5. Strafarbeit

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Pünktlich um 17:30 am nächsten Tag fand ich mich in der großen Halle ein. Neville wartete bereits, aber von Malfoy war keine Spur. Dafür ein anderer Slytherin, den ich mindestens genauso wenig wie Malfoy mochte: Snape. War ja klar, dass er heute Aufsicht hatte. Sein Vorzeigeschüler würde sicher nicht innerhalb der nächsten halben Stunde auftauchen.

Einen verachtenden Blick warf ich Snape noch zu, dann schnappte ich mir wie Neville vor mir einen Holzeimer und begann, Pergamentschnipsel einzusammeln. Das stellte sich wider meine Erwartung als schwierig heraus. Einige Erstklässler hatten wohl Verwandlungszauber an ihnen geübt, auf jeden Fall wollten die Teile einfach nicht in meiner Hand bleiben. Wie Eis flutschten sie zurück auf die Tische.

Neville und ich arbeiteten in Stillschweigen. Auf Snapes Kommentare hatten wir beide keine Lust und viel zu reden gab es eh nicht.

Malfoy erschien eher als gedacht. Mit nur fünf Minuten Verspätung schlenderte er in die Halle und grinste wie das Arschloch, das er war. Er begrüßte seinen Hauslehrer, dann nahm auch er sich einen Eimer und begann halbherzig Überbleibsel einzusammeln. Hin und wieder holte er seinen Zauberstab heraus und ließ mit einem Aufrufezauber ein dutzend Pergamentfetzen verschwinden. Snape sagte natürlich nichts.

„Hermine?" Ich fuhr herum. Neville stand vor mir. Prompt spürte ich das Blut in mein Gesicht steigen. Hatte ich grade Malfoy angestarrt?

„Hm?" machte ich und versuchte mich an einer unbeteiligten Miene.

„Ich hab den restlichen Tisch schon fertig und gehe mal einen Besen holen", sagt er. „Weißt du, was wir mit dem Zeug machen sollen?" Er deutete auf seinen gefüllten Eimer. Ich schüttelte den Kopf.

Dann tat Neville etwas, das mich vollkommen überraschte. Er atmete tief durch und...

... sprach Snape an. „Professor, was sollen wir mit dem Müll machen?" Ich konnte seine geweiteten Augen sehen, wohl war ihm absolut nicht dabei, aber wow. Das hätte ich nicht erwartet. Wir wurden wohl alle älter.

Snape war definitiv nicht so erstaunt von Nevilles Mut wie ich. Er machte einen Schnörkel auf ein Blatt, der verdächtig wie ein S aussah, dann sah er auf. Sein Blick schweifte kurz durch die große Halle, dann blieb er an Neville hängen. „Ihr könnt sie irgendwo sammeln, die Hauselfen holen sie dann schon ab."

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Die Hauselfen putzen hier normalerweise. Ohne Bezahlung. Und Snape sagte es, als würde er über das Wetter reden. Hätte ich ihn noch mehr hassen können, hätte ich das getan.

„Apropos Müll. Ich werde diesen kurz in mein Büro bringen." Der Lehrer raffte den Stapel Pergament, bei dem es sich vermutlich um Schüleraufsätze handelte, zusammen und stolzierte mit wallendem Mantel durch die Halle zum Tor hinaus. Finster schaute ich ihm nach.

„Hey Granger, verzieh' das Gesicht nicht so. Das bringt bei dir auch nichts mehr", flüsterte Malfoy mir zu. Er stand auf der anderen Seite des Ganges an den Ravenclawtisch gelehnt und stellte einen vollen Kübel neben sich ab.

„Wenigstens besitze ich im Gegensatz zu dir noch mehrere Gesichtsausdrücke", gab ich zurück. Er zog eine Augenbraue hoch, wie um meine Aussage zu widerlegen, und fuhr sich dann durchs Haar. Er sah gar nicht mal so schlecht aus, wie er da so lehnte. Aschblonde Haare, sturmgraue Augen und Männer in Hemden...

Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass er Malfoy war. Seine Augen waren grau wie Betonklötze, seine Haare kamen einem Wischmopp gleich, mit viel Fantasie, und ein Mann war er schon gleich gar nicht, Hemd hin oder her.

„Hört, hört, Granger kontert."

„Hast du nicht erwartet, was?" fragte ich, stellte mein Gesammeltes nun ebenfalls ab und verschränkte die Arme.

„Dachte nur nicht, dass du ohne Potter und Klein-Weasley auch ein bisschen Gryffindor in dir hast", sagte er und zuckte mit den Schultern.

„Überraschung! Oh warte, du hast nicht Geburtstag." In dem Moment, in dem ich Malfoys durchdringenden Blick sah und wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen, erkannte ich seinen Gedankengang. Flirte ich etwa gerade mit Malfoy? Oh Merlin, Boden tu dich auf. Ich versuchte einen finsteren Blick, aber es war schon zu spät.

Er lachte ironisch. „Sorry, Granger, aber du bist nicht mein Typ. Wo ist Longbottom hin, er würde sich bestimmt auf dich herablassen." Er sah sich suchend um, aber Neville war immer noch einen Besen holen.

„Oh, Entschuldigung, wenn ich da an deiner Reinblutheit gekratzt habe. Wie konnte ich nur? Wo ich doch so unsterblich auf überhebliche, selbstverliebte Frettchen stehe." Ich verdrehte die Augen und hoffte, dass er meine pinken Wangen nicht bemerkte.

Malfoy schoss in die Höhe und trat zwei Schritte nach vorne, sodass uns jetzt nur noch eine Armlänge trennte und er bedrohlich über mir aufragte. „Gut, denn ich habe keine Lust auf verrückte Gerüchte." Ich schluckte, dann richtete ich mich ebenfalls auf. Der Abstand zwischen uns verkleinerte sich und ich hatte keine Ahnung, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, dass es sich so anfühlte, wie es sich anfühlte.

„Dann hätten wir das ja geklärt und können zu unserer Arbeit zurückkehren", sagte ich. Einen Augenblick lang hielt ich seinem düsteren Blick noch stand, dann drehte ich mich nach rechts weg. Ich sah ein vergessenes Schnipsel am Boden, wollte ihm jetzt aber nicht würdelos hinterherhüpfen. Stattdessen tat ich so, als würde ich Dreck vom Tisch wischen.

Als Neville kurz darauf mit drei Besen zurückkehrte, saß Malfoy wieder auf der Bank und blickte gelangweilt seiner neuen Aufgabe entgegen. Während er lustlos mit seinem Besen wedelte, begann ich brav zu fegen.

„Hey, Mann. Hör auf, den Boden zu verdreschen, er hat dir nichts getan", raunte Neville mir zu und erst da bemerkte ich, wie aggressiv ich putzte. Okay, einmal tief durchatmen, Malfoys blödes Gesicht vergessen und ordentlich weitermachen.

Der Dramione-PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt