzt eine Ewigkeit herumgefahrenbin, mir viel zu kalt ist und mein Bauch wie verrückt knurrt, entscheide ich mich für ein kleines Café, indem ich schon seit Langem nicht mehr war. Ich stelle mein Rad ab und gehe rein.

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