Kapitel 8: Eine neue Bedrohung

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Klaus' Stimme hören wir schon im Flur. "Du wirst darauf achten, dass sich solche Vorfälle in Zukunft nicht mehr ereignen!" Er klingt wütend, wie üblich, wenn ihm etwas gegen den Strich läuft. Davina erwidert nicht minder aufgebracht: "Was hätte ich denn machen sollen? Ich habe dir schon erklärt, dass ich geschlafen habe. Hörst du, Klaus? Geschlafen. Das muss sogar ich, wenn ich seit zwei Jahren Babysitter spiele. Ich mag Hope, aber du weißt, dass ich auch andere Sachen zu tun habe."
Dafür hat er nur ein hämisches Lachen übrig. "Was denn? Du bist schon lange nicht mehr Oberhexe von New Orleans."
Ich beuge mich zu Hope hinunter. "Worüber reden die?"
"Über meine Magieexplosion vor ein paar Tagen", flüstert sie zurück.
"Du hattest eine Magieexplosion?" Klaus hat erzählt, dass Hayley, Hopes Mutter, bei einer ihrer Magieexplosionen gestorben ist. Aber ich habe angenommen, dass es seitdem nicht mehr vorgefallen ist.
"Und sei doch froh", ertönte wieder Davinas Stimme. "Du hast deinen Bruder wieder zurück."
Klaus lachte. "Das hast du falsch verstanden, kleine Hexe. Hopes Magieexplosion war in erster Linie schuld daran, dass Kol von den Hexen gefangen genommen wurde."
Neben mir zieht Hope den Kopf ein. Wie jedes Kind will sie ihren Vater nicht enttäuschen. Mitfühlend lege ich einen Arm auf ihre Schulter. "Los", wispere ich. "Schauen wir mal, worüber die reden."
Zusammen betreten wir das Wohnzimmer. Die beiden Streitenden schauen überrascht auf. Klaus war so von Davina abgelenkt, dass er unsere Herzschläge nicht gehört hat. Er hat sich auf eine Stuhllehne gestützt, die er jetzt loslässt, um Hope aufzufangen. Seine Tochter war nämlich losgerannt und hat sich in seine Arme gestürzt. Bei der Art und Weise, wie sie geflüsterte Worte zur Begrüßung austauschen und wie sich beide Gesichter in einstimmiger Freude erhellen, zieht sich mein Magen zusammen. Das hätte Freya sein können. Ich muss damit aufhören. Ich muss die Vergangenheit ruhen lassen, komplett. Denn von einem Teil habe ich mich bereits getrennt: Ich hänge nicht kehr an Nik, genauso wenig wie er an mir.
Ich stelle mich neben Davina, gemeinsam beobachten wir Vater und Tochter. "Worüber habt ihr geredet?", frage ich.
Dafür ernte ich von der Gleichaltrigen nur einen skeptischen Blick. "Geht dich das etwas an?"
"Ja, tut es." Unerwartet schaltet sich Klaus ein, der Hope hoch genommen hat. Sie legt ihren Kopf an seine Schulter und schließt lächelnd die Augen. "Bei der Magieexplosion wurde der Schutzkreis gestört, der ihre Freundin Zoey vor uns versteckt hat. Kol hat die Störung gespürt und ist mit meinen Geschwistern aufgebrochen."
"Und Zoey gefunden ", ergänze ich.
Klaus nickt. "Und Kol wurde gefangen. Insgesamt wurde dadurch ziemlich viel Unruhe gestiftet."
"Geht es meinem Hexenzirkel gut?", erkundigt sich Davina besorgt.
Ich will schon nicken, als mir Klaus' Miene auffällt. Bedeutsam sieht er mich an. Kaum wahrnehmbar, schüttelt er den Kopf, nur für mich.
Ich erschrecke. Davina gehört den du feus an? Den Nachkommen von Genevieve? Die, die mithilfe von Esther die Vampire auslöschen wollen?
Aber da stellt Klaus meine Gedanken richtig. "Dein Zirkel ist in Sicherheit, Davina. Sie haben sich wie die anderen Hexen auch bei uns eingefunden und sind nun unsere Verbündeten."
Davina hebt eine Augebraue. "Aber?"
"Aber die du feus haben gegen uns rebelliert."
Dieser Satz löst bei ihr etwas aus. Sie muss sich auf der Kommode hinter ihr abstützen. "Hast ... hast du ihnen etwas getan?"
"Nein. Noch nicht. Aber diesmal bin ich nicht derjenige, der angefangen hat."
"Wie meinst du das?"
"Sie sind tief mit dem Lichtzirkel in Irland verwachsen. Die beiden Zirkel sind Nachkommen von Genevieve, sie sagt dir bestimmt etwas. Zusammen haben sie vor, ein Ritual durchzuführen, das Esther wieder auferstehen lässt. Mächtiger als je zuvor."
Davina schlägt eine Hand vor den Mund. Ihr Blick schießt zu Hope. "Heißt das ... Dhalia." Das letzte Wort ist nur noch gehaucht.
Dhalia? Ich bilde mir ein, diesen Namen schon einmal gehört zu haben. Aber das ist lange, lange her.

Wir bleiben noch bis in den späten Nachmittag am See Maurepas. Über Dhalia, Magieexplosionen und Hexenzirkeln wird kein Wort mehr verloren. Hope hat eine Menge Spiele auf dem Anwesen. So spiele ich zum ersten Mal in meinem Leben Twister und Uno. Zugegeben, bei beiden Spielen sind die Chancen ungleich verteilt, Klaus gewinnt bei Twister immer außer ein Mal, wo er gegen Hope gespielt hat und sie winnen hat lassen. Außerdem bin ich mir sicher, dass Davina bei der ersten Runde Uno geschummelt und unsere Karten mit Magie gesehen hat, weil weder Klaus, noch Hope und ich unsere letzten Karten loswerden konnten.
Mir fällt auf, wie tief sich die zwei Erwachsenen mit Hope verbunden fühlen, und wie sehr auch das kleine Mädchen sie liebt. Es erscheint mir unfair, wie sie Davina umarmt, als diese Twister gegen Klaus verloren hat. Davina ist nicht einmal mit ihr verwandt und bekommt mehr Liebe von ihr als ich von meiner Familie. Meine Brüder und ich haben gelernt, unabhängig voneinander zu sein.
Irgendwann, rufe ich mir ins Gedächtnis. Irgendwann wirst du dich von allem Überirdischen verabschieden können. Und dann kannst du auch eine Familie gründen und geliebt werden und lieben.
Zum Abschied schüttelt Hope schüchtern meine Hand und fragt mich, ob ich sie mal wieder besuchen möchte. Nach einem Seitenblick auf Klaus willige ich ein.
Auf dem Weg zum Auto stoße ich ihn leicht an. "Du hast mich angelogen", sage ich.
"Was genau meinst du?"
Mit hochgezogenen Brauen nehme ich auf dem Beifahrersitz Platz. "Ich hoffe, dass das nur ein Scherz war." Das Auto heult auf, als er den Motor startet. "Du hast die Eisenkrautkette nicht gegen den Ring eingetauscht."
Ausdruckslos zuckt er mit den Schultern. "Meine Tochter braucht sie mehr als irgendeine verschrumpelte Hexe."
"Klaus, warum hältst du sie versteckt?" Diese Frage hat mich im Laufe des Tages immer öfter beschäftigt. Hope erscheint mir wie ein ganz normales Kind. Nun ja, mit Ausnahme der Zauberei.
"Habe ich dir doch schon gesagt. Ihre Magieexplosionen ist für die Stadt zu gefährlich", antwortet er, ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen. "Du hast heute erfahren, welche Auswirkungen sie auf die Magie in New Orleans hatte, und da war sie meilenweit von der Stadt entfernt."
Ich schüttele den Kopf. Unsere gemeinsame Zeit ist zwar lange her, aber ich weiß es noch, wenn Niklaus mir etwas verschweigt. "Das ist nicht der einzige Grund", widerspreche ich. Als er nichts erwidert, fahre ich fort. "Davina hat etwas von einer Dahlia gesagt. Irgendwoher kenne ich diesen Namen."
Eine ganze Weile bleibt Klaus still. Wälder ziehen an uns vorbei, Weiden und Ansammlungen von Häusern. Ich habe die Hoffnung schon aufgegeben und meinen Kopf schläfrig gegen das Fenster gelehnt.
Da erhalte ich eine Antwort. "Dahlia ist Esthers Schwester", sagt Klaus in einem ruhigen Ton. "Unsere Tante. Du kennst ihre Namen, weil wir uns damals bei Freya Sorgen gemacht haben."
Bei der Erwähnung unserer Tochter spanne ich meine Muskeln an. Bisher hat er ihren Namen nicht in den Mund genommen.
"Sie fordert von jeder Mikaelson-Generation das erstgeborene Kind."
Ich denke über seine Worte nach und mit der Zeit tauchen Erinnerungen auf, die mein menschliches Gedächtnis vergessen wollte. Ich muss es bestimmt irgendwo in meinem Tagebüchern notiert haben. Ja, wir waren besorgt, dass Dahlia Freya holen kommen würde. Aber Hope ist keine Erstgeborene.
Dergleichen sage ich auch zu Klaus.
"Dahlia hat die Regeln geändert ", erklärt er. Diesmal klingt sein Ton bitter. "Sie besteht auf das Erstgeborene, das länger als drei Tage lebt."
"Und Hope ist schon viel älter", überlege ich. "Ihr versteckt sie also schon seit ..."
"Seit drei Jahren."

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