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Palutens Sicht:

Das hatte mir gerade noch gefehlt. Nicht nur, dass ich unfreiwillig in die Armee geschickt werde, weil ich ja ein ach so gutes Untersuchungsergebnis hatte und jetzt all meine Freunde und auch meine Familie zurücklassen musste, hatte sich jetzt noch so ein Opfer mit einer Maske zu mir gesetzt.

Schon allein wie der sich vorgestellt hat. Alles durch die Maske genuschelt und dann auch noch hochgradig nervös. Ignorant hörte ich einfach Musik und schaute aus dem Fenster. Allerdings gab es da nicht viel zu sehen. Bloß die leeren Wände des Bahnhofs. Und selbst die waren interessanter, als der Freak neben mir.

Als wenn er es nicht lassen könnte, tippte er mich an der Schulter an. Ich hasste es wenn man mich ohne Vorwarnung einfach so antippt und zuckte kurz zusammen. Sichtlich gereizt schaute ich zu ihm hinüber, doch als ich merkte, dass er mir damit nur sagen wollte, dass die Fahrkartentante bei uns steht, wühlte ich hektisch meinen Rucksack durch.

Einiges musste ich rausnehmen, sonst hätte ich die Karte nie gefunden. Sie war zwar schon ziemlich zerknickt, doch das schien ihr -genau wie mir- herzlich egal zu sein, denn sie nickte einfach nur und zog dann zu den letzten paar Reihen ab.

Manuel, oder Manu oder wie auch immer, schien nun ebenfalls Musik zu hören und starrte stur geradeaus. Ich nutzte die Chance ihn mal etwas genauer zu betrachten. Viel war ja dank der Maske nicht festzustellen. Vielleicht war das auch gut so. Er war bestimmt einfach nur zu hässlich und trägt deshalb dieses alberne weiße Ding vor der Visage.

Er hatte grüne Augen. Das war das Einzige was ich trotz der Maske erkennen konnte. Seine langen braunen Haare hingen ihm im Gesicht und fast bis zu den Schultern hinunter.
Er trug einen schwarz-blau gestreiften Pulli, welcher echt affig aussah und war allgemein sehr dünn, fast schon knochig gebaut. Dazu war er ein Stück größer als ich.

Ein Weiberheld ist der ganz bestimmt nicht. So viel steht fest.

Nach gefühlten Ewigkeiten startete der Zug und rollte allmählich aus dem Bahnhof hinaus.

Na endlich.

Trotz meiner lauten Musik hörte ich, dass jemand, ein weiblicher Jemand, gerade eine Durchsage machen und deshalb nahm ich erneut meine Kopfhörer raus.

"Liebe Gäste. Die heutige Fahrtdauer beträgt circa 4 Stunden und 36 Minuten. Wir wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt."

Wie kleine Kinder fingen alle in unserem Abteil an sich über die lange Fahrzeit zu beschweren. Mich ließ die Dauer der Fahrt auch nicht kalt, allerdings war dies im Gegensatz zu dem, was uns später erwarten würde wirklich das allerkleinste Übel.

Gelangweilt schaute ich aus dem Fenster auf die vorbei ziehende Landschaft. Dabei stützte ich meinen Kopf auf meiner Hand ab. Keine halbe Stunde war vergangen, als meine Augenlider schwerer und schwerer wurden.

Nicht einschlafen. Bleib wach!

Zu spät, denn schon kurze Zeit später schlief ich seelenruhig ein.

"Mama?" fragte ich panisch, doch sie hörte mich nicht. Sie hockte vor einem Krankenhausbett und weinte bitterlich. Die großen Krokodilstränen flossen in Bächen ihren Wangen hinab und das Krankenzimmer war erfüllt von ihrem herzzerreißenden Schluchzen. "Mama?!" wiederholte ich mich und trat an sie heran. Doch wie zuvor hörte sie mich nicht.

Ich wollte wissen warum sie so traurig war und schaute zu dem Bett, vor dem meine Mutter so kläglich weinte. Nun wusste ich auch wieso, denn auf dem Bett lag... Ich! Meine Haut war bleich und meine Hände lagen auf meinem Bauch als würde ich beten. Offensichtlich war ich tot.

Aber ich lebe doch noch! Oder bin ich jetzt ein Geist?

"Mama! Hörst du mich nicht ich bin hier?! Ich stehe neben dir! Ich lebe doch! Hör mich doch an!" schrie ich auf sie ein.

Doch sie hörte mich einfach nicht. Plötzlich wurde mir ganz schwarz vor Augen und die Erde bebte. Es war als würde man an mir rütteln.

"Palle? Palle wach doch auf!" riss mich Manuel aus meinem Traum. Panisch schaute ich mich um, um sicherzugehen, dass ich auch wirklich wieder in der Realität war. "Es war nur ein Traum." sagte ich zu mir selbst.

"E-es tut mir leid, dass ich dich so unklug geweckt habe, a-aber wir sind angekommen." nuschelte Manu durch seine Maske. Immernoch leicht benommen schnappte ich mir meine Sachen und ging zusammen mit dem Maskenkerl als Letzter nach draußen zu den Anderen.

Jetzt hieß es laufen. Viel laufen. Weit laufen. Lange laufen. Ich fühlte mich echt wie in der Grundschule an einem Wandertag. Schon damals hatte ich das gehasst. Und heute wurde uns das Laufen zusätzlich durch unser Gepäck erschwert.

Vom Bahnhof durch den gesamten Ort und schließlich durch den Wald. Insgesamt 50 Minuten mussten wir laufen bis in der Ferne endlich unser Kadettenlager, unsere Kaserne oder was auch immer in Sicht war.

Die Füße schmerzten, die Lunge brannte und verschwitzt war ich auch noch. Vor dem großen Hauptgebäude standen nun einige Soldaten, Offiziere oder Generäle, welche uns begrüßten und in die Zimmer einteilten.

Ich war in Haus 2, Zimmer 46, zusammen mit einem anderen Kerl. Schlüssel für die Zimmer gab es anscheinend nicht. Auf dem Weg zu den Wohnhäusern stellte ich fest, dass es kaum einen Ort gab, der nicht von irgendwelchen Leuten bewacht wurde.

Das Gelände, auf dem wir uns nun bewegten war riesig, nahezu unüberschaubar, doch Haus 2 war schnell gefunden, ebenso Zimmer 46. Als ich dieses betrat sah ich einen jungen Mann auf einem der 2 Betten sitzen und begrüßte ihn. Ich wollte mal einen auf guten ersten Eindruck machen.

Außerdem sah der Typ nicht so aus, als wäre er so ein Opfer wie dieser Maskenkerl, Manuel oder so.
Er hier war zwar sehr schlank, aber nicht knochig, hatte dunkelblonde Haare und blaue Augen. Als er sich von seinem Bett erhob und auf mich zu kam, um mich zu begrüßen merkte ich, dass er ein Stück größer als ich war.

"Hey, ich bin Sebastian. Meine Freunde nennen mich Rewi. Frag bitte nicht wie ich zu diesem Spitznamen gekommen bin." stellte er sich vor und lächelte verlegen.

"Ich bin Patrick. Du kannst mich Palle nennen." stellte ich mich ebenfalls vor. Er lächelte, ließ meine Hand los und ging wieder zurück zu seinem Bett. Dort widmete er sich wieder seinem Handy.

Ich wollte ihn dabei nicht weiter stören und hievte meine schwere Tasche auf mein Bett, um das bis zum Rand vollgestopfte Ding auch endlich auszupacken.
Ich hatte einen Schrank für mich, was auch ziemlich gut war, denn erstens hab ich so viel dabei, dass Rewis Sachen gar nicht mehr hinein passen würden und zweitens verlor ich nach ein paar Minuten die Lust und warf alles in den Schrank.

Der Luxus eines eigenen Bades war uns selbstverständlich nicht vergönnt. Die einzige Möglichkeit mal pissen oder duschen zu gehen, war einen langen kalten Flur entlang zu laufen und sich das Gemeinschaftsbad zu Gemüte zu führen.
Insgesamt 9 Toiletten und 5 Duschen gab es auf meiner Etage.

Na das wird Abends lustig... Nicht.

Soldiers - Kürbistumor FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt