Den restlichen Tag sah ich Frau Hinze nicht mehr an. Ich war völlig verwirrt. Was war da passiert? Ich konnte diese Situation doch nicht so missverstanden haben, oder? Wieso reagierte sie so? War es etwa möglich, dass sie...Nein! Unmöglich. Sie konnte unmöglich das selbe für mich empfinden. Zwar erzählte Frauke auch etwas in diese Richtung, doch es konnte gar nicht sein.
Vielleicht hat sie Angst, oder kann mit ihren eigenen Gefühlen nicht umgehen, hatte Frauke noch gesagt. Doch das Frau Hinze das selbe empfand, passierte entweder nur in einem schnulzigen Liebesfilm oder einem alten Kitschroman.Heute war der zweite Tag und wir waren noch nicht ganz fertig mit unserem Plakat, obwohl die anderen beiden gestern noch fleißig schrieben. Doch die Frage, was denn mit mir los sei, beschäftigte sie irgendwie mehr. Es war weniger Sorge, als Neugier.
"Guten Morgen, ich hoffe, ihr seid alle wach. Wir starten direkt los mit der gestrigen Aufgabe. Wer noch nicht fertig ist, arbeitet bitte weiter. Der Rest meldet sich bei mir.", sagte Frau Hinze. Sie würdigte mich keines Blickes, während ich sie um so mehr beobachtete. Gestern vermied sie jede Situation, jeden Augenblick mit mir allein. Sie kam nicht einmal zu unserer Gruppe, obwohl sie jede andere Fragte, wie sie voran kamen. Alles war irgendwie merkwürdig. Bea und Linda bearbeiteten schon wieder fleißig unser Plakat und Frauke durchblätterte das Mathebuch. "Das passt überhaupt nicht alles drauf.", sagte Bea etwas verärgert. "Dann schreib doch einfach kleiner", entgegnete Frauke, sah aber nicht auf. "Ha ha. Wir brauchen ein neues Plakat." Ich sah mich um, doch der Tisch hinter uns war leer. Als ich mich weiter um sah, entdeckte ich die Plakate auf der Fensterbank, direkt neben Frau Hinze. Wer hat die da hingelegt? Kann man denn nicht einfach alles so lassen, wie es war? "Emily?", fragte mich Linda. "Hm?" "Ob du ein Plakat holen kannst? Aber am besten in der selben Farbe." Erschrocken sah ich wieder zu der Fensterbank, dann zu Frau Hinze, die dort vorne saß. Sie las etwas, die Hände am Kopf abgestützt. "Ich gehe. Ich wollte sowieso noch was mit Frau Hinze besprechen. Macht doch solange ne kurze Pause.", sagte Frauke. Sie zwinkerte mir kurz zu und ich atmete erleichtert auf. Ich konnte jetzt nicht zu ihr. Meine Gedanken und Gefühle waren seit gestern völlig durcheinander. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Keine Ahnung, wie das alles zu deuten ist. Vorsichtig beobachtete ich, wie Frauke sich eines der Plakate nahm und langsam zu Frau Hinze schlich. Als hätte man sie zu Tode erschreckt, fuhr Frau Hinze mit ihrem Kopf nach oben. Schnell sah ich auf unseren Tisch und tat so, als würde ich mich konzentriert mit unserer Aufgabe beschäftigen. Nach einer kurzen Weile wagte ich wieder einen Blick nach vorn. Frauke sah ernst aus und auch Frau Hinze wirkte angespannt. Worüber reden die denn, verdammt? dachte ich. Dann legte Frau Hinze ihre Hand auf Fraukes Arm und lächelte ihr kurz zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Buch schenkte. In mir kochte Eifersucht hoch. Was totaler Quatsch war, denn Frauke wollte schließlich nichts von ihr. Trotzdem war ich eifersüchtig. Und zwar auf diese Berührung. Wie gerne wollte ich diese Berührung von Frau Hinze bekommen. Es staute sich in mir auf und ein flaues Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. "So, andere Farben gab's nicht mehr. Sieht es wenigstens bunter aus." Linda und Bea nickten, zwar nicht zufrieden, aber sie nahmen es kommentarlos hin und arbeiteten weiter. "Was habt ihr besprochen?", flüsterte ich Frauke zu. Doch sie winkte nur ab. "Erzähl ich dir in der Pause." Was bitte war so geheimnisvoll, dass sie es mir jetzt nicht sagen wollte? "Wie du willst.", gab ich beleidigt zurück. Aber Frauke reagierte gar nicht weiter darauf, was mich nur noch mehr kochen ließ. Langsam wurde ich etwas wütend.
"Wie wäre es, wenn ihr mal mitarbeitet?", sagte Bea nach einer Weile. Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie die Plakate längst fertig vor uns lagen. "Entschuldigung. Mir geht es irgendwie nicht so gut." Sofort enspannte sich Beas Gesichtsausdruck und sie sah mich besorgt an. "Was ist denn los? Bist du krank?" Mir tat es Leid, dass ich mich so heraus geredet habe. Normalerweise war es nicht meine Art andere arbeiten zu lassen und mich dann rauszureden. Aber da ich ihr nicht sagen konnte, was los war, entschied ich mich für diese kleine Notlüge. "Ich weiß nicht. Mein Kopf. Ich fühle mich nicht so gut." "Vielleicht solltest du etwas an die Luft. Warte, ich kläre das." Schon drehte sie sich um und rief quer durch den ganzen Klassenraum. "Nein, warte-", versuchte ich sie aufzuhalten, doch zu spät. "Frau Hinze? Emily hat Kopfschmerzen. Kann sie kurz raus?" Oh man. Schlimmer geht's nicht mehr. Sie sah mir nun direkt in die Augen und musterte mich einen Moment. "Sicher. Aber bleib bitte auf dem Schulhof." Frau Hinze sah wieder weg. So als wäre es gift, mir in die Augen zu sehen. "Siehst du? Alles gut. Soll ich mit?", fragte mich Bea zufrieden. Schlimm genug, dass sie das tat, aber ich brauchte jetzt einfach einen Moment für mich. "Danke, es geht schon. Bis gleich." Ich zog mir meine Strickjacke über und verließ den Klassenraum. Es war ein richtig warmer Tag, seit langem. So, wie es sich für einen Sommertag gehörte. Als ich das Gebäude verlassen habe, setzte ich mich draußen auf einen Stein und atmete tief durch. Dann hörte ich auch schon wie die Tür zufiel. "Hey, was ist los?", hörte ich Frauke rufen. Sie kam eilig auf mich zu gelaufen uns setzte sich neben mich. "Nichts." Mein Ton war patziger, als ich es beabsichtigt habe. "Bist du sauer auf mich?" Ihre Augen wirkten traurig. "Nein. Tut mir Leid." Sofort fing sie an zu lächeln. "Ach was, schon gut. Also erzähl.", sagte Frauke. "Erzähl du mal lieber." Fragend sah sie mich an, doch dann verstand sie. "Ich habe Frau Hinze noch mal angesprochen wegen der Klassenfahrt. Hab mich nochmal bei ihr entschuldigt." Aha. Und deswegen befummelten sie sich also? "Außerdem wollte ich mal ein bisschen nachhaken und hab sie gefragt, ob bei ihr alles in Ordnung ist, weil sie aussieht, als ginge es ihr nicht gut. Sie meinte aber, das es ihr gut geht, sie gerade nur ein paar private Probleme hat." Sie hat sie für mich ausgefragt? "Sie hat gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen, das war's schon." Ich nickte. "Hat sie dewesgen...ähm. Naja...", stotterte ich. "Du meinst, ob sie deswegen ihre zarte, weiche Hand auf meinen Arm gelegt hat? Nein, das tat sie, weil wir uns scharf finden." Kurz sah sie mich ernst an, dann fing sie an zu lachen. Ich fühlte mich plötzlich total elend und schuldig. "Kein Grund zur Eifersucht. Sie gehört ganz dir." Wie konnte ich so blöd sein? Ich war eifersüchtig auf meine Freundin und Frau Hinze. Dabei hat Frauke mir bloß versucht zu helfen. "Oh man. Du hast keine Ahnung, wie mies ich mich fühle." Frauke grinste und wippte mit ihren Beinen. "Naja, wegen mir brauchst du dir echt keine Sorgen machen. Ich finde sie zwar nett, aber das war es auch schon." Jetzt musste auch ich lachen. Wie idiotisch ich mich verhalten habe.
"Also sie hat gesagt, sie hat private Probleme?" Frauke nickte und grinste noch immer. "Was ist so witzig daran?", fragte ich sie. "Hallo? Private Probleme. Ist doch klar, das sie dich damit meint.", stellte Frauke fest. "Blödsinn. Woher willst du das wissen?" Weil sie sich so verhält, seitdem sie mit dir gestern aus dem Kunstraum kam." Der Kunstraum. Unsere Berührung. Ich bekam Gänsehaut und das Herz schlug mir bis zum Hals. "Meinst du?"
"Ganz einfach. Finde es raus. Was hast du zu verlieren?" "Soll ich etwa zu ihr gehen und sie fragen, ob sie auch in mich verliebt ist?" Ich zog eine Augenbraue hoch und zeigte ihr dazu noch einen Vogel. "Nein, so nicht. Unauffälliger." "Unauffälliger?" Irgendwie verstand ich nicht wirklich, worauf Frauke hinaus wollte. "Ja. Flirte mit ihr. Such ihre Nähe. Unauffälliger, aber doch so, dass sie es merkt. Nimm ihre Hand oder sag irgendwas wie, ich vermisse Sie. Oder, ich habe heute Nacht von Ihnen geträumt." "Hm. Und dann?" Sie rollte mit den Augen. "Na dann wirst du sehen, wie sie reagiert. Ganz einfach." "Als ob sie mir einfach sagen würde, dass sie auch so empfindet. Damit riskiert sie ihren Job, Frauke." "Sie wird dir wahrscheinlich nicht die Wahrheit sagen. Aber du wirst es fühlen. So etwas spürt man einfach." Und wenn sie einfach nur von mir genervt ist? Aber so konnte es auch nicht weiter gehen. "Ich weiß nicht." Frauke stand nun auf und reichte mir ihre Hand. "Schau einfach, was passiert. Und jetzt lass uns wieder reingehen." Ich nahm ihre Hand und wir gingen zurück in den Klassenraum.
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Gefährlicher Kuss (girlxgirl) #Wattys2017
RomanceEmily sah direkt in ihre Augen. Ein Stromstoß ließ ihren Körper durchzucken. Sie hatte das Gefühl, innerlich zu explodieren, als sie ihre Lehrerin sah. Nur ein Blick, eine Berührung hätten gereicht, um sie vollends dahin schmelzen zu lassen. Die Tat...