13. Vergangenheit

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Vor 11 Jahren

Lisa kämpfte sich mühsam aus ihrem Bett. Gerade als sie ins Badezimmer gehen wollte hörte sie wie Glas zerbrach. Sofort rannte sie runter. „Verflucht." Lisa wusste sofort wer das war. Als sie die Küche betrat war sie wenig überrascht ihre Nichte dort vorzufinden. Der Blondschopf stand in dem zerbrochenen Fenster und fluchte leise vor sich hin. Mit einem Räuspern machte Lisa sich bemerkbar. Sofort schoß der Kopf der zehnjährigen hoch. Versucht unschuldig lächelte sie schief und kletterte aus dem Fensterrahmen. Die Scherben knirschten unter ihren braunen Stiefeln. „Was hast du schon wieder angestellt?" Lisa hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihre Nichte abwartend an. „Nichts, aber schau mal das Fenster ist Kaputt." Ihre kleine Hand zeigte auf die Scherben. „Juna hast du dich wieder raus geschlichen?" Lisa klang keinesfalls wütend aber die kleine Juna wusste es besser. Ihre Tante kochte innerlich vor Wut weil sie schon wieder ein Fenster kaputt gemacht hatte und sich wieder raus geschlichen hatte. „Es war wichtig. Wirklich!" Juna gestikulierte wild mit den Händen und schmiss die schöne Vase von der Küchentheke. Mit großen Augen sah sie auf den neuen Scherbenhaufen. „Tschuldigung." Meinte sie kleinlaut. Lisas linkes Auge begann vor lauter wut zu zittert. „Hoch. Jetzt."Lisa hatte die Zähne fest aufeinander gebissen und rang mit ihrer Beherrschung. Ohne zu zögern rannte Juna raus und die Treppe hoch ins Zweite Stockwerk des kleinen Hauses. Ohne es zu wollen verteilte sie die Scherben im Haus. Lisa schloss die Augen und atmete tief ein und wieder aus. „Nur die Ruhe."flüsterte sie. Nach ein paar weiteren Atemübungen schlurfte sie zur Abstellkammer und kramte einen Besen heraus.

Juna schmiss die Schnürstiefel achtlos in die Ecke. Als sie ganz still war konnte sie ihre Tante fegen hören. Das war das dritte Fenster diesen Monat. Sie wollte es nicht kaputt machen aber es ging einfach nicht auf. Sie packte ihre Schulsachen zusammen, zog sich um und putzte ihre Zähne. „JUNA DU KOMMST ZU SPÄT!" Schnell schnappte sie sich ihren Rucksack und polterte die Treppe runter. Beim rausgehen schrie sie noch ein kurzes „Bis später." und war verschwunden.

Gerade als der es zur ersten Stunde leuchtet flitzte Juna durch die Tür und ließ sich an ihrem Platz nieder. Der Drachen von einer Lehrerin hatte sie glücklicherweise nicht beachtete. Wenn die Schule Lisa anrufen würde wäre das Junas Todesurteil. Dieser Monat war außergewöhnliche hart gewesen. Fünf Vampire. Das war ein neuer Rekord. So viele hatte sie noch nie in so kurzer Zeit erwischt. Doch den den sie so angestrengt suchte war nicht dabei gewesen. Dem Unterricht folgte sie kaum, immer war sie mit den Gedanken woanders. Und trotzdem war sie eine gute 2 Schülerin. Nicht hervorragend aber auch nicht miserabel. Lisa war zufrieden und somit auch Juna. In den Pausen war Juna immer bei den beliebten Leuten. Das war ihre Clique auch wenn sie kaum mit ihnen sprach. Sie stand unbeteiligt bei ihnen und folgte nur oberflächlich ihren Unterhaltungen. Trotzdem waren es ihre "Freunde".

Lisa war gerade fertig mit Kochen als ihre Nichte rein schlurfte. Ihre Lippe war aufgeplatzt und ihr T-shirt verzogen. „Was ist denn mit dir passiert?" Lisa sah sie fragend an und deckte den Tisch. Juna rieb sich den Nacken.„Nichts schlimmes." Die kleine räumte ihre Sachen weg und setzte sich danach an den Esstisch. Ihre Tante bedachte Sie mit einem kritischen Blick. Das Essen verlief schweigsam. Lisa räumte das Geschirr weg und schickte Juna hoch um ihre Hausaufgaben zu machen. Die zehnjährige hatte allerdings andere Pläne. Anstatt ihre Mathe Aufgaben zu erledigen schnappte sie sich ihre Sporttasche und kletterte aus ihrem Fenster. Geübt hangelte sie sich an der Regenrinne herunter und rannte in die Stadt. Bei einer alten Bar ging sie durch den Hintereingang. Johnny schmunzelte als er die kleine Blondine durch die Tür kommen sah. „Na, willst du dich schon wieder verprügeln lassen?" Er fuhr sich durch das graumelierte Haar. Trotzig schüttelte sie den Kopf. Johnny hielt seine Hand auf. Juna kramte in ihrer Jackentasche und zog 10$ raus. Johnny nahm ihr das Geld ab und ging mit ihr in den Keller. Sie zog ihre Jacke aus, legte die Tasche zur Seite und ging in Angriffsposition. Johnny wusste nicht warum das Mädchen lernen wollte wie man kämpft aber das war ihm auch egal. Sie zahlte das war alles was ihn interessierte.

Lisa bereitet sich auf ihren Klavier Schüler vor als es an der Tür klingelte. Eine verärgerte Frau stand mit ihrem Sohn vor der Tür. Der kleine hatte ein blaues Auge. Lisa schwante böses. „Ihr kleines Monster hat meinen Jungen zusammengeschlagen!" keifte die Frau aufgebracht und zeigte auf das blaue Auge. „Das tut mir sehr leid ich werde sofort mit ihr reden." Lisa lächelte entschuldigend. Die Frau bestand darauf dass Juna sich entschuldigte. Lisa ging hoch und riss Junas Zimmertür auf. Zornig musste sie feststellen dass sich das Kind schon wieder rausgeschlichen hatte. Mit voller Wucht knallte sie die Tür zu und stürmte die Treppen runter. „Sie ist nicht da schönen Tag noch!" Lisa schlug der Frau die Tür vor der Nase zu und ließ sich auf den Boden sinken. Immer nur Schwierigkeiten mit dem Mädchen.

Es war schon spät am Abend als Juna wieder nach Hause kam. Diesmal hatte sie es geschafft sich lautlos rein zu schleichen. Sie hielt inne als sie Lisa Klavier spielen hörte. Beethoven. Welch schöne Melodie. Plötzlich stoppte sie. „Ich kann das alles nicht mehr." Lisas Stimme war dünn, leise und zerbrechlich. „Dann tu etwas dagegen." Da war noch jemand im Wohnzimmer. Ein Mann. So sehr sich Juna bemühte sie konnte ihn nicht sehen. „Ich muss sie wegschicken." Junas Herz schlug schneller. Sie wollte sie weg jagen, alleine lassen. „Juna muss weg. Ja, ich werde gleich Morgen beim Jugendamt anrufen." Die Entschlossenheit ihrer Tante zerbrach ihr das kleine Herz. Heiße Tränen brannten in ihren Augen aber sie ließ sie nicht laufen. Eisern hielt sie sie zurück. Sie weigerte sich um eine Frau die sie nicht wollte zu weinen. Lisa war ihre Tränen nicht wert. Niemand war ihre Tränen wert. Sie brauchte niemanden, nur sich selbst. Auf Zehenspitzen schlich das Mädchen hoch in ihr Zimmer und packte ihre Sachen. Es war nicht viel das sie brauchte, nur das Wichtigste packte sie in ihre große Tasche. In dieser Nacht schlief sie kaum immer wurde sie vom Selben Traum verfolgt. Immer wieder spielte sich in ihrem Unterbewusstsein die gleiche Szene ab. Erst ihr Bruder, dann ihr Vater und zuletzt ihre Mutter. Überall Blut, Trauer und Schmerz. Und trotz diesem schrecklichen Traum hielt sie etwas oder jemand im Schlaf. Drückte sie immer wieder in den Nebel der Traumwelt.

Erst als am nächsten Morgen der Wecker die Stille zerriss erwachte sie. Juna kratzte sich verschlafen am Kopf und sah sich suchend um. Es dauerte einige Zeit bis sie wieder wusste wo sie war. Eigentlich wollte sie einfach still und heimlich verschwinden aber irgendetwas hielt sie auf. Ein Gefühl in ihr wollte nicht dass sie ging, nein sie sollte nach Lisa sehen. Schleichend bahnte die zehnjährige sich ihren weg runter in die Küche. Als sie jedoch die letzte Stufe der Treppe genommen hatte sah sie etwas das sie sofort stoppen ließ. Blut. Wie in Trance lief Juna ins Wohnzimmer nur um sich zu wünschen nie dort hinein gegangen zu sein. Lisa lag zerstückelt und zerfetzt überall im Wohnzimmer verteilt. Ihre Innereien erstreckten sich über die Wände. Ihr wurde schlecht. Sie haben ihre Tante umgebracht und sie selbst hatte nichts dagegen tun können. Noch ein Opfer. Noch jemand den Juna rächen musste.Noch jemand den sie nicht retten konnte. Und schon wieder war sie allein. Allein.

Until it hurts //3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt