Kapitel 7

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Die Tage vergingen furchtbar langsam. Meine Mutter gab mir Hausarrest bis meine Klasse wieder da war. Ich nahm es einfach hin. Wo sollte ich schon hingehen? Ich hatte keine Freunde und Frauke war noch in Italien. Mit IHR. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an sie denken musste. Ich vermisste sie. Ich vermisste sich schrecklich. Einfach alles an ihr.

Doch heute würde ich sie endlich wieder sehen. Sie endlich wieder sehen, vielleicht sogar riechen oder gar spüren. Und wenn sich nur unsere Hände streiften. Allein das reichte schon, um meinen gesamten Körper unter Strom zu setzen. Ich war auf dem Weg zur Schule und lief den kleinen Hügel hinab. Gleich würde ich am Parkplatz sein und vielleicht war sie heute wieder zur normalen Zeit in der Schule, sodass ich vorher noch einen Blick auf sie erhaschen konnte. Doch zu meiner Enttäuschung stand ihr Auto bereits auf dem Lehrerparkplatz. Ich setzte mich auf die Bank vor unserer Schule und zündete mir eine Zigarette an. Meine Hände zitterten. Lange war ich nicht mehr so nervös. Wie wird sie auf mich reagieren und wie wird sie sich verhalten, dachte ich. Mir war bewusst, dass sie enttäuscht gewesen sein musste. So habe ich mich schließlich noch nie verhalten. 
"Guten Morgen, Emily.", hörte ich eine Stimme hinter mir, die mich aus meinen Gedanken riss. Als ich mich umdrehte, stand SIE hinter mir. "Guten Morgen, Frau Hinze." 
"Darf ich mich zu dir setzen?" Ich nickte und sah auf den Boden. Mein Herz pochte und alles in mir begann zu zittern. Sie setzte sich direkt neben mich, sodass sich unsere Arme berührten. Frau Hinze machte sich eine Zigarette an und pustete den Rauch wieder aus. Oh Gott. Wie sexy und attraktiv sie das machte. "Also. Dann erzähl mal.", sagte sie plötzlich, sah mich jedoch nicht an. "Was...was meinen Sie?" Natürlich wusste ich genau, worauf sie hinaus wollte. Nun sollte ich ihr erklären, was mein Verhalten auf der Klassenfahrt sollte. 
"Was ist mit dir los? Seit Wochen verhältst du dich äußerst merkwürdig und dann dein Benehmen in Italien? Irgendwas stimmt nicht und ich würde gerne wissen, warum du dich so verhältst." Nun sah sie mir direkt in die Augen. Diese Augen! Was sollte ich jetzt sagen? Nichts ist in Ordnung, weil ich mich in sie verliebt habe? Wohl kaum.
"Ich weiß nicht. Frauke und ich haben einfach zu viel getrunken." Frau Hinze zog eine Augenbraue nach oben und sah mich ernst an. 
"Das ist mir nicht entgangen. Es gab ein Alkoholverbot. Ihr wisst, gegen ein Glas hätte ich nichts gesagt. Aber du und Frauke, ihr habt deutlich eine Grenze überschritten."
Das wusste ich doch. Und es tat mir auch leid. Aber endlich war ich dabei eine Freundin zu finden und habe einfach mit getrunken. Zugleich hat es eben einfach meinen Schmerz betäubt. Weil ich SIE liebe und es jeden Tag so furchtbar weh tut. 
"Es tut mir Leid. Ich war einfach...übermütig. Wahrscheinlich habe ich gar nicht über die Konsequenzen nachgedacht." Ich merkte, dass ihr diese Erklärung nicht ausreichte. "Frauke und ich haben uns zum ersten Mal ganz gut unterhalten. Ich war entspannt und wir haben uns wirklich nichts dabei gedacht." Ihr Blick wurde etwas lockerer und irgendwie auch trauriger. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.
"Natürlich freue ich mich für dich, wenn du eine Freundin gefunden hast. Ich habe durchaus mitbekommen, dass es dir schwer fällt, Kontakte zu knüpfen." Sie legte eine Hand auf meinen Oberschenkel. Plötzlich schoss mir die Röte ins Gesicht und ich starrte auf ihre Hand. Mein Herz, oh Gott. Es war kurz davor zu explodieren. Als ob sie es merkte, nahm sie ihre Hand plötzlich wieder von meinem Bein und schaute verwirrt zum Schulgelände. So als ob sie sich vergewissern wollte, das uns niemand sah. 
"Hör zu, Emily.", sie räusperte sich. "Wir vergessen das Ganze einfach, ok? Aber ich möchte dir eins sagen. Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, dann erzähle es mir bitte. Ich mache mir große Sorgen um dich."
Ohne wirklich nachzudenken schoss es aus meinem Mund und im selben Moment bereute ich es sofort wieder. "Ich bin in jemanden verliebt." War ich jetzt völlig bescheuert? 
Sie sah mich an und ihr Blick ruhte eine Weile auf mir. "Weiß er von deinen Gefühlen?", fragte sie mich. Er? Wieso er? DU bist es. Ich bin verliebt in DICH. Aber warum sagte sie er?  Hieß das, sie hatte absolut keine Ahnung?
"Nein.", hörte ich mich da auch schon antworten. 
"Hm. Das erklärt nun auch dein Verhalten in der letzten Zeit...Emily, ich muss jetzt noch ein paar Vorbereitungen für den Unterricht treffen. Bis wann hast du heute Unterricht?" Ich überlegte einen Augenblick. "Bis zur 6ten Stunde." "Ok, pass auf. Wenn du möchtest, komm danach in meinen Klassenraum und wir können reden. Vielleicht hilft es dir ja ein bisschen." Ok, sie wollte reden. Sie wollte mir helfen. Zwar war ich mich sicher, dass ich ihr nichts von meinen Gefühlen für sie erzählen würde, doch ich hatte die Chance mit ihr zu reden. Alleine. Nur sie und ich. "Ok." Sie nickte mir zufrieden zu und lächelte mich liebevoll an, bevor sie ins Schulgebäude ging. Ich wagte es nicht, ihr hinterher zu sehen. Vielleicht drehte sie sich ebenfalls um und das wäre viel zu auffällig gewesen.

Als ich in die Klasse kam, fiel mein Blick sofort auf Frauke. Sie saß genau vor mir und als ich mich auf meinen Platz setzte, drehte sie sich um. "Psst. Emily.", flüsterte sie mir zu. "Hey." Ich lächelte ihr nervös zu. Wir haben uns seit unserer Ankunft am Bahnhof nicht mehr gesehen und ich hatte ziemlich Angst, sie könnte sauer auf mich sein. "Darf ich mich neben dich setzen? Der Platz neben dir ist doch frei, oder?"  Nervös blickte ich auf meinen rechten Platz und sah sie wieder an. "Klar, neben mir ist frei." Sie schnappte sich ihre Tasche und setzte sich dann neben mich.
"Wie geht es dir?", fragte sie.
"Ganz gut. Und dir?" 
"Auch. Hast du schlimmen Ärger bekommen?" Frauke grinste jetzt und auch ich musste lachen. Irgendwie verstanden wir uns gut und ich war einfach nur erleichtert, dass sie nicht wütend auf mich war.
"Hausarrest. Aber das ist für mich keine richtige Strafe."
"Ich auch. Und ich soll mich bei Frau Hinze und Herrn Fink entschuldigen. Meine Mutter besteht darauf.", sagte sie und rollte mit den Augen.
"Ich hab Frau Hinze draußen getroffen.", kam es aus mir heraus. Mensch, Emily. Halt doch einfach mal deine Klappe.
Jetzt sah sie mich ganz aufgeregt an. "Und? Was hat sie gesagt?"
"Ach, nur dass wir einen Haken und ich hab mich bei ihr entschuldigt."
Sie nickte nur und dann kam auch schon unsere Biologielehrerin in die Klasse.

Die Stunden vergingen wie im Flug und ich dachte die ganze Zeit nur daran, mich mit Frau Hinze zu unterhalten. Ich war tierisch nervös und spielte in Gedanken immer wieder durch, worüber wir wohl reden würden. Auf gar keinen Fall würde ich ihr die Wahrheit erzählen. Niemals!
Ich klopfte zweimal an die Tür und sie bat mich herein.
"Setz dich.", sagte sie. Ich tat wie mir befohlen und setzte mich direkt vor ihr ans Pult. Sie lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. "Hast du den Tag gut überstanden?"
"Ja, es ging.", sagte ich nur. "Und Sie?". Sie lächelte leicht. "Auch. Da ist man eine Woche nicht da und die Schüler denken, sie könnten mir auf der Nase herum tanzen.", lachte sie jetzt. Ich wusste, dass sie streng war. Sie konnte auch ordentlich auf den Tisch hauen. Dennoch konnte man mit ihr scherzen und sie war meistens gut drauf. 
"Nun, du bist ja nicht hier, um mit mir über den Unterricht zu reden. Magst du mir irgendwas erzählen?"
Kurz dachte ich nach. Worüber sollte ich jetzt reden? Ich genoss es gerade einfach mit ihr allein zu sein. Wie sie da saß, ganz locker und entspannt und dennoch ein wenig besorgt.
"Naja....ich weiß nicht so ganz was ich sagen soll." Sie lachte nicht. Sie behielt ihr Lächeln und nickte leicht. "Vielleicht erzählst du mir erstmal, wie lange du schon verliebt bist?!"
"Seit fast 2 Jahren.", sagte ich. Und das war sogar die Wahrheit. Solange war ich mir über die Gefühle für meine Lehrerin schon bewusst. Sie sah sehr überrascht aus. "2 Jahre? Das ist eine sehr lange Zeit. Und er weiß nicht, dass du in ihn verliebt bist?" "Nein, das weiß niemand." Jetzt sah sie noch überraschter aus. "Niemand? Du trägst das seit 2 Jahren mit dir herum?" Ich nickte und starrte verlegen auf ihr Pult. Dabei konnte ich auf ihre Hände sehen. Sie war so wunderschön und zierlich und am liebsten hätte ich sie berührt. 
Ich hörte sie tief durchatmen. "Ich habe keine Ahnung, wie es dir damit gehen muss. Wirklich nicht. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass dich das unheimlich belastet." Und wie es mich belastete. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich musste schwer schlucken. Reiß dich zusammen, dachte ich. Nicht hier, nicht jetzt. Und schon gar nicht vor ihr.
"Weißt du.", sagte sie und setzte sich nun aufrecht hin. "Es ist nie einfach, jemanden seine Gefühle zu offenbaren. Die Gefahr, das man verletzt wird ist einfach sehr groß. Doch manchmal kommt es vor, das auch der andere Gefühle entwickelt hat und sich ebenfalls nicht traut, es zu sagen. Was ich damit sagen will ist, vielleicht sollte man einfach mal den Schritt gehen und sehen, was passiert." Meinte sie das ernst? Wenn ich es ihr sagen würde, wäre alles nur noch schlimmer. Sie würde meine Gefühle doch niemals erwidern. Nein, auf gar keinen Fall würde sie das tun.
"Emily. Du bist ein so wunderschönes Mädchen." Sie atmete wieder tief durch. Irgendwie wirkte sie plötzlich ziemlich nervös. "Du brauchst dich und deine Gefühle nicht verstecken."
Wie stellte sie sich das vor? Sollte ich mich ihr offenbaren?
"Sie...", hauchte ich. Frau Hinze sah mich gespannt an. Als würde sie darauf warten, dass ich meinen Satz vollendete. Doch das hatte ich bereits. Eine warme Träne lief mir über die Wange, doch ich strich sie nicht weg. "Ja?", fragte sie nun vorsichtig und leise. Ich sah sie einen Augenblick an. "Sie... Ich bin in Sie verliebt.", flüsterte ich wieder und blickte beschämt zu Boden.

Gefährlicher Kuss (girlxgirl) #Wattys2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt