Kapitel 21: Asche

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Ich bin ein Vampir.
Das spüre ich in jeder Faser meines Körpers, in jedem Atemzug, den ich nehme, in jedem Schlag, mit dem mein Herz Blut durch meinen Körper pumpt.
Das spüre ich, als ich die Augen öffne und Staubkörner durch die Luft tanzen sehe.
Das spüre ich, als ich die Herzschläge mehrerer Personen höre, ihre Atemzüge, das Geräusch, das entsteht, wenn sie blinzeln.
Das spüre ich, weil ich mich auf einmal stark fühle, voller Energie. Meine Muskeln summen in meinem Körper, sehnen sich nach Bewegung.
"Chloe." Die Stimme hallt fürchterlich laut in meinen Ohren wieder, obwohl sie das Wort nur geflüstert hat.
Es ist kalt. Ich bin gebrochen.
Trotzdem stehe ich auf und mein Körper singt. Ich kenne das Gefühl. Das Gefühl von Unbesiegbarkeit, von Unsterblichkeit.
Ich fasse an meine Kehle. Das Brennen darin kenne ich und ich hatte gehofft, es nie wieder spüren zu müssen.
Plötzlich steigt ein metallischer Geruch in meine Nase und ich muss schlucken. Der Geruch ist unwiderstehlich. Ich drehe mich um. Elijah steht ein Stück entfernt, in seiner Hand ein Kaffeebecher.
Aber die Flüssigkeit darin ist kein Kaffee.
Er stellt ihn auf den Boden, ohne mich aus den Augen zu lassen. Nachdem er sich wieder aufgerichtet hat, stürze ich mich wie eine Betrunkene auf den Becher, meine Bewegungen sind schneller als das Licht, und trinke ihn leer. Nach dem letzten Tropfen verlangt mein Magen immer noch nach Blut, aber ich kann das Gefühl unterdrücken.
Langsam drehe ich mich um und sehe den Mikaelsons in die Gesichter. Elijah, Rebekah und Klaus, frisch auferstanden von den Toten.
"Es hat funktioniert", stelle ich nüchtern fest. Mein Blick schweift über Esthers Leiche, über das Amulett, das dort liegt, wo ich gelegen habe. "Wo ist der Weißeichenpfahl?"
"Ihn als Brücke von der Geisterwelt aus hierher zu benutzen, war zu viel für ihn. Wir haben aber erst gemerkt, dass er zerstört ist, als wir Esther schon getötet hatten."
"Wie lange war ich tot?", will ich wissen. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz einmal sagen werden.
"Es war lange genug, damit Elijah einen Menschen für dich auftreiben konnte", sagt Klaus.
"Ich schlage vor, dass jemand mit Chloe zum Rest des Menschen geht." Rebekah hebt das Amulett auf. "Und die anderen fahren zu Davina, damit sie Hope zurückholt."
Klaus hat seine Entscheidung schnell getroffen. "Ich begleite Chloe."
 "Du willst nicht zu deiner Tochter?", fragt Rebekah überrascht.
"Ich komme so schnell wie möglich nach, ich muss nur etwas erledigen."
Rebekah nickt. "Kommst du, Elijah?"
Nachdem die zwei Vampire den Hinterhof verlassen haben, stehen Klaus und ich in einiger Entfernung da. Unschlüssig schaue ich ihn an. "Also, wolltest du mir nicht den Menschen zeigen?"
"Gleich."
Ich versuche ein Lächeln. "Du willst den Durst eines Jungvampirs auf die Probe stellen?"
Innerhalb weniger als einer Sekunde ist er bei mir, so nah, dass ich das Blau-Grün seiner Augen sehen kann, die einzelnen Härchen auf seinen Wangen, die Rillen in seinen Lippen. Er senkt sein Gesicht zu mir hinab, ganz nah, bis wir dieselbe Luft einatmen.
Wider Willen überläuft mich ein Schauer.
"Ich denke, du weißt, dass man dich nicht als Jungvampir bezeichnen kann, Chloe Salvatore."
"Silver", verbessere ich ihn automatisch.
Ein amüsiertes Grinsen. "Wirklich?"
Meine Mundwinkel zucken. "Nein."
"Salvatore?"
"Nein."
"Hmm." Er weicht ein Stück zurück, doch ich überbrücke die verlorene Distanz schnell wieder. Ich will ihm nahe sein, so nahe wie möglich, jetzt, wo ich wieder ein Vampir bin und ihn richtig sehen kann, riechen, spüren, schmecken.
"Mikaelson?", wispere ich, so leise, dass es ein Mensch nicht verstanden hätte.
"Hmm", macht er wieder. Ich weiß nicht, ob es ein Zeichen der Zustimmung oder des Nachdenkens ist.
Ich lege eine Hand in seinen Nacken und will ihn küssen, aber er entzieht mir seinen Mund.
"Noch nicht", raunt er. "Chloey, du hast gesagt, dass ich mich entscheiden müsste."
Ein kaltes Gefühl überkommt mich, als ich an meine Worte denke: Liebst du oder hasst du mich?
"Love me or hate me, both are in my favor", zitiere ich leise und stelle zufrieden fest, dass Nik lächeln muss. Er hat Shakespeare auch gelesen. "If you love me, I will always be in your heart."
Nik streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nähert sich meinen Lippen. Ich spüre die Worte, die er dagegen haucht. Ich finde zwar nicht, dass sie zum Moment passen, aber Nik hatte schon immer einen seltsamen Geschmack. "If you hate me, I will always be in your mind."
Endlich. Er küsst mich, so sanft, wie ich es noch nie von ihm erlebt habe. Seine Hand streichelt meine Schulter und fährt über meinen Rücken. Meine Lippen schmiegen sich weich gegen die seine, verschlingen seine Nähe, ich liebe ihn, ich will ihn nie wieder verlieren, ich bin ein Vampir, und es kümmert mich nicht, es kümmert mich nicht, solange ich bei ihm bin -
Ich schreie auf, als eine Hand durch meinen Rücken bricht und meine Rippen von ihrem Platz reißt. Er schaut mir in die Augen, unerbitterlich, unnachgiebig, als seine Hand mein Herz findet.
"Nik", stoße ich bittend hervor.
"Ich werde dir nie vergeben, Chloe Salvatore."
Und damit zerdrückt er mein Herz zu Asche.
Und diesmal ist es keine Metapher.


Ahhh, Leute, der vorletzte Teil!! Ihr merkt an den Zeitspannen zwischen meinen Veröffentlichungen, wie ich das Ende hinauszögere xD

-Eileen

PS: Macht euch beim Epilog auf etwas gefasst ;)

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