Kapitel 18: Planänderung

1.2K 74 8
                                    


Einen tiefen Atemzug nehmend, steige ich aus dem Auto aus und schließe für einen Moment die Augen. Die Luft hier riecht viel frischer als in New Orleans, als würde es hier nur das Gute geben und alles Böse würde von den Baumkronen über uns ferngehalten werden.
"Davina."
Elijahs besorgte Stimme veranlasst mich dazu, die Augen zu öffnen. Davina ist gerade aus dem Haus gekommen, die Augen gerötet, eine Hand vor dem Mund. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, sodass ich Elijah hinterher renne.
Er packt Davina an den Schultern und sieht sie ruhig an. "Wo ist Hope?"
Geistesabwesend registriere ich, wie das silberne Auto hinter uns hält und mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt. Davina schluchzt laut auf, als Türen knallen und Klaus und Rebekah über den Kies laufen.
"Ich kann ihren Herzschlag nicht hören", flüstert Rebekah.
Klaus drängt sich an mir vorbei. Seine Augen sind zu Schlitze verengt. "Was ist los? Was hast du getan, Hexe?"
Davina schüttelt nur den Kopf. Abermals entfährt ihr ein Schluchzen. "Eine Frau war hier", berichtet sie mit erstickter Stimme. Ihr Blick huscht über die Geschwister. "Die Schutzzauber um das Haus konnten sie nicht aufhalten. Sie ist einfach so in das Zimmer gekommen ... und hat Hope mitgenommen."
"War es Esther?"
Für einen Moment scheint Davina ihre Tränen zu vergessen, denn sie fährt Klaus an. "Ich erkenne die Urhexe, wenn ich sie sehe."
Elijah lässt ihre Schultern los. "Dann war es Dhalia. Sie wollte Hope schon immer haben ... aber das macht keinen Sinn. In der Nachricht stand ganz klar, dass wir sie mitbringen sollten."
"Vielleicht haben sie ihre Meinung geändert", schlage ich vorsichtig vor.
"Oder es war nur ein Täuschungsmanöver", wendet Rebekah ein. "Wir sollten uns vorerst in Sicherheit wiegen."
"Wie hat sie überhaupt vom Unterschlupf erfahren?"
"Sie muss Klaus und dir irgendwann in den letzten Tagen hierher gefolgt sein", überlegt Elijah und wendet sich wieder an Davina. "Hat Dhalia irgendetwas gesagt, als sie Hope entführt hat?"
Davina schüttelt den Kopf. "Sie hat mich mit Magie festgehalten und ist dann mit Hope verschwunden."
"Wir müssen sie finden", sagt Klaus. "Ich werde nicht einfach zusehen, während sich meine Tochter in ihren Klauen befindet." Mit diesen Worten schreitet er auf das Haus zu und lässt die anderen nachdenklich zurück.
Bei der Haustür habe ich ihn eingeholt. "Was ist, wenn Dhalia und Esther genau das wollen? Was ist, wenn sie wollen, dass du sie rettest, und du dabei in eine Falle tappst? Wir haben einen Plan, und daran sollten wir uns auch halten."
"Einen Plan, den du ausgearbeitet hast."
Ich folge ihm immer noch, als er in Hopes Kinderzimmer geht und in ihren Sachen wühlt. "Warum kannst du mir nicht einmal vertrauen? Im Bezug auf Hope vertraust du mir doch auch."
Er scheint das, was er gesucht hat, gefunden zu haben. Ein goldener Plüschlöwe. Er betrachtet ihn, bevor er sich an mir vorbei drängelt und das Zimmer verlässt.
Eine Antwort bleibt er mir schuldig.

"Was machen wir jetzt?", frage ich, als wir wieder im Auto sitzen. Bevor wir losgefahren sind, hat Davina mithilfe des Plüschlöwens Hopes Standort ausfindig machen können. Laut des Lokalisierungszaubers müsste sie sich in einem Hinterhof in New Orleans befinden.
"Wir führen den Plan durch wie besprochen", antwortet Elijah, ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen. Seit Hopes Entführung hat sich eine Falte in seine Stirn gegraben, die ihn älter erscheinen lässt als er eigentlich ist. "Nur dass es nicht dunkel sein wird."
Ich blicke aus dem Fenster, wo die Mittagssonne gerade wieder zu sinken beginnt. "Wenigstens konnte sich Esther nicht Livia holen."
Elijah nickt. "Zum Glück nicht."
Während wir nach dem Lokalisierungszauber zu den Autos gehetzt sind, hat Klaus mit Kol telefoniert, um ihn auf den neusten Stand zu bringen. Bei ihm und Zoey habe sich nichts getan; Zoey spiele mit Livia im Augenblick ein Kartenspiel durch die Tür. "Sie glaubt, dass Livia schummelt", hat er noch gesagt, ehe er aufgelegt hat.
Die Geschwindigkeitsbegrenzung haben wir schon längst überschritten, als wir in New Orleans einfahren. Touristen weichen auf Gehsteige aus, um den zwei Autos Platz zu machen, und ein Polizist schießt im Vorbeifahren ein Foto von unseren Nummerschildern.
"Er wird uns doch nicht anzeigen?", frage ich, eine Blick über meine Schulter zurückwerfend.
Elijah lacht ein wenig. "Ich hoffe doch nicht. Das wäre der Gipfel unserer Probleme."
Dann lässt der Klaus überholen und verringert seine Geschwindigkeit, wodurch mir ein wenig wohler wird. Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine Polizistensperre, die uns auch nicht gehen lassen würde, wenn wir sagen, dass wir ein kleines Kind aus den Fängen zweier Hexen retten müssen.
Eine Straße vor dem lokalisierten Ziel parken wir neben dem Gehsteig. Elijah lehnt sich im Sitz zurück und schließt kurz die Augen. "Bist du bereit?", will er wissen.
Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu nicken. Ich muss  bereit sein. Obwohl ich die Lage überhaupt noch nicht realisiert habe. Es ist zwar mein Plan, aber ... bis jetzt ist es eben nur das, nicht mehr. Nur ein Plan, nicht die Wirklichkeit.
Also hebt Elijah seinen Arm an seinen Mund und beißt in die Haut. Ohne ein Wort hält er mir das blutende Handgelenk hin. Mir wird leicht übel, als mir der metallene Geruch in die Nase steigt. Früher hätte der Geruch Heißhunger in mir ausgelöst ... und vielleicht würde er das wieder in den nächsten Stunden tun.
Mein menschliches Gehirn sagt mir, sofort damit aufzuhören, während ich meine Lippen gegen die Einbissstellen lege und anfange, zu saugen. Ich habe das Gefühl, alles wieder ausspucken zu müssen, aber ich halte tapfer durch und schlucke das Blut, bis Elijahs Haut sich geheilt hat.
Mit einem wehmütigen Lächeln wischt er mir ein wenig Blut aus den Mundwinkeln und streicht mir über die Wange. "Du schaffst das, Chloe. Ich glaube an dich." Mit diesen Worten griff er an mir vorbei ins Handschuhfach und legte mir den Weißeichenpfahl in den Schoß.

SacrificiumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt