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An: d.brieffreund@gmx.de

Von: jessmitderbuechersammlung@gmx.de

Betreff: Was ist euer Problem?

Nur weil ich gerne lese sehe ich die Realität nicht mehr? Mensch D., Du verhältst Dich schon wie mein Freund. Vielleicht solltest Du erst einmal Deine eigenen Probleme klären, ehe Du in meinem Leben rumpfuschst. Das ist wirklich anmaßend. Was ist nur mit aller Welt los?

Ich will gar nicht böse auf Dich sein, aber wenn Du so tust, als hättest Du nicht ähnliche Probleme, dann möchte ich auch gar nicht nachsichtiger sein. Wir wollten uns von unseren Sorgen erzählen, doch nicht um uns gegenseitig fertig zu machen. Bitte D., ich brauche einen Freund und Niemanden der mir die gleichen Vorwürfe macht, wie mein Ex. Bitte.

Meine neue Wohnung ist wirklich schön, aber es fehlt etwas. Er fehlt mir. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich ihn zurückhaben will, fehlt er mir. Ich bin ihm auch nicht böse. Mittlerweile verstehe ich ihn und das habe ich Dir zu verdanken. Du hast mir die Möglichkeit gegeben, einen Blick hinter seine Fassade zu erhaschen, aber ich denke nicht, dass dieser kurze Blick ausgereicht hat. Er war noch nie der Typ, der mir seine Sorgen anvertraut hat. Er hat mir alles Mögliche verschwiegen. Wenn ich ihm von meinen Gefühlen erzählt habe, dann hat er sich oft darüber lustig gemacht, bis er gemerkt hat, wie sehr er mich damit verletzt. Doch geändert hat das nichts. Für ihn war es immer noch unmöglich mit mir darüber zu reden.

Ich vermisse ihn sehr. Es ist schrecklich, weil ich noch vor wenigen Tagen darauf gehofft hatte, dass er mir endlich einen Grund zum Gehen gibt. Es ist heuchlerisch. Wer weiß, vielleicht vermisse ich auch nur einen Menschen der mich in den Armen hält. Ich fühle mich so alleine, D. Ich will nicht alleine sein. Es ist so still und ich hasse es. Die Bücher helfen nicht. Ganz und gar nicht. In jedem Protagonisten sehe ich ihn, aber auch in jedem Antagonisten. Das ist der Gegner der Hauptperson. Du bist ja noch ein Neuling in der Welt der Bücher, daher wollte ich den Begriff erklären, doch während ich schreibe fällt mir ein, dass es auch außerhalb meiner schrägen Welt den Begriff gibt.

Als Deine E-Mail kam, hab ich endlich wieder aufgehört zu weinen und mich über Deine Nachricht gefreut. Dann war ich wütend, weil Du so anmaßend warst, und jetzt sitze ich wieder hier und heule. Es fühlt sich furchtbar an. Alles ist durcheinander, aber wenn ich es hier niederschreibe, dann scheint sich der Nebel meiner Gedanken zu lichten.

D., ich werde Dir den Gefallen tun. Ich weiß, ich habe am Anfang dieser E-Mail etwas anderes geschrieben, aber ich möchte Dir zeigen, dass ich einsichtig bin. Ich werde die nächsten Tage die Bücher zur Seite legen. Du hast Recht, ich sollte fühlen was gerade passiert.

Danke, dass Du Dich wieder gemeldet hast. Wie geht es Dir und Deiner Freundin, bist Du schon bereit darüber zu reden?

Bis bald Brieffreund,

Jess

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